Abstimmung über Gemeinderats-Löhne: Gebt dem Parlament mehr Geld!
Das Zürcher Stadtparlament will sich den Lohn erhöhen – und lässt am 9. Februar das Stimmvolk darüber entscheiden. Die Angst, dass der Gemeinderat damit von Berufspolitiker:innen geflutet wird, ist unbegründet. Ein Kommentar.
Es ist schon etwas seltsam, wenn sich Politiker:innen selber mehr Lohn auszahlen wollen – finanziert mit Steuergeldern. Deshalb ist es richtig, dass die Stimmbevölkerung am 9. Februar darüber abstimmen kann. Was dabei nicht vergessen werden darf: Politik zu machen, muss man sich leisten können.
Konkret geht es bei der Vorlage darum, dass die Zürcher Gemeinderät:innen, also die Mitglieder des Stadtparlaments, die heutige Entschädigung von jährlich rund 16’000 auf 28’000 Franken fast verdoppeln möchten.
Die SVP und FDP sind dagegen, alle anderen Parteien sind dafür.
Die Arbeit im Zürcher Gemeinderat ist ziemlich aufwändig. Das Parlament tagt jede Woche, ausser in den Schulferien. Zudem gibt es Fraktions- und Kommissionssitzungen und viele Akten zu lesen. Insgesamt entspricht das Amt einem 30-Prozent-Pensum.
Die Gegner:innen der Lohnerhöhung befürchten eine Professionalisierung des Stadtparlaments. Die Angst vor Berufspolitiker:innen ist in der Schweiz immer wieder ein Thema, die Milizparlamente werden romantisiert. Es dürfe nicht sein, dass man nur des Geldes wegen in die Politik will, so das Argument der Kritiker:innen.
Fakt ist aber auch, dass man sich politische Arbeit leisten können muss, wenn diese nicht angemessen finanziell entschädigt wird. Ein Parlament sollte die Bevölkerung abbilden, dazu gehören auch Personen ohne dickes Portemonnaie.
Nimmt man den Zürcher Medianlohn von 8000 Franken pro Monat und rechnet man diesen auf 30 Prozent herunter, landet man bei knapp 29’000 Franken pro Jahr, also ziemlich genau bei der vorgeschlagenen Erhöhung.
Die Forderung ist also durchaus gerechtfertigt – und auch an der Zeit. Die aktuelle Entschädigungsverordnung stammt noch aus dem Jahr 1998. Damals war das städtische Budget nicht einmal halb so gross im Vergleich zu den heutigen rund 11 Milliarden Franken. Daher war der Arbeitsaufwand im Parlament deutlich kleiner.
Ein Lohn eines 30-Prozent-Pensums reicht in einer Stadt wie Zürich nicht zum Leben. Selbst dann nicht, wenn er angemessen ist. Die Gefahr, dass Zürcher Stadtparlament bald von Berufspolitiker:innen geflutet wird, ist also eher Angstmacherei, statt ein realistisches Szenario.
Viel eher würde eine Erhöhung zur Chancengleichheit beitragen. Es würdigt die Arbeit all jener, die sich wöchentlich für die aktive Gestaltung unserer Stadt einsetzen. Denn rein für den Glamour geht niemand in den Gemeinderat.
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei! Natürlich jederzeit kündbar.
An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.