Pitch–Night: «Im Kern sind wir gar nicht so verschieden»

Am Dienstagabend versammelten sich rund hundert Menschen im «Karl*a der*die Grosse». Grund dafür war die Pitch-Night, die im Rahmen unseres Fokusmonats «psychische Gesundheit» stattfand. Sieben Redner:innen referierten in je sieben Minuten aus ihrem Betrachtungswinkel zum Thema.

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Die Pitch–Night zum Thema «Psychische Gesundheit» beginnt. (Foto: Ladina Cavelti)

1 Thema - 7 Perspektiven

«Es freut mich, dass so viele Menschen nicht rechtzeitig zum Valentinstag ein Date bekommen haben und jetzt da sein müssen.» Mit diesen Worten eröffnet Tsüri-Chefredaktor Simon Jacoby die Pitch-Night. 

Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit sind während der Laufzeit eines Jahres bis zu einem Drittel aller Menschen in der Schweiz von einer psychischen Krankheit betroffen. Gerade bei jungen oder anderen vulnerablen Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Menschen mit geringerem Einkommen, habe sich die Zahl der Betroffenen während der Pandemie verdoppelt. Zum Auftakt des Fokusmonats «psychische Gesundheit» hat Tsüri.ch eine Umfrage gestartet. «Ich bin geknickt. Bei Servietten kann das sein. Bei Menschen auch», so eine Teilnehmende der Umfrage.  Zwei Drittel der Befragten gaben an, mindestens eine psychisch kranke Person im Umfeld zu haben. 

«Wir werden heute Abend sieben verschiedene Perspektiven zum Thema ‹psychische Gesundheit› hören.», fährt Simon Jacoby weiter. Die erste Rednerin, die heute auf die Bühne tritt, ist Sabina Pedroli. 

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Simon Jacoby moderiert durch die Pitch–Night. (Foto: Ladina Cavelti)

Sabina Pedroli, Psychotherapeutin und Mitglied Kantonalverband der Zürcher Psychologinnen und Psychologen : «Man sollte sich mit seinen Ecken und Kanten annehmen»

Der erste Pitch hält Sabina Pedroli. Sie möchte in ihrem Referat mehr über die psychische Gesundheit sprechen, anstatt über die Krankheiten selber, sagt sie. Laut ihr gibt es drei wichtige Punkte, wie man die psychische Gesundheit pflegt. Erstens: «Man sollte sich mit seinen Ecken und Kanten annehmen», so Pedroli. Ausserdem sei es wichtig, aktiv im Leben zu sein; sich kreativ ausleben, Sport treiben oder sozial aktiv sein. Der dritte wichtige Punkt sei, dass man sich selbst Grenzen setzen und diese akzeptieren soll und zudem sich Zeit nimmt, um zu entspannen.

Am Schluss machte Pedroli auf die Kampagne «Wie geht’s dir?» aufmerksam. Dort findet man Tipps und Nummern, falls man in einer schwierigen Phase steckt oder ein:e Angehörige:r von psychisch Erkrankten ist. 

Hier kannst du den Pitch von Sabina Pedroli nachschauen. 

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Sabina Pedroli an ihrer Pitch. (Foto: Ladina Cavelti)

Ruedi Josuran, Verein Equilibrium: «Das ist kein Gefühl mehr, sondern das Gefühl der Gefühllosigkeit»

Ruedi Josuran kommt im Namen des Vereins Equilibrium auf die Bühne. Equilibrium stammt vom Lateinischen und bedeutet «wieder ins Gleichgewicht zu kommen». Der Verein unterstützt Menschen mit Depressionen in ihrem Genesungsprozess. 

Der ehemalige Radiomoderator erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen mit Depressionen. Als er zum ersten Mal mit dem Verein Equilibrium in Kontakt kam, fing er an, die Krankheit sich selbst gegenüber zu enttabuisieren. Josuran erzählt von Scham und von Schuldgefühlen. Und versucht zu erklären, wie es sich anfühlt, wenn man depressiv ist: «Das ist kein Gefühl mehr, sondern das Gefühl der Gefühllosigkeit.»

Auf die Frage, ob er sich manchmal gedacht habe, dass ein Mann stark sein müsse und nicht psychisch krank sein dürfe, kommt ein klares: «Ja, immer wieder.»

Hier kannst du den Pitch von Ruedi Josuran nachschauen.

