Erste Velovorzugsroute in Zürich: Viele Autos, viel Kritik

Mit einigen Monaten Verspätung wird diese Woche die erste Velovorzugsroute fertiggestellt. Zwischen Altstetten und Kreis 4 haben nun die Zweiräder Vorrang. Die Reaktionen aus dem Initiativkomitee, von Pro Velo und einem Experten fallen ernüchternd aus.

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So sollte es sein: Viel Platz für Velofahrende auf der Vorzugsroute (Bild: zvg/Yvonne Ehrensberger von pro Velo Kanton Zürich)

Rund 2,9 Kilometer ist sie lang, die Velovorzugsroute, die Altstetten und den Kreis 4 verbindet. Die Strecke ist das erste fertige Prestigeprojekt der Stadt Zürich, welche nach der angenommenen Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich» ein Netz von mindestens 50 Kilometern bauen muss. Die offizielle Einweihung durch die Stadträtinnen Simone Brander und Karin Rykart findet am Donnerstag statt. 

Auf der Baslerstrasse über die Bullingerstrasse bis zur Höhe Seebahnstrasse profitiere das Velo von Vortrittsberechtigung, breiten Velostreifen, einer klaren Markierung und Tempo 30. Einbahnen und aufgehobene Abbiegemöglichkeiten sollen den Autoverkehr reduzieren und so für mehr Sicherheit der Velofahrenden sorgen, heisst es auf der Webseite der Stadt Zürich. 

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Geradeaus geht es von Altstetten bis in den Kreis 4. (Bild: Screenshot/Openstreetmap)

Sind damit die Kernanliegen der Volksinitiative erfüllt, wonach die Vorzugsrouten grundsätzlich vom Autoverkehr befreit sein müssen? Nein, sagt SP-Politiker Florian Utz, der als Architekt der Initiative gilt: «Die Umsetzung genügt den Vorgaben des Volksentscheids nicht.» Gemäss der Initiative kann der Stadtrat Ausnahmen für den Zubringerverkehr bewilligen. Im Minimum müsse die Route also vom Auto-Durchgangsverkehr befreit werden, so Utz. 

Mittels kurzen Einbahnabschnitten, welche immer wieder die Richtung ändern, versucht die Stadt die Autos auf die Hauptachsen Badener- und Hohlstrasse zu lenken. Diese gegenläufigen Einbahnabschnitte seien grundsätzlich ein geeignetes Mittel, doch: «Leider wendet der Stadtrat dieses Mittel nur punktuell auf dem westlichen Abschnitt an.»

Auch Verkehrsforscher Thomas Hug erachtet die Vorgabe, dass die Vorzugsroute vom Autoverkehr befreit sein müsse, als nicht erfüllt. Es werde «nur wenig gegen den kleinräumigen Durchgangsverkehr unternommen», mehr und kürzere Einbahnabschnitte wären nötig gewesen. Die entscheidende Frage sei: «Würde ich da mit Kindern oder Grosseltern durchfahren – oder diese sogar alleine durchfahren lassen?» Auf einzelnen Abschnitten sei dies möglich, so Hug, doch mit der aktuellen Lösung könne es noch immer zu Konflikten mit Autofahrer:innen kommen. 

So bemängelt auch Yvonne Ehrensberger, Geschäftsleiterin von Pro Velo Kanton Zürich, die zu vielen Autos auf der Strasse. Ein grosses Defizit sei nach wie vor, dass die Baslerstrasse in Altstetten nicht vom Durchgangsverkehr befreit ist.

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Lob für Vortritt und Tempo 30

Trotz aller Kritik und auch wenn die Route keine neuen Standards setze, sei sie wohl das Beste, was mit schnellen Massnahmen für Zürcher Verhältnisse zu erreichen war, meint Thomas Hug. Und auch Florian Utz urteilt: «Die neue Velokomfortroute bedeutet gegenüber dem heutigen Zustand einen grossen und sehr begrüssenwerten Fortschritt.» Gleichzeitig sei es bedauerlich, dass mit der jetzigen Veloroute die Versprechen der Initiative nicht erfüllt wurden.

Lobende Worte gibt es von Yvonne Ehrensberger für das neue Vortrittsregime: «Der durchgängige Vortritt entlang der Basler- und Bullingerstrasse ist ein Gewinn für den Veloverkehr.» Somit könne man nun fast unterbruchsfrei von Altstetten bis zum Bullingerplatz fahren. Dieser, so zeigt sich zu Pendlerzeiten, wird neu von deutlich weniger Autos befahren. Als durchwegs positiv beurteilen Utz, Ehrensberger und Hug die durchgehende Tempo-30-Regelung. 

Die Velovorzugsroute ist die erste ihrer Art, entsprechend hoch sind die Erwartungen von den Initiant:innen und der Velo-Community. In den kommenden Monaten und Jahren werden weitere Strecken hinzukommen, gegen einige Projekte sind noch Einsprachen und Rekurse hängig. In der Presse-Einladung für die Einweihung heisst es: «Die erste Velovorzugsroute ist fertig.»

Um den Bedürfnissen der Velofahrenden und den Initiant:innen der Volksinitiative gerecht zu werden, muss die Stadt Zürich nachbessern: Weniger Durchgangsverkehr, bessere Signalisation und ein konsequentes Durchsetzen der Einbahn-Abschnitten. Denn wie sich zeigt, halten sich zahlreiche Autofahrer:innen noch nicht an die neuen Regeln. 

Von Pro Velo Kanton Zürich heisst es darum: «Aus unserer Sicht kann man noch nicht von einer vollständig umgesetzten Velovorzugsroute sprechen.» 

Ende Woche werden wir vom Medienanlass der Stadt Zürich berichten. 

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