Die La Ola Bar macht zu – das wird dem Lochergut ohne Silvio fehlen

Die La Ola Bar schliesst Ende des Jahres ihre Türen für immer. Der 72-jährige Barbesitzer Silvio Margadant verabschiedet sich in den Ruhestand und blickt dabei auf zwei Jahrzehnte an der Sihlfeldstrasse zurück.

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Silvio Margadant hat sich mit 52 entschieden, seinen Beruf zu wechseln. Er liess das Konditor-Leben hinter sich und startete die La Ola Bar. (Bild: Anna Pfister)

Silvio Margadant steht mit dem Rücken zur Eingangstür und stapelt konzentriert Kartonkisten aufeinander. Der 72-Jährige betreibt die La Ola Bar am Lochergut und das bereits seit 20 Jahren. Eine gute Zahl, um in Rente zu gehen, meint Silvio.

Der Barbesitzer, den alle einfach nur Silvio nennen, hat sich entschieden, dass dieses Jahr das Letzte für ihn sein wird. Das letzte als Betreiber zumindest. Pläne für die Pensionierung hat er. 20 Jahre an der Sihlfeldstrasse seien wunderschön, aber auch genug, so Silvio.

Vom Konditor zur eigenen Bar

Mit einer Lehre als Konditor hat Silvio in das Berufsleben gestartet. Er habe an vielen unterschiedlichen Orten gearbeitet. Von der Flughafenbäckerei Steiner, bis zur ETH-Konditorei am Hönggerberg. Das Leben als Konditor habe ihm zwar Spass gemacht, jedoch vermisse er es nicht.

Mit 52 Jahren kam der Kurswechsel: Silvio wurde Barbetreiber und öffnete die La Ola Bar in den Nullerjahren. Ob er alles nochmals gleich machen würde? Unklar. Mit über 50 noch ein eigenes Lokal zu eröffnen, sei schon spät gewesen. «Eine eigene Bar zu betreiben, braucht Energie, aber ich bekomme sie von den Gäst:innen auch wieder retour», sagt Silvio. Dass er ohne seine Mitarbeiterinnen Bea, Gabi und Kathrin alles nicht geschafft hätte, betont Silvio mehrmals. «Diese Frauen waren ein echter Joker für die La Ola Bar.»

«Die Live-Konzerte jede Woche sind mein Highlight», schwärmt Silvio. Immer mittwochs und samstags gibt es in der La Ola Bar Livemusik, wo Jung und Alt aufeinandertreffen. Auch seine Lebenspartnerin hat der Wirt durch die La Ola Bar kennengelernt, und zwar ein Jahr nach der Eröffnung, erzählt Silvio. Sie sei eine Gästin gewesen und nachdem sie Blickkontakt über die Tresen aufgebaut hatten, funkte es sofort.

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Ab dem späteren Nachmittag füllt sich die Bar mit Menschen, die ihren Feierabend in der La Ola Bar verbringen. (Bild: Anna Pfister)

Stirbt ein Papst, kommt ein neuer

«Die Leute sagen, dass etwas fehlen wird, wenn ich nicht mehr da bin», sagt Silvio. Sein Blick dabei ist abwesend und etwas nachdenklich. Aber nach ihm komme dann halt jemand anders. «Stirbt ein Papst, kommt ein neuer», sagt er und lacht. Das sei der Lauf des Lebens.

Auf die Frage, was er am meisten vermissen wird, antwortet er mit «alles».  Er liebe die Bar und der Tagesablauf als Barbesitzer entspreche ihm voll und ganz. Silvio wirkt zwar wehmütig, aber die Erleichterung, bald die Last einer eigenen Bar nicht mehr tragen zu müssen, spürt man.

«Als Abschied werden wir Ende Dezember nochmals richtig auf den Putz hauen.» Ein Livekonzert gebe es auf jeden Fall. Sein Wunsch: Mit einem grossen Fest die Bar beim Lochergut zu verlassen. Und das Ende der Bar sei der Anfang einer neuen Reise, erzählt Silvio. Sein Flug nach Gran Canaria im März ist gebucht. «Als Erstes werde ich einfach mal herunterfahren», so Silvio.