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Ruedi Josuran von Verein Equilibrium. (Foto: Ladina Cavelti)

Martin Fankhauser, Betroffener und Fotokünstler: «Von aussen sieht man die Krankheiten nicht»

«Mein Puls ist bei 120, es braucht also viel, dass ich hier stehe», beginnt Martin Fankhauser. Er erzählt von seinen eigenen Diagnosen: Depression, Angststörung und unsichere Persönlichkeitsstörung. Zu Beginn seiner Erkrankung versuchte er, sich möglichst nichts anmerken zu lassen. Dann entschied er sich jedoch für eine 180-Grad-Wendung: In einer Radiosendung sprach er erstmals offen und ehrlich über seine Diagnosen. Nach der Sendung bekam er von seinem Umfeld viel Zuspruch und war ab da als Mental-Health-Aktivist unterwegs. Fankhauser begann zu dieser Zeit auch zu fotografieren. Er widmete seinem Hobby ein ganzes Projekt: Er fotografierte Betroffene in ihrem gewohnten Heim. Mit dem Projekt wollte er zur Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten beitragen und auf ihre Unsichtbarkeit aufmerksam machen. Denn «von aussen sieht man die Krankheiten nicht», sagt er über seine Bilder.

Das Schönste, was Fankhauser durch seinen Aktivismus erfahren durfte, sei gewesen, als nach einer Ausstellung seiner Fotografien eine Betroffene zu ihm kam und ihm sagte, dass sie sich nun nicht mehr alleine fühle. 

Hier kannst du den Pitch von Martin Fankhauser nachschauen

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Mental-Health-Aktivist Martin Fankhauser. (Foto: Ladina Cavelti)

Frank Wieber, Leiter des Forschungsprojekt «Take Care»: «Es liegt ganz viel an den Strukturen!»

Der ZHAW-Psychologe Frank Wieber pitchte über das Projekt «Take Care». Dieses befasst sich mit der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. 

Die Veränderungsprozesse, in denen Kinder und Jugendliche stecken, fänden momentan gleichzeitig mit diversen weltweiten Krisen statt, so Wieber. Die Welt sei nicht mehr zuverlässig und planbar und die Probleme durch die sozialen Medien näher als je zuvor.  Das habe Folgen für die psychische Gesundheit.

Ihm zufolge können alle etwas tun: Signale wahrnehmen, Zuhören, Dasein und wenn nötig Hilfe holen. Die Rahmenbedingungen, in denen Kinder aufwachsen würden, seien aber der grösste Hebel, mit dem man die psychische Gesundheit fördern könne. 

Hier kannst du den Pitch von Frank Wieber nachschauen. 

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«Es liegt ganz viel an den Strukturen!», Frank Wieber an seiner Pitch. (Foto: Ladina Cavelti)

Alex Schnetzler, Verein «EX-IN»: «Wir als Peers finden den Zugang zu Patient:innen schneller»

Alex Schnetzler kam für den Verein EX-IN auf die Bühne. Ex-In sei ein interessanter Name, so Schnetzler, da er oft mit der Sterbehilfe Exit verwechselt werde, Dabei sei er das Gegenteil. EX-IN bringe Menschen wieder zurück ins Leben, sagt Schnetzler. Sie arbeitet für den Verein als sogenannter Peer auf der Akutstation einer Psychiatrie. Als ehemals Betroffener könne er mit den Patient:innen auf Augenhöhe sprechen. Das sei sehr wertvoll und gefragt. 

Laut Schnetzler sind die Patient:innen viel aktiver und gesprächiger, sobald er als Peer auf der Abteilung ist. «Wir als Peers finden den Zugang zu Patient:innen schneller», sagt er.

Man müsse jedoch enorm stabil sein, um diese Arbeit bewältigen zu können, da man immer wieder mit der eigenen Diagnose konfrontiert werde und es viele Triggerpunkte gebe.

Hier kannst du den Pitch von Alex Schnetzler nachschauen.

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Peer Alex Schnetzler. (Foto: Ladina Cavelti)

Matthias Boss, Psychotherapeut: «Ich wusste nicht, wie ich mich selbst als Kind trösten kann»

Matthias Boss arbeitet als Psychotherapeut und moderiert die Veranstaltung «Gestört erzählt», an welcher er jeweils mit psychisch erkrankten Menschen über ihre Diagnose und den Umgang der Krankheiten spricht. In seinem Pitch gibt er Einblicke in die Arbeit von Therapeut:innen und teilt auch sehr persönliche Erlebnisse. Denn in der vierjährigen Therapie-Ausbildung musste er auch selbst in eine Therapie gehen. Um die Muster von Patient:innen zu erkennen, müsse man seine eigenen kennenlernen. «Muster entstehen oft schon in der Kindheit und prägen uns bis ins hohe Alter», erklärt Boss.

