Balz Bürgisser: «Wenn man das Mandat übernimmt, sollte man auch gute Arbeit leisten» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderat der Woche: Balz Bürgisser (Grüne)

Balz Bürgisser ist omnipräsent, wenn im Gemeinderat Geschäfte des Schul- und Sportdepartements debattiert werden. Der pensionierte Mathelehrer arbeitet akribisch und hat einen hohen Anspruch an sich selbst. Das Ratsmandat sei ein Halbtagsjob, sagt er.

Balz Bürgisser, Grüne

(Foto: Ladina Cavelti)

Wann immer Geschäfte des Schul- und Sportdepartements im Gemeinderat behandelt werden, kann man fest davon ausgehen, dass mindestens eines davon die Handschrift von Balz Bürgisser trägt. Auf der Traktandenliste der Ratssitzung in dieser Woche waren es sogar deutlich mehr.

Eine Weisung des Stadtrats, die sich mit dem Wiedereinzug von Unterrichtsräumen in ein ehemaliges Schulhaus an der Röslistrasse befasste und einstimmig angenommen wurde, ging auf eine Motion von Balz Bürgisser und FDP-Mann Sebastian Vogel zurück. Eine andere Weisung betreffend Förderung und Betreuung von Schüler:innen mit Autismus-Spektrum-Störung wurde wiederum durch eine Motion ausgelöst, die der Grüne zusammen mit Yasmine Bourgeois (FDP) eingereicht hatte. Weitere Tagesordnungspunkte, für die die Zeit in dieser Woche nicht mehr reichte, umfassten eine Motion für ein Pilotprojekt zu einer «Schulassistenz+» und ein Postulat, das den Einbau von Küchen mit einem hohen Produktionsanteil als neuen Standard bei Schulanlagen fordert. Beide hat der Grüne mitverfasst.

In sieben Ratsjahren hat Balz Bürgisser eine dreistellige Zahl an Vorstössen eingereicht, allein im letzten Jahr waren es 25. Es überrascht daher nicht, wenn der 70-Jährige bei seinem Gemeinderatsmandat von einem Halbtagsjob spricht. «Wenn man das Mandat übernimmt, sollte man auch gute Arbeit leisten», lautet sein Credo: «Man muss recherchieren, Weisungen und Berichte lesen, sich engagieren, um die Lebensqualität in unserer Stadt zu verbessern.»

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Dieser hohe Anspruch an sich selbst und die Akribie, mit der der pensionierte Mathelehrer seine Arbeit verrichtet, sind der Grund für seinen späten Einstieg ins Parlament. Als er Anfang 2017 nachrückte, stand er ein Jahr vor der Pensionierung und hatte die Schulleitung des Gymnasiums Rämibühl, die er 16 Jahre innehatte, wenige Jahre zuvor abgegeben. Er habe sich immer parlamentarisch engagieren wollen, doch erst dann die Zeit dafür gefunden, so Bürgisser: «Als Schulleiter habe ich 120 Prozent gearbeitet, war ausserdem Präsident des Quartiervereins Witikon und viele Jahre auch Mitglied der Kreisschulbehörde Zürichberg. Zudem habe ich vier Kinder und brauchte auch Zeit für meine Familie.»

Doch auch nach der Pensionierung tritt der Urgrüne, Mitglied seiner Partei bereits seit 1990, nicht auf die Bremse: Neben dem Gemeinderatsmandat arbeitet er weiter als Mathecoach und ist immer noch Präsident des Quartiervereins Witikon. Viermal in der Woche joggt er durchs Quartier und im Witiker Wald. «Bewegung in der Natur, das ist für mich Lebensqualität», sagt er.

Balz Bürgisser, Filippo Leutenegger, Witikon Petition

Bereits vor der Sitzung übergab Bürgisser (vorne links) in dieser Woche eine Petition für einen Mountainbike-Pumptrack in Witikon an Stadtrat Filippo Leutenegger (vorne rechts).

Wenn er sich im Parlament nicht für mehr Chancengerechtigkeit in der Schule einsetzt und dafür auch die Auseinandersetzung mit Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) nicht scheut, dann trägt Bürgisser oft Anliegen aus seinem Wohnquartier hoch oben über dem Zürichberg in den Rat. Ihm machen vor allem die dortigen Ersatzneubauten verbunden mit Leerkündigungen Sorgen. Solche treten jetzt und in den nächsten Jahren gehäuft auf. Die dort verwurzelte Bewohner:innenschaft werde vertrieben, die neuen Mieten könnten sich viele nicht mehr leisten: «Nur acht Prozent der Wohnungen in Witikon gehören gemeinnützigen Wohnbauträgern. Dieser Anteil sollte dringend erhöht werden.»

Für Aufruhr sorgte Bürgisser, als er sich 2022 für ein klimaverträglicheres Züri Fäscht aussprach. Unter anderem sollte künftig auf Flugshows verzichtet werden, mit einem entsprechenden Änderungsantrag setzte er sich im Rat knapp durch. Die höheren Auflagen im Klima- und Umweltbereich waren einer der Hauptgründe des Organisationskomitees, die Grossveranstaltung nach 2023 nicht mehr weiterzuführen. Der Grüne zeigt sich davon unbeeindruckt: «Ich habe eine konsequente Haltung in der Klimapolitik. Wir wollen unsere Klimaziele erreichen, und dazu müssen auch die Volksfeste einen Beitrag leisten. Das letzte Züri Fäscht war doch ein schönes Fest, auch ohne Flugshows.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich möchte meine Kompetenz und mein Know-how im Bereich Bildung sowie in den Bereichen Nachhaltigkeit und Ökologie der Gesellschaft nutzbringend zur Verfügung stellen. Dabei sind meine konkreten Ziele: mehr Chancengerechtigkeit an den Volksschulen und mehr ökologisch wertvoller Grünraum in der Stadt Zürich. Und ich möchte mich für mein Wohnquartier Witikon einsetzen, das manchmal von der Stadt vergessen wird.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Mit Stefan Urech (SVP). Er besuchte meinen Mathematik-Unterricht am Realgymnasium Rämibühl. Daher habe ich zu ihm eine besondere Beziehung. Der Gedankenaustausch mit ihm ist stets bereichernd, wobei wir häufig verschiedener Meinung sind.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Mein grösster Frust liegt schon einige Jahre zurück: Mein Postulat für eine beschleunigte Realisierung der Wache Ost von Schutz und Rettung Zürich lehnte der Gemeinderat ab. Dabei ist diese Wache für die Quartiere im Osten der Stadt sehr wichtig, damit Feuerwehr und Ambulanz einen kurzen Anfahrtsweg haben. Das ist bis heute nicht der Fall.

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