Gemeinderats-Briefing #30: Das Gender-Drama und der Fussballzauber
Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Mehr Fussballplätze für Zürich, Gender-Diskussionen um die Schule

Illustration: Zana Selimi (Foto: Zana Selimi)
Eines habe ich wahrlich nicht: Eine Affinität zum Fussball. Einzig die Clublokale neben dem Platz interessieren mich hin und wieder. Sie sind ein guter Ort, um der Zürcher Hipster-Bubble zu entfliehen, das Quartiersleben aus der Nähe zu betrachten und dabei ein preisgünstiges Bier zu trinken.
Ein grosser Teil der Zürcher:innen fühlt sich dem Rasenballsport deutlich stärker verbunden als ich. Zumindest deutete die gestrige Ratsdebatte darauf hin. Die Wartelisten bei den Vereinen seien lang, hiess es. Das liege teilweise an zu wenig Trainer:innen, vor allem aber an zu wenigen Fussballplätzen.
So tönte es jedenfalls in den beiden Motionen, die zum Thema diskutiert wurden. In einer forderten Anjushka Früh (SP) und Martin Götzl (SVP) vom Stadtrat eine kreditschaffende Weisung, um auf dem Areal Allmend Brunau fünf zusätzliche Rasensportanlagen zu erstellen. Der kommunale Richtplan sehe auf dem Areal bereits eine künftige Sportnutzung vor, so die Motionär:innen.
Simon Kälin (Grüne) erklärte, seine Fraktion sage ganz klar Nein zum Vorhaben, und verwies auf den wertvollen Grün- und Erholungsraum, den die Allmend Brunau darstelle und der durch Sportanlagen versiegelt würde. Er pries gegenüber dem Fussball den Laufsport an, der deutlich weniger flächenintensiv sei. Der zuständige Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) erklärte sich zwar mit dem Anliegen der Motionär:innen einverstanden, wendete aber ein, dass die Frist von zwei Jahren, die eine Motion für die Umsetzung mit sich bringt, niemals ausreichen werde. Unter anderem müssten Umzonierungen geschehen und Fruchtfolgeflächen «hergezaubert» werden. Der Mehrheit des Gemeinderats waren diese Einwände nicht schwerwiegend genug: Sie überwies die Motion ohne die Stimmen der Grünen.
Die zweite Motion zum Thema wurde grundsätzlicher: In ihr forderten Flurin Capaul und Sebastian Vogel (beide FDP) vom Stadtrat eine kreditschaffende Weisung, «um zügig mehr Fussballplätze in den Quartieren zu schaffen». Auch hier befand Stadtrat Leutenegger, es wäre ihm eine grosse Freude, wenn die Stadt das umsetzen könne, «aber da braucht es noch mehr Zauberei». Die Schaffung von Fussballplätzen erfordere jedes Mal Umzonungen, die das Parlament wiederum dann auch absegnen müsse.
Balz Bürgisser bekräftigte ein erneutes Nein seiner Grünen und fand, die Flächen würden bereits für Schulhäuser oder Quartierparkanlagen gebraucht. Stattdessen solle eine bessere Auslastung der bestehenden Anlagen Abhilfe schaffen. Tanja Maag (AL) erklärte die ablehnende Haltung ihrer Fraktion: Man wolle den grossen Flächenanspruch des Fussballs auf Kosten anderer Interessen und Aktivitäten nicht zementieren. Es könne bei der Frage vorhandener Flächen zudem interessant sein, auf privates Land zurückzugreifen. Ihr Fraktionskollege Walter Angst wurde in der Sache noch deutlicher: «Ohne den Beitrag von Privaten können wir nur anfangen die Wälder abzuholzen.» Gegen die Stimmen von AL und Grünen reichte dem Gemeinderat allerdings eine komfortable Mehrheit, um die Motion zu überweisen.
Gender-Gaga an Zürcher Schulen?
Leider endete die Gemeinderatssitzung nicht beim Thema Fussball. Die SVP hatte noch ein paar Vorstösse zum Thema Gender in petto, die zum Unmut einer grossen Mehrheit im Saal diskutiert werden mussten. Samuel Balsiger und Martin Götzl (beide SVP) hatten einen Medienbericht über eine vermeintliche Mottowoche «Geschlechtertausch» an einer Zürcher Primarschule zum Anlass genommen, den Stadtrat mittels Interpellation mit dem Vorwurf der Indoktrination zu konfrontieren und mit einem Postulat die Verhinderung solcher Mottowochen zu fordern.
Stadtrat Leutenegger sprach von einer Überdramatisierung und stellte klar, dass es sich bei der Veranstaltung nicht, wie ursprünglich berichtet, um eine Mottowoche zum Thema «Geschlechtertausch» gehandelt habe, sondern dass dieser Tausch nur an einem Tag einer Mottowoche stattgefunden habe, und zwar auf Wunsch der Kinder selbst. Im Übrigen unterliege der Inhalt von Mottowochen nicht der Kompetenz der Stadt, sondern der Methodenfreiheit der Schule.
Während Moritz Bögli (AL) der SVP vorwarf, vorhandene Ängste vor gesellschaftlichem Wandel zu instrumentalisieren und die kleinsten gesellschaftlichen Fortschritte als Gefahr für unsere Gesellschaft zu präsentieren, erklärte Serap Kahriman (GLP), sie sehe überhaupt keinen Grund, das Verkleiden von Kindern zu verteufeln. Auch bürgerliche Politiker:innen wie Yasmine Bourgeois (FDP) oder David Ondraschek (Die Mitte) erwähnten zwar, dass das Infragestellen des eigenen Geschlechtsverständnisses in einem gewissen Alter zu weit gehen könne, der vorliegende Fall allerdings völlig unproblematisch sei. «Es empfiehlt sich, so etwas nicht aus dem Blickwinkel unseres erwachsenen Verständnisses von Sexualität und Geschlechterrollen zu betrachten», so Ondraschek. 106 Parlamentarier:innen setzten sich schliesslich gegen eine Minderheit von zehn SVPlern durch.
Noch mehr Gender-Gaga an Zürcher Schulen?
Es folgte noch eine Interpellation und ein Postulat von Balsiger und Götzl, dieses Mal zum Thema geschlechtsneutrale Toiletten an der Volksschule. Das Szenario ähnelte sich: Balsiger zitierte einen Zeitungsbeitrag mit den Worten, an Zürcher Schulen seien nun drei verschiedene Toiletten- und Garderobenräume vorgesehen, Filippo Leutenegger antwortete, es handle sich hierbei lediglich um Vorgaben für Schulhausneubauten, ein Umbau älterer Gebäude sei nicht vorgesehen.
Balsiger zweifelte an, dass es trans oder non-binäre Kinder und Jugendliche überhaupt gebe, fragte aber dennoch, ob durch die Benutzung geschlechtsneutraler WCs nicht ein Outing gegen deren Willen geschehe. Der Stadtrat erklärte in seiner Antwort, das werde gerade dadurch verhindert, dass eine vergeichsweise hohe Zahl dieser Toiletten dafür sorgen solle, dass sie von allen genutzt würden, denen die Geschlechtsidentität der anderen Nutzer:innen egal sei.
«Ich sehe hier vor allem Pragmatismus und keine Apokalypse.»
Stadtrat Filippo Leutenegger zum Thema genderneutrale WCs in Schulneubauten
Die Diskussion folgte einem ähnlichen Verlauf wie beim vorhergehenden Thema: Die restlichen Fraktionen stellten sich grösstenteils deutlich gegen die SVP. Islam Alijaj (SP) sagte, er fände es bedenklich, dass die SVP immer noch versuche, Vielfalt zu leugnen: «Die Energie könnte man auch in anderes investieren, in Inkusion zum Beispiel.» Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) erklärte, genderneutrale WCs seien wichtig, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die sowieso schon diskriminiert würden. Yasmine Bourgeois (FDP) forderte, dass in Primarschulen WCs generell nicht geschlechtergetrennt sein sollten. In bestehenden Schulgebäuden sei der Einbau genderneutraler WCs zwar abzulehnen, das SVP-Postulat in seiner jetzigen Form aber genauso.