 In seinen sieben Minuten ging Boss besonders auf die Schematherapie ein, da diese sich besonders mit Mustern beschäftigt.  

Er erzählt von seiner eigenen Schematherapie. Als Medizinstudent haber er stets Angst gehabt, Fehler zu machen und sich bloss zu stellen. In der Therapie habe er gelernt, dass diese Angst vor dem Blossstellen aus seiner Kindheit stamme. In der Therapie musste er dann in seiner Imagination zu sich selbst als Kind sprechen und sein inneres Kind trösten und ihm zusprechen. «Ich wusste nicht, wie ich mich selbst als Kind trösten kann», so Boss. 

Hier kannst du den Pitch von Matthias Boss nachschauen. 

Am 28. Februar wird er eine Ausgabe von «Gestört erzählt» im Rahmen unseres Fokusmonats im «Karl*a der*die Grosse» halten. Sichere dir hier ein Ticket. 

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Matthias Boss erzählt von seiner eigenen Schematherapie. (Foto: Ladina Cavelti)

Denise Ineichen, Beraterin der psychologischen Beratungsstelle der Universität Zürich und ETH: «Im Kern sind wir gar nicht so verschieden»

Denise Ineichen arbeitet als Beraterin in der psychologischen Anlaufstelle der Universität Zürich und der ETH. «Im Kern sind wir gar nicht so verschieden», reagierte Ineichen auf die bisherigen Pitches. In ihrem Berufsalltag werde sie täglich mitpsychischen Problemen der Studierenden konfrontiert: Leistungsdruck, Schuldgefühle und eigene Grenzen sind drei Dinge, die Studierende besonders beschäftigen. Laut Ineichen lernt man das Umgehen von psychischen Belastungen nicht in der Schule, sondern im Alltag und im Austausch mit anderen Betroffenen. Damit deutete Ineichen nochmals auf die Peer-Arbeit an. 

Hier kannst du den Pitch von Denise Ineichen nachschauen. 

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Beraterin Denise Ineichen. (Foto: Ladina Cavelti)

«Das war die fünfzehnte Pitch-Night, die wir organisiert haben, und es war die persönlichste», sagt Simon Jacoby zum Abschluss. Danach konnten die Besucher:innen beim Apéro sich über das Gehörte austauschen.

Das ganze Programm unseres aktuellen Fokusmonates «psychische Gesundheit» findest du hier.

Liste mit Hilfsangeboten rund um psychische Gesundheit:

  • Beratungsangebote der Stadt Zürich
    
  • Notrufnummer 147: Beratung für Kinder und Jugendliche bei Fragen, Problemen und Notsituationen.
  • Die Dargebotene Hand: Beratung per Telefon, Mail und Chat, für Krisen und Alltagsprobleme rund um die Uhr und anonym.
  • Arche Zürich: Unterstützung von Erwachsenen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, psychische Probleme haben oder suchterkrankt sind sowie Kinder und Jugendliche, die in einem Umfeld leben, das sie belastet. 
  • Caritas: Hilfswerk für Armutsbetroffene und Menschen in Not.
  • Opferhilfe Schweiz: Unterstützung von Menschen, die in der Schweiz durch eine Straftat körperlich, psychisch oder sexuell beeinträchtigt wurden.
  • Safezone: Online-Beratung zu Suchtfragen für Betroffene, Angehörige oder Interessierte.
  • Equilibrium: Unterstützung von Betroffenen zur Bewältigung ihrer Depressionen.
  • Ex-In Schweiz: Weiterbildung von Menschen mit psychischen Krankheits- und Genesungserfahrungen, um sie zu qualifizieren andere Menschen während ihren psychischen Krankheits- und Genesungserleben zu unterstützen.
  • Peer+: Fachverband der Expert:innen durch Erfahrung in psychischer Erschütterung und Genesung.
  • Traversa: Netzwerk für Menschen mit einer psychischen Erkrankung.
  • Schweizerische Koordinations und Fachstelle Sucht: Informationen und Dienstleistungen für Suchtbetroffenen, Angehörigen sowie Expert:innen.
  • Pro Mente Sana: Beratungsstelle für Betroffene, Angehörige und Fachpersonen rund um psychische Krankheit und Gesundheit sowie Engagement für genesungsorientierte Projekte und Angebote.
  • Netzwerk psychische Gesundheit Schweiz: ist ein Zusammenschluss von Organisationen, Institutionen und Unternehmen, die sich für die psychische Gesundheit in der Schweiz engagieren.
  • Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich: fördert Gesundheitskompetenz, um psychischen Erkrankungen vorzubeugen.

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