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Silvio freut sich auf das neue Kapitel in seinem Leben: Die Pensionierung. Seine erste Reise ist schon geplant. (Bild: Anna Pfister)

Wer kommt nach der La Ola Bar

Die Liegenschaft, in der sich die La Ola Bar befindet, gehört einer privaten Eigentümerschaft. Der Miteigentümer äussert, Silvio gerne noch ein paar Jahre länger als Mieter gehabt zu haben. «Ab einem gewissen Alter hat man die Rente aber verdient», sagt er.

Die La Ola Bar, sei mehr als nur eine Kneipe, sie sei ein sozialer Treffpunkt und bereichere das Quartier rund ums Lochergut. «Es ist noch unsicher, wer genau Nachmieter:in wird, aber bestimmt kein Coop-Pronto.»

Die Bar als Treffpunkt solle bestehen bleiben, auch wenn Silvio nicht mehr da ist, versichert der Miteigentümer. Zurzeit gebe es verschiedene Interessent:innen, die ihre Ideen und Konzepte präsentieren. «Wenn nach Silvio ein Buchclub folgt, ist das für uns auch okay.» Menschen mit neuen, spannenden Ideen seien immer gut.

Das Lokal werde in letzter Zeit regelmässig für Beerdigungs-Apéros genutzt, erzählt der Miteigentümer. Silvio bestätigt dies und lacht. «Mir macht das nichts aus.» Wenn Angehörige von ehemaligen Gäst:innen ein Leichenschmaus anfragen, sage er immer zu, so der Barbetreiber in einer Selbstverständlichkeit.

Die Perfekte Nachbarschafts-Symbiose

Mit den angrenzenden Restaurants Derby und Rosi pflegt Silvio eine gute Beziehung. So haben die drei Lokale in den letzten beiden Jahren gemeinsam jeweils das Hildi-Eck-Strassenfest gefeiert. «Wir sind alle sehr traurig, dass Silvio aufhört», sagt Luca Erdös, Mitbetreiber der Pizzeria Derby

Die Kundschaft vom Derby und der La Ola Bar hätten sich optimal ergänzt. «Die perfekte Symbiose», meint Erdös. «Müssen Gäst:innen bei uns auf die Pizza warten, schicken wir sie zu Silvio zum Apéro rüber», sagt er. Es sei wertvoll, eine gute Beziehung zum Nachbarn zu haben. Erdös erzählt, dass er seinen letzten Geburtstag in der La Ola Bar gefeiert habe. «Das war mein Highlight, seit wir Nachbarn sind», sagt er mit einem Schmunzeln.

«Jemand junges, aber nicht zu fancy wäre super», antwortet Erdös auf die Frage, wen er sich als Nachfolge von Silvio wünschen würde. Die La Ola Bar am Lochergut hat eine alteingesessene Stammkundschaft, eine einfache Karte und Bier für fünf Franken. Das macht die Bar in einem Quartier voller wohlhabenden Menschen und mit hippen Restaurants und Bars einzigartig. Darum wünscht sich der Pizzeria-Betreiber, dass die Stammgäst:innen der La Ola Bar nicht verschwinden.

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Der 80-jährige Roland hat früher selbst eine Bar geführt, nun kommt er regelmässig in die La Ola Bar. (Bild: Anna Pfister)
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Die Freundesgruppe trifft sich regelmässig, um gemeinsam ein Bier zu trinken. (Bild: Anna Pfister)

So soll die neue Besitzer:in sein

Einer dieser Stammgäste ist Roland. Punkto Nachfolge hat er Bedenken, ob das Lokal künftig noch seine Stammbeiz sein wird. «Heute wissen viele Barbesitzer:innen nicht mehr, worauf es wirklich ankommt», sagt der 80-Jährige. Viele junge Betreiber:innen seien am Handy, anstatt die Kundschaft zu bedienen. Bei Silvio sei dies anders, er komme immer sofort und bediene die Gäst:innen einwandfrei. 

Neben Roland sitzen Markus (57) und nochmals Markus (64). Die La Ola Bar sei seit Jahren der Ort, an dem sie zusammenkommen, ein Bier trinken und eine Zigarette rauchen.

Am Tisch wird viel gelacht und es werden Witze gerissen. Auf die Frage, ob man sie fotografieren dürfe, entgegnet Markus: «Normalerweise bezahlen Leute für so was.» Der Tisch fällt in lautes Gelächter und auch Silvio gesellt sich lachend dazu. Je später es wird, desto mehr Tische vor der Bar füllen sich. Silvio schenkt Bier aus und bedient eine Gäst:in nach der anderen.

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