Nur Die Mitte schwenkte bei dem Thema auf die Seite der SVP. David Ondraschek fand, eine dritte Toilette stelle als eine Art «Privattoilette» für Wenige eine Diskriminierung gegenüber den Jungen und Mädchen dar. Zusätzlicher Raum solle in Schulen in erster Linie für pädagogische oder sonderpädogische Zwecke genutzt werden. Mit 19 zu 96 Stimmen wurde das Anliegen, auf genderneutrale Toiletten zu verzichten, klar abgelehnt.
Weitere Themen der Woche:
- Marcel Tobler (SP) und Mélissa Dufournet (FDP) forderten gemeinsam mit Mitunterzeichnenden von Grünen und GLP in einem dringlichen Postulat, dass der Stadtrat Bericht erstattet über die Wirkung der zusätzlich eingesetzten Mittel für subventionierte Kita-Plätze. In der Budgetdebatte habe man beschlossen, dass Kitas künftig pro subventioniertem Platz 10.20 Franken pro Tag mehr bekommen, so Tobler. Man wolle in zwei Jahren sehen, ob diese Massnahme tatsächlich eine Qualitätssteigerung mit sich bringt. Susanne Brunner argumentierte, Kitas sollten als private Unternehmen nicht vom Staat mitfinanziert werden und die Löhne der Angestellten weiter private Verhandlungssache der Vertragspartner sein. Ausser ihrer SVP stimmten alle Fraktionen dafür, das Postulat an den Stadtrat zu überweisen.
- In einer Weisung beantragte der Stadtrat, die Beiträge für die Sponsoring-Aktivitäten des EWZ in den Jahren 2024 bis 2026 in ähnlichem Umfang weiterlaufen zu lassen wie bisher. Mit jährlich knapp 1,8 Millionen Franken sollen die bisherigen Partner:innen wie die ZSC Lions, der Zoo Zürich oder das Limmatschwimmen weiter gesponsert werden. Die AL sowie ein Grossteil der Grünen verweigerten ihre Zustimmung. Dominik Waser (Grüne) erklärte die ablehnende Haltung damit, dass das Sponsoring-Konzept aus der Zeit gefallen sei. Die mit dem Geld unterstützten Institutionen seien oft nicht sehr ökologisch. Es sei zudem nicht ersichtlich, warum ausgerechnet die ZSC Lions, bei denen mit Peter Spuhler ein Milliardär mit an Bord sei, die meisten Sponsorengelder bekommen solle.
- Der Stadtrat beantragte ausserdem per Weisung die Unterstützung der Stiftung Zürcher Institut für interreligiösen Dialog ZIID in den Jahren 2023 bis 2026 mit jährlich 140'000 Franken. Die Stiftung vermittle Grundlagenwissen zu den abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam und fördere den Dialog und das gegenseitige Verständnis, heisst es in der Begründung. Sie werde seit 2009 mit jährlichen Betriebsbeiträgen unterstützt und habe sich in den letzten Jahren in einem Umstrukturierungsprozess befunden, um ihr hohes Defizit abzubauen. Stefan Urech (SVP) fand, die Stiftung biete ein hochinteressantes Angebot, das aber nur eine hochgebildete Schicht der Bevökerung anspreche und dessen Unterstützung in der aktuellen finanziellen Lage nicht sinnvoll sei. Maleica Landolt (GLP) erklärte, eigentlich sei das Zürcher Forum der Religionen, das auch noch Buddhismus und Hinduismus umfasse, die Fachstelle für interreligiösen Dialog. Ausser SVP und GLP hiessen alle Fraktionen den Antrag gut.
- Die Fraktionen SP, Grüne und AL reichten gestern eine Dringliche Schriftliche Anfrage an den Stadtrat ein. Darin legen sie dar, dass durch die Einführung der definitiven Tagesschule eine «Auffangzeit» zwischen 8 Uhr und 8:20 Uhr eingeführt werden soll. Diese unterscheide sich nun aber von der Aufsichtspflicht auf Kindergartenstufe, die erst um 8:15 beginne. Die Fraktionen wollen vom Stadtrat wissen, ob der Unterschied um eine Viertelstunde gewollt war und welches zusätzliche Budget nötig wäre, um auch auf Kindergartenstufe eine Auffangzeit anzubieten.