Zwischen Tierliebe und Trauerspiel: Wenn Hunde und Katzen in die Schweiz importiert werden
Viele Haustiere in der Schweiz stammen ursprünglich aus dem Ausland. Tierschutzorganisationen buhlen um die Aufmerksamkeit von potenziellen Adoptiveltern. Dabei nimmt nicht jede Vermittlung ein Happy-End.
Müde blickt die Hündin einem Raben nach, der einen angefaulten Apfel aufpickt und damit davonfliegt. Abfall und Exkremente umgeben sie, neben ihr liegen vier Welpen, zusammengerollt zu einem Knäuel. Ein magerer Kater gesellt sich dazu, streicht um den Nachwuchs herum. Sein Fell ist mehr Filz als Haar, das Miauen wird von niemandem wahrgenommen. Was sich liest, wie in einem Walt Disney Trickfilm zur Weihnachtszeit, ist leider in vielen Ländern Süd- und Osteuropas die traurige Wahrheit. Ganz egal, ob in Rumänien, Griechenland oder Kroatien, auf den Strassen der Randbezirke tummeln sich besitzerlose Hunde und Katzen. Einige Städte haben den Kampf aufgegeben und hoffen auf Hilfe aus dem Ausland, andere handeln repressiv, installierten Tötungsstationen – wie es beispielsweise in Rumänien der Fall ist.
Retten statt töten
Vor einem solchen Schicksal wollen Tierschutzorganisationen die Tiere bewahren und bringen sie in Tierheime vor Ort. Dort werden sie aufgepäppelt, kontrolliert und wenn nötig medizinisch versorgt. Danach geht die Reise oft weiter; in die Schweiz, nach Deutschland oder Österreich. Laut Report des Schweizer Tierschutzes aus dem vergangenen Jahr werden wöchentlich bis zu 500 Hunde in die Schweiz importiert – wobei natürlich nicht jeder auf der Strasse aufwuchs. Zig Organisationen, die Hunde und Katzen aus prekären Verhältnissen in unsere Breitengrade vermitteln, werben sehr erfolgreich für die hilflosen Geschöpfe. Eigentlich nichts Verwerfliches: Tieren in Not ein neues Zuhause bieten.
Doch nicht immer läuft die Vermittlung ganz reibungslos. Wanja* entschied sich für ein Büsi aus Griechenland. Gerettet und in die Schweiz geflogen von einer Tierschutzorganisation mit Sitz in der Schweiz. Die Website wirkt professionell, Hunde- und Katzenbesitzer*innen erzählen von ihren positiven Erfahrungen, ein Ratgeber verrät wichtige Infos zum Import von ausländischen Tieren. «Die Aufmachung der Organisation und meine Kontaktperson in Griechenland wirkten seriös. Erst bei der Abholung am Flughafen wurde ich stutzig», sagt Wanja.
Ziemlich (il)legal
Die Übergabe der Tiere fand im Parkhaus des Zürcher Flughafens statt. «Die Katze war in einem schlechten Gesundheitszustand: Sie hatte Augenausfluss und eine verklebte Nase», erinnert sich Wanja. «Ausserdem stellte sich später heraus, dass der Impfpass gefälscht war», sagt er. Die obligatorische Tollwutimpfung sei zwar im Pass eingetragen gewesen, allerdings war die Katze nie geimpft worden, verriet ihr die Kontaktperson der Tierschutzorganisation. Solche Fälle seien bei der Einfuhr von ausländischen Tieren nicht untypisch, sagt Martin Keiser, Leiter der Tierklinik in Luzern.
<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Tollwut </div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Tollwut ist eine Viruserkrankung, die eine schwere Gehirnentzündung auslöst und praktisch immer tödlich verläuft. Die Viren können durch Biss- oder Kratzverletzungen oder Speichel übertragen werden. Tollwut ist eine Zoonose, das bedeutet, dass sie vom Tier auf den Mensch und umgekehrt übertragen werden kann. Die Schweiz gilt seit 1999 als Tollwut-frei. Allerdings bezieht sich diese Inexistenz lediglich auf die terrestrische Tollwut, da es immer wieder Fälle mit infizierten Fledermäusen gibt. </div>
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«Mit den Tieren werden unter Umständen auch Krankheiten importiert, die auf Schweizer Boden momentan nicht mehr existent sind», so Keiser. Darunter fällt auch Tollwut: eine Zoonose, die nur vor Ausbruch der ersten Symptome behandelt werden kann und in fast jedem Fall zum Tod führt. Das BAG verlangt deshalb, dass Tiere mindestens 21 Tage vor dem Import in die Schweiz mit dem Tollwut-Impfstoff behandelt werden. Ist ein Tier zu krank oder zu jung, um geimpft zu werden, ist ein Tierärzt*innen-Besuch im Exportland zwingend. Der*Die Tierärzt*in hat zu bestätigen, dass das vorgestellte Tier zum einen Tollwut-frei ist und zum anderen bis zu diesem Zeitpunkt keinen Kontakt mit freilebenden Tieren gehabt hat.
