Stadtspaziergang: Welche Rolle spielt unser Konsum?

Beim Stadtspaziergang zum Thema Degrowth besuchten wir Orte in der Stadt Zürich, die sich mit Konsum und alternativen Formen des Zusammenlebens auseinandersetzen: vom Landesmuseum über den Stadtgarten bis zum Zollhaus.

Stadtspaziergang Degrowth
Der Stadtspaziergang war gut besucht, obwohl es regnete. (Bild: Sofie David)

Trotz Nieselregen fanden sich am Mittwochabend, 12. März, gut 20 Personen vor dem Haupteingang des Landesmuseums für den Stadtspaziergang zum Thema Degrowth ein.

Zu Beginn hielt Lea Trogrlić, Umweltökonomin und Aktivistin und Mitgründerin des Vereins «Plurale Ökonomik Zürich», einen kurzen Input zum Thema. «Was kommt euch zu Degrowth in den Sinn?», fragte Trogrlić die Besucher:innen unter den Regenschirmen. Während einige gar nichts damit anzufangen wussten, fielen Worte wie «gesellschaftlicher Wandel» und «ökonomisch unbeliebt». 

Degrowth passiere auf drei Ebenen, erklärte Trogrlić. Auf der politischen, der aktivistischen und der individuellen Ebene. Die Bewegung schlage politische Massnahmen nach den Grundpfeilern der Gerechtigkeit, Demokratie und Suffizienz vor. Aktivismus übersetze die Ideen in die Praxis, mit Beispielen wie der solidarischen Landwirtschaft. Und als Individuen seien wir gefordert, den Status quo kritisch zu hinterfragen und neu zu denken.

Unser Konsum über die letzten 170 Jahre

Weiter ging es in der Empfangshalle des Landesmuseums, wo Bettina Zimmermann, Fachreferentin des Landesmuseums Zürich, die tropfende Gruppe empfing. Sie erzählte von der Geschichte des Landesmuseums und den verschiedenen Ausstellungen, die derzeit zu sehen sind.

Neben den Dauerausstellungen gebe es auch immer wieder Wechselnde, wie die Ausstellung «Konsumwelten». Diese blickt darauf zurück, wie sich der Konsum der Schweizer Bevölkerung über die letzten 170 Jahre verändert hat. Dabei werde ein Bogen  von der Zeit der Industrialisierung, über den Speckmarkt und die Hausierer:innen bis hin zum Supermarkt und der Zeit von Online-Shops gespannt, erklärte Zimmermann.

Stadtspaziergang Degrowth im Landesmuseum
Der Stadtspaziergang im Landesmuseum. (Bild: Elio Donauer)

Der Konsum habe sich in dieser Zeit stark verändert. Was früher mit den finanziellen Möglichkeiten zusammenhing, werde heute mehr durch individuelle Bedürfnisse und Wünsche geprägt. Die Ausstellung ist noch bis zum 21. April zu sehen.

«Wenn man weniger konsumiert, spart man Geld»

Besucher des Stadtspaziergangs

Als nächster Programmpunkt gab Lea Trogrlić, mehr Einblicke in ihr Fachwissen, diesmal im Trockenen.

Dabei entstand ein Dialog zwischen den Besucher:innen des Spaziergangs, wobei verschiedene Fragen und Ideen zu Degrowth besprochen wurden. «Wenn man weniger konsumiert, spart man Geld», sagte ein Besucher, doch «selten wird dieses Geld genutzt, um das eigene Arbeitspensum zu reduzieren», dabei wäre das doch naheliegend. Einer anderen Besucherin liegen die Arbeiter:innen in anderen Ländern am Herzen: «Degrowth bedeutet auch, dass wir fair produzierte Ware kaufen», sagte sie.

Lea Trogrlić im Dialog mit den Teilnehmer:innen
Lea Trogrlić im Dialog mit den Teilnehmer:innen. (Bild: Elio Donauer)

Zum Schluss waren sich die Teilnehmer:innen einig: Als Konsument:in könne man seinen Beitrag leisten, doch am Ende brauche es immer auch politische Massnahmen. 

Kiwibeeren aus dem Kreis Cheib

Die dritte Station des Spaziergangs war der Brauergarten im Kreis 4, wo in einem unscheinbaren Hinterhof an der Brauerstrasse 28,  seit 2012 Gemüse und Kräuter in Hochbeeten und Erdsäcken angebaut werden.

Krautstil im Brauergarten
Hier wächst nichts direkt im Boden. (Bild: Sofie David)

Kollektivmitglied Bettina Dürr erklärt, das Kollektiv rund um den Brauergarten habe sich damals um einige Freund:innen gebildet. Sie hätten bei der Stadt angefragt, ob sie auf der Fläche als Zwischennutzung einen Garten anlegen dürften. «Deshalb haben wir alle Pflanzen in Säcken und Hochbeeten, weil die Stadt jederzeit sagen kann, dass wir hier wegmüssen». 

Zwar sichere der Garten nicht die Nahrungssicherheit im Quartier, aber dafür hätten sie zum Beispiel Kiwibeeren, die man sonst nirgends kaufen könne, sagt Dürr. «Ausserdem haben wir mehr Estragon und Zitronenmelisse, als wir je aufbrauchen könnten.»

Degrowth-Stadtspaziergang: Station Brauergarten
Versteckt im Kreis 4 eine kleine Garten-Oase. (Bild: Sofie David)

Wohnen als Klimaziel 

Nach einem kurzen Weg durch die Langstrasse endete der Stadt-Spaziergang im Zollhaus, wo Martin Schick, Co-Verantwortlicher der Fachstelle für Partizipation und Kollaboration von der Genossenschaft Kalkbreite etwas über ihr Konzept erzählte.

Die Genossenschaft Kalkbreite verfüge über zwei Liegenschaften, einerseits die Kalkbreite selbst, andererseits das Zollhaus. In beiden zusammen würden gut 350 Personen wohnen. Dabei werde in der Genossenschaft viel Wert auf nachhaltiges Zusammenleben gelegt. Die Wohnfläche sei so konzipiert, dass die Bewohner:innen untereinander Wohnungen tauschen könnten, wenn das ihren Bedürfnissen besser entsprechen würde.

Auch seien die Häuser so gebaut, dass eine Mischung in der Nutzung und damit auch eine Öffnung zum Quartier entstehe. Darum befinden sich in beiden Gebäuden und Gewerbeflächen, die offen zugänglich sind.

Martin Schick am Degrowth Stadtspaziergang
Martin Schick erzählte vom Kalkbreite-Modell. (Bild: Elio Donauer)

Auch seien die Häuser so gebaut, dass eine Mischung in der Nutzung und damit auch eine Öffnung zum Quartier entstehe. Darum befinden sich in beiden Gebäuden und Gewerbeflächen, die offen zugänglich sind.

Die Mitglieder der Genossenschaft spiele ausserdem mit dem Gedanken einer Klimagenossenschaft, in der neben der Wohnfläche auch der Gebrauch aller anderer Ressourcen geteilt werden würde. Die Idee: Die Bewohner:innen sollenden gemeinsamen CO2-Verbrauch untereinander aushandeln. Ganz im Sinne von Degrowth also. Doch all das liege noch in unbestimmter Zukunft.

Stadtspaziergang Degrowth Zollhaus
Der Spaziergang endete im Zollhaus. (Bild: Elio Donauer)
Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 1800 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei! Natürlich jederzeit kündbar!

Jetzt unterstützen!
Sofie David

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare