An der Dufourstrasse zeigt sich, wer von der Seefeldisierung profitiert hat - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Steffen Kolberg

Redaktor

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25. März 2024 um 05:00

Exklusiv: Das sind die Besitzer:innen der Dufourstrasse

Diese Recherche zeigt erstmals auf, wem die Grundstücke an der Dufourstrasse im Seefeld gehören. Ältere Privateigentümer:innen werden immer mehr von Versicherungen und Immobilienentwickler:innen verdrängt.

Dufourstrasse, Opernhaus

Am Anfang der Dufourstrasse steht das Opernhaus. (Foto: Steffen Kolberg)

Der Frühling steht in den Startlöchern. Im Seefeld ist jetzt Steppjackenzeit, ein zarter Blütenduft mischt sich in den süsslich-beissenden Geruch der Zigarrenstumpen. Dass das Seefeld ein Ort der Reichen ist, erschliesst sich schon durch seine Lage: Entlang des Zürichsees verbindet es den zentral gelegenen Sechseläutenplatz mit dem Opernhaus und anderen Repräsentativbauten mit dem Bahnhof Tiefenbrunnen, hinter dem die Stadtgrenze und die reichen Goldküstengemeinden liegen.

Doch das Seefeld war nicht immer das Quartier der Sportwagen, Edelboutiquen und Privatkliniken. Ende der 80er-Jahre beherrschten das Rotlichtmilieu und eine offene Drogenszene das Strassenbild, die vom Niederdorf hierher gewandert waren. Seither sind die Bodenpreise im Kreis 8 explodiert und gehören inzwischen laut Angaben der Stadt Zürich zu den höchsten im ganzen Stadtgebiet. Diese «Seefeldisierung» steht inzwischen stellvertretend für Aufwertungs- und Vertreibungsprozesse in der ganzen Stadt.

Dufourstrasse, Ringier

Detail des Ringier-Hauses in der Dufourstrasse. (Foto: Steffen Kolberg)

Der Quartierverein Riesbach hat erstmals vollständige Daten von Eigentümer:innen zur Dufourstrasse erhalten und sie zusammen mit Tsüri.ch ausgewertet. (Hier ist der Artikel im Quartiermagazin Kontacht) Die Strasse durchzieht das Quartier zentral von Nord nach Süd. Auf diesem Weg wandelt sich das Strassenbild, den Repräsentativbauten der Medienhäuser NZZ und Ringier, den Hotels und Gastronomiebetrieben folgt schon bald eine reine Wohnbebauung.

Der Verein erhielt seine Daten zur Strasse vom Grundbuchamt – gegen die Zahlung einer Gebühr und mit Verweis auf das öffentliche Interesse; wie dies bereits bei den Recherchen von Tsüri.ch zur Langstrasse und Weststrasse der Fall war. Das ist nicht selbstverständlich: Zwar ist das Zürcher Grundbuchamt laut Gesetz öffentlich und seit letztem Sommer auch digital zugänglich, doch eine eingebaute Beschränkung der Abfragen pro IP-Adresse und Tag erschwert die Abfrage erheblich. Würde man auf diesem herkömmlichen Wege die Eigentümer:innen aller 107 Grundstücke an der Dufourstrasse herausfinden wollen, bräuchte man im besten Fall mehr als drei Monate.

Dufourstrasse 2024

Leerstand. Ein aussergewöhnlicher Anblick im Seefeld. (Foto: Steffen Kolberg)

Die Firmen holen auf

Die Grundbuchdaten verglich der Quartierverein mit dem Häuserverzeichnis des Adressbuchs der Stadt Zürich aus dem Jahr 1990 – bis zu diesem Jahr wurden die jeweiligen Eigentümer:innen aller Zürcher Liegenschaften in dieser jährlichen Publikation aufgeführt.

Der Vergleich zeigt: Damals, als das Seefeld unter einem schlechten Ruf litt, war dort auch die Besitzstruktur noch eine völlig andere. Der Anteil der Grundstücke in der Hand von einer oder mehreren Privatpersonen war damals bei 69 Prozent, während es heute nur noch 50 Prozent sind.

Auf der Karte oben ist zu sehen, welche Liegenschaft 2022 in Privat-, in Firmen und in städtischem Besitz war. Unten im Vergleich der Stand 1990.

Firmen und andere Institutionen konnten ihren Anteil dagegen von 28 auf 42 Prozent steigern. Von den 99 Grundstücken, die sich zwischen 1990 und 2022 vergleichen lassen, sind 43 immer noch im Besitz derselben Familie. 18 gingen in der Zwischenzeit in institutionellen Besitz über, zwei den umgekehrten Weg. Je ein Grundstück ging von institutionellem beziehungsweise privatem Besitz in die Hände der Stadt über.

Die Dufourstrasse steht damit exemplarisch für einen anhaltenden Trend: Firmen erhöhen ihren Anteil an Liegenschaften stetig. Seit kurzem besitzen sie sogar erstmals die meisten Wohnungen in Zürich.