Teuer bezahlt
Wanja’s Griechenland-Büsi war zwar Tollwut-frei, jedoch fehlte ein tierärztliches Attest, das dies belegte. Dem nicht genug: Der Schnupfen der Kätzin wurde in den Tagen nach der Übergabe schlimmer. «Sie frass nicht mehr und war apathisch», sagt Wanja. Also sei er mit ihr in die Tierarztpraxis gefahren. «Meine Tierärztin meinte, sie hätte noch nie eine solch kranke Lunge abgehört», erinnert er sich, und weiter: «Da der Schnupfen bereits chronisch war, würde es eine Therapiedauer von mehreren Monaten benötigen, bis mein Büsi wieder einigermassen stabil sei, klärte man mich auf.»
Das war um einiges gravierender als die «Immunschwäche», die Wanja’s Vermittlungsperson in Griechenland beiläufig erwähnt hatte. Gravierend waren auch die Tierarztkosten, die sich innerhalb einer Woche angesammelt hatten: «Insgesamt bezahlte ich 500 Franken für Bluttests, Impfungen, Parasiten-Behandlungen und Medikamente gegen den Schnupfen», so Wanja. Zusätzlich sei es auch einen psychischen Stress gewesen: «Die ständigen Tierarztbesuche, die Sorge um das Tier und die Erklärungsversuche beim Arbeitgeber aufgrund kurzfristigen Absenzen - all das war sehr anstrengend.»
Massgebende Entscheidungen
Schlussendlich seien es zwei Gründe gewesen, weshalb Wanja die Katze der Tierschutzorganisation zurückgegeben hat: «Erstens trieben mich die Behandlungskosten langsam, aber sicher in den finanziellen Ruin und zweitens hatte ich schon von Anfang an geplant, eine zweite Katze als Spielkamerad*in in die Wohnung zu holen.» Bei den ansteckenden Viruserkrankungen, die beim Griechenland-Büsi diagnostiziert worden sind, unmöglich. «Es war keine leichte Entscheidung, an der ich noch immer zu nagen habe», sagt er.
Das Wichtigste ist, dass man sich vor einem Import frühzeitig informiert und nicht aus Mitleid eine Kurzschlusshandlung macht.
Martin Keiser, Tierarzt
So tragisch Wanja’s Geschichte mit seiner Katze aus Griechenland endet, endet glücklicherweise nicht jede, die mit einem Tierimport beginnt. Andrea Pramor lernte die Strassenhündin Fidel während ihrem Aufenthalt in Athen kennen und lieben, und brachte sie im Alleingang in die Schweiz. «Unser Weg war leicht und eher untypisch, weil Fidel zum Zeitpunkt der Adoption in Griechenland bereits in einer Tierarztpraxis untergebracht war», sagt sie. Die Tierärztin habe sie gut über die Anforderungen informiert. Vom Mikrochip-Implantat über die Tollwut-Impfung bis hin zum Europäischen Heimtierpass: Die Hündin wurde rechtzeitig und sorgfältig für ihre Reise in die Schweiz vorbereitet.
Kopf über Herz
Wenn es nach dem Tierarzt Martin Keiser geht, hat Pramor also alles richtig gemacht: «Das Wichtigste ist, dass man sich vor einem Import frühzeitig informiert und nicht aus Mitleid eine Kurzschlusshandlung macht.» Denn mal ganz abgesehen von den Anforderungen für eine Einfuhr in die Schweiz, die Katze oder der Hund bleiben ja nicht nur für einige Wochen zu Besuch, sondern begleiten einen idealerweise über Jahre hinweg. Auch die Besitzerin von Fidel warnt vor überstürzten Entscheidungen: «Der schwierige Part ist nicht die Adoption eines Hundes, sondern dessen Erziehung.» Ausserdem solle nie die Optik des Tieres im Vordergrund stehen. «Viel wichtiger ist, dass das Energielevel des Tieres zum eigenen Lebensstil passt.», findet Pramor.
Seriöse Tierschutzorganisationen würden deshalb zuerst prüfen, ob das Tier für die neuen Besitzer*innen geeignet ist. Doch so ging auch die Adoptionsstelle in Wanja’s Fall vor. Deshalb rät er zur Vorsicht: «Lasst euch die Gesundheit der Tiere zusichern, fordert aktuelle Fotos und Videos an, und sagt, dass ihr nur den legalen Weg in Betracht zieht.» Blauäugigkeit könne einem, wie auch dem Tier, teuer zu stehen kommen, sagt er. Nicht selten landen die importierten Büsis und Bellos aufgrund Überforderung der neuen Besitzer*innen wieder in Tierheimen.
*Name der Redaktion bekannt.
Du willst ein Tier aus dem Ausland in die Schweiz bringen? Informationen zu den Importbedingungen findest du auf der Website des Bundesamts für Veterinärwesen, bei dessen Onlinehilfe oder bei einer Tierarztpraxis in deiner Nähe.
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Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin bei der Tierklinik Obergrund Luzern. Danach zweiter Bildungsweg via Kommunikationsstudium an der ZHAW. Praktikum bei Tsüri.ch 2019, dabei das Herz an den Lokaljournalismus verloren und in Zürich geblieben. Seit Anfang 2025 in der Rolle als Redaktionsleiterin. Zudem Teilzeit im Sozialmarketing bei Interprise angestellt.