Der grosse Abriss

Die Daten des Grundbuchamts zeigen auch, wann die Liegenschaften zuletzt die Besitzer:in gewechselt haben. Es fällt auf: Besonders viele Grundstücke wechselten innerhalb der letzten zehn Jahre ihre Eigentümer:in. Etwa die Hälfte der Grundstücke, die jetzt Firmen und anderen Institutionen gehören, wurden in diesem Zeitraum erworben. Ebenso sind knapp ein Drittel der Grundstücke, die derzeit Privatpersonen gehören, innerhalb der letzten zehn Jahre in deren Besitz gelangt. Wem die Grundstücke vor dem Wechsel gehörten, ist nicht bekannt. Auch, wie oft sie zuvor die Besitzer:in wechselten, geht aus den Daten nicht hervor.

Problematisch ist diese hohe Zahl vor allem deshalb, weil solche sogenannten Handänderungen häufig mit baulichen Eingriffen einhergehen – und bauliche Eingriffe in der Regel höhere Mietzinsen nach sich ziehen. Der Quartierverein Riesbach führt seit einigen Jahren ein Monitoring der baulichen Veränderungen im Kreis 8 durch. Sie zeigen, dass grössere bauliche Eingriffen wie Totalsanierungen und Ersatzneubauten stark mit den im Grundbuch vermerkten Handänderungen zusammenhängen.

Seit 2010 wurden insgesamt 27 Liegenschaften an der Dufourstrasse totalsaniert, abgerissen und neu gebaut. Das entspricht einem Viertel aller Grundstücke entlang der eineinhalb Kilometer langen Strasse. Bei 11 von ihnen lag der grundlegende Umbau bis zu fünf Jahre vor oder nach dem Eigentümer:innenwechsel, bei den restlichen 16 betrug der Abstand bis zu zehn Jahre. 

Dufourstrasse, Zurich 2024

Die Zürich Versicherung hat vor wenigen Jahren ein grosses Ersatzneubau-Projekt umgesetzt – mit weniger Wohnungen als zuvor. (Foto: Steffen Kolberg)

Zwar kamen insgesamt mehr Liegenschaften in den Besitz von institutionellen Besitzer:innen wie Firmen. Doch der Wechsel zu Privatpersonen ging häufiger mit vollumfänglichen Baumassnahmen einher: Ein Haus, das in den letzten zehn Jahren neu in den Besitz einer oder mehrerer Privatpersonen kam, wurde in neun von zehn Fällen umfassend saniert oder gleich durch ein neues ersetzt.

Versicherungen besitzen viel und bieten wenig

In der Dufourstrasse gehören die meisten mit Liegenschaften bebauten Grundstücke zwar weiterhin Privatpersonen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn während Firmen und anderen Institutionen wie Versicherungen oder privaten Stiftungen lediglich 42 Prozent der Grundstücke gehören, sind sie flächenmässig die mit Abstand grössten Besitzer:innen. Mit knapp 27’500 Quadratmetern gehört ihnen mehr als die Hälfte der knapp 54’400 Quadratmeter an der Dufourstrasse.

Eine wichtige Rolle an der Dufourstrasse spielt auch die 2021 eröffnete Siedlung Hornbach. Sie ist das grösste kommunale Wohnbauprojekt der letzten Jahre und macht mit über 4000 Quadratmetern Grundstücksfläche einen Grossteil der knapp 7200 Quadratmeter aus, die an der Dufourstrasse in städtischer Hand liegen.

Neben der Siedlung Hornbach gibt es in der eher kleinteilig bebauten Dufourstrasse nur eine vergleichbar grosse Liegenschaft. Auf dem mit über 5500 Quadratmetern grössten bebauten Grundstück der Strasse steht ein Ersatzneubau der Zürich Versicherung, den wir uns bei einem Spaziergang durch das Seefeld vor zwei Jahren bereits angeschaut haben. Die Anzahl der Wohnungen ist hier im Vergleich zum abgerissenen Altbau sogar gesunken.

Die einzige Firma, die an der Dufourstrasse mehrere Liegenschaften besitzt, ist eine alte Bekannte: die Swiss Life. Der Versicherungskonzern, der zu den grössten Immobilienbesitzer:innen der Schweiz gehört und dem wir im Jahr 2021 eine Recherche gewidmet haben, besitzt an der Strasse fünf Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 3102 Quadratmetern. Dabei handelt es sich nicht um besonders grosse Grundstücke, dafür um prestigeträchtige Bauten, die oft gar keine Wohn-, sondern nur Gewerberäume beherbergen. Ein Beispiel ist die Balletschule des Opernhauses im Hof eines Gebäudeensembles im vorderen Teil der Dufourstrasse.

Balletschule Opernhaus Zürich, Dufourstrasse 2024

Die Balletschule des Opernhauses ist im Besitz der Swiss Life. (Foto: Steffen Kolberg)

Dass sich eine grosse Immobilienbesitzerin wie die Swiss Life offenbar auch für kleinteilige Liegenschaften interessiert, die keinen Platz für Grossprojekte lassen, erklärt sich für den Forscher Philippe Koch unter anderem mit dem geringeren Aufwand: «In Blockrandstrukturen einzelne Parzellen aufzukaufen, um etwas Grösseres umzusetzen, ist sehr kompliziert, langwierig und nicht immer erfolgreich. Bei kleineren Gebäuden kann man im Vergleich zum investierten Kapital sehr viel Rendite erwirtschaften, wenn man in dieser Lage mit tiefen Eingriffen sehr teure Wohnungen schafft. Da erwirtschaftet man dann Mietzinsen, die sonst in der Stadt nicht erreicht werden können.

Swiss Life und die Zürich Versicherung besitzen an der Dufourstrasse zusammen also deutlich mehr Fläche als die Stadt. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass sich allein in der Hornbachsiedlung mehr Wohnungen befinden als in allen sechs Liegenschaften der beiden Versicherer zusammen.

Während die beiden Versicherungen zwar zu den grossen Playern an der Dufourstrasse gehören, spielen sie unter den institutionellen Besitzer:innen trotzdem nur eine kleine Rolle. Mehr als die Hälfte der Grundstücke und über ein Drittel der Fläche in der Hand von Institutionellen gehört nämlich Immobiliengesellschaften. Darunter sind auch Firmen mit Sitz in Zug oder eine, die ihren offiziellen Sitz von Zürich nach Panama City verlegt hat.

Unter den fünf Stiftungen, die an der Strasse Immobilien besitzen, sind eine Pensionskasse und ein Fonds eines Immobilienunternehmens. Nur die restlichen drei sind gemeinnützig. Dies heisst zwar, dass die Stiftungen ihr Kapital für wohltätige Zwecke einsetzen. Dass die Mieten in ihren Liegenschaften aber preisgünstig oder sozialverträglich sein müssen, ist damit nicht gesagt, wie wir bei einer Recherche zu Stiftungen als Vermieter:innen festgestellt haben.

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Die Privaten: Eine überalterte Mehrheit

Wie steht es um die Hälfte der Grundstücke an der Dufourstrasse, die Privatpersonen gehört? Von den 54 darauf befindlichen Liegenschaften gehört wiederum genau die Hälfte jeweils einer Privatperson allein. Die andere Hälfte gehört mehreren Privatpersonen, beispielsweise Erbengemeinschaften oder mehreren Stockwerkeigentümer:innen.

Die Daten zeigen: Fast 90 Prozent der Liegenschaften im Besitz von Privatpersonen gehören über 50-Jährigen, ein Drittel der Eigentümer:innen ist sogar über 70 Jahre alt. Und je älter Alleinbesitzende sind, desto eher sind es Frauen. Während die unter 50-Jährigen unter ihnen alle männlich sind, ist das Verhältnis bei den 50- bis 70-Jährigen sieben Frauen zu vier Männern. Bei den Alleinbesitzenden über 70 kommen acht Frauen auf fünf Männer. Die Daten des Grundbuchamts geben auch an, wie die Eigentümer:innen zu ihrem Besitz kamen. Hier zeigt sich: Ältere Männer kamen eher durch Kauf zu ihrer Immobilie, ältere Frauen eher durch Erbgang.

Siedlung Hornbach 2024

Alt und neu direkt gegenüber: Die städtische Siedlung Hornbach hat an der Dufourstrasse einiges verändert. (Foto: Steffen Kolberg)

Die Altersstruktur der Grundeigentümer:innen ist im Hinblick auf die weitere Entwicklung alarmierend. Denn sterben diese und die Liegenschaften gehen in die Hand von Erbengemeinschaften, kommt es häufig zum Verkauf. «Die meisten Familienstreitigkeiten gibt es wegen Geld», so Forscher Philippe Koch: «Da ist die konfliktärmste Strategie, das Haus zu verkaufen und das Geld aufzuteilen.»

Dufourstrasse 2024

Auch am Ende der Dufourstrasse allgegenwärtig: Bauarbeiten. (Foto: Steffen Kolberg)

https://8008.ch/was-wir-tun/wohnen/Bei den hohen Bodenpreisen im Seefeld ist für diesen Fall mit einem sehr hohen Verkaufswert zu rechnen – den die Mieter:innen dann über ihre Mieten refinanzieren müssen. Eine Aufwertungsspirale, die nur die Stadt aufhalten kann, wie Koch betont: «Die Stadt sowie die städtische Stiftung PWG sind in letzter Zeit aktiver auf der Suche nach Liegenschaften und kommunizieren das auch. Ich habe die Hoffnung, dass es dadurch zu etwas weniger Verkäufen an Firmen kommt.» Doch es hänge auch immer stark von den Verkäufer:innen und deren Interesse ab, ihre Liegenschaften an gemeinnützige Träger zu verkaufen: «Der Unterschied zwischen dem Preis, den man bei der Stadt oder bei Genossenschaften verlangen kann und dem, was Immobilienfirmen bereit sind zu zahlen, ist schon beträchtlich.»

Redaktionelle Mitarbeit: AG Wohnen des Quartiervereins Riesbach (Urs Frey, Daniel Sauter, Franz Bartl, Gaby Demme, Franco Huber, Nadia Loosli, Georges Nievergelt)

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