20 Jahre «Pink Apple»: «Ihr wandert direkt in die Hölle»
Heute startet in Zürich die 20. Ausgabe des schwullesbischen Filmfestivals «Pink Apple». Tsüri traf Susanne Dschulnigg, die das Festival 1997 in Frauenfeld mitbegründete. Damals demonstrierten fundamentalistische Christen vor dem Kino und prophezeiten den Besucher*innen: «Ihr wandert direkt in die Hölle.»
Café Hirt in Frauenfeld: vorne die Theke mit Cremeschnitten und Lachscanapés, im hinteren Bereich der Tea Room mit rosa Polstersessel und schweren Vorhängen. Hier treffe ich Susanne Dschulnigg auf einen Kafi Crème. Sie war dabei vor 20 Jahren – als vor dem Cinema Luna gleich hinter dem Bahnhof Frauenfeld – Fundamentalist*innen mit Schildern Spalier standen. Bibelzitate wie «Wenn ein Mann bei einer männlichen Person schläft, als wäre es ein Weib, die haben beide ein Greuel getan und sie sollen unbedingt sterben [...]» «empfingen» die Besucher*innen des ersten «Pink Apple». «Diese Fundamentalisten meinten, wir würden direkt in die Hölle wandern», sagt Susanne Dschulnigg. Die erste Ausgabe des «Pink Apple» 1998 zog sich über drei Wochen hin, 500 Leute besuchten die zehn Filme. Susanne Dschulnigg geht nur etwa zweimal im Jahr ins Kino: «Film ist nicht meine Leidenschaft», sagt sie. Dennoch wurde sie von Thomas Müller, Daniel Bruttin und Roland Loosli angefragt, ob sie ein schwullesbisches Filmfestival mitgründen wolle. Das zweite seiner Art in der Schweiz – das «Queersicht»-Festival in Bern wurde noch ein Jahr davor eröffnet.
«Was würde Jesus dazu sagen?» – demonstrierende Fundamentalisten vor dem Kino
«Homosexuell im Thurgau – bleiben oder auswandern?» 1997 war der Thurgau Brachland, was Treffpunkte für Homosexuelle anging. Um sich mit Frauen zu treffen, fuhr Susanne Dschulnigg nach St.Gallen oder Konstanz. Das Filmfestival sollte auch Treffpunkt für die Community sein und Homosexualität sichtbar machen: «Wir wollten zeigen, dass es uns gibt und dass unsere sexuelle Ausrichtung normal ist.» Die erste weibliche Regierungsrätin des Kantons Thurgau eröffnete das Festival. Auf dem Programm standen zudem die Diskussion «Homosexuell im Thurgau – bleiben oder auswandern?» und die Party «Pink Army Night» mit dem Motto «Gayneralstab», der Beitrag des «Pink Apple» zu den Armee-Tagen des Schweizer Militärs, die just am selben Wochenende in Frauenfeld stattfanden. Die Männer schmissen sich in ihren Partyfummel und die Federboa über die Schultern – zum Erstaunen der Fundamentalisten. «Die sahen wohl zum ersten Mal einen Mann in Frauenkleidern», sagt Susanne und lacht. Sie mietete sich jeweils einen Frack und stand hinter der Bar.
Das Cinema Luna in Frauenfeld, wo alles begann
Nicht alle aus dem Organisationskomitee konnten offen zu ihrer sexuellen Ausrichtung stehen. Im Archiv der Homepage finden sich kaum Namen aus den Anfangszeiten des Festivals: «Es gab Leute im Vorstand, die wollten nicht mit Namen und Foto zu diesem Thema in der Zeitung erscheinen. Mitarbeiten ja, aber es sollte nicht die ganze Stadt wissen.» Susanne Dschulnigg hatte sich in den 90er-Jahren geoutet und stand offen dazu: «Ich persönlich hatte nie das Gefühl, ich könne das nicht leben.»
Von Frauenfeld nach Zürich Mitte der Neunziger war die Zeit reif für ein schwullesbisches Filmfestival: «Es war eine wahnsinnige Aufbruchstimmung», sagt Susanne. Ihre Augen glänzen, wenn sie daran zurück denkt. Abgesehen von ein paar Fundamentalisten, die Werbung entfernten, wurden dem OK keine Steine in den Weg gelegt. Kirche, Kanton und Stadt hielten sich mit finanzieller Unterstützung zwar zurück, aber das Tat dem Erfolg keinen Abbruch. «Wir waren Hier-und-Jetzt-Menschen», wohin sich das Festival entwickelte, wusste am Anfang niemand. Jetzt anno 2017 findet das Festival in Zürich und Frauenfeld statt, 2016 zählte das Festival 9800 Besucherinnen und Besucher.
«Die Fundamentalisten sahen wohl zum ersten Mal einen Mann in Frauenkleidern»
2000 weitete sich das Festival nach Zürich aus: In diesem Jahr wurden in Zürich die Eurogames, eine Olympiade von lesbischen, schwulen, bisexuellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem europäischen Raum durchgeführt und passend dazu zeigte das Arthouse Movie sieben «Pink Apple»-Filme. In den Jahren danach wuchs die Zürcher Ausgabe stetig und 2003 wurde das Festival schliesslich in Zürich eröffnet: «Wir hatten anfangs Angst, dass etwas verloren geht, wenn der grosse Teil des Festivals nicht mehr in Frauenfeld stattfindet.» Aber Zürich sei nie Konkurrenz, sondern Ergänzung gewesen.
Und noch mehr demonstrierende Fundamentalisten.
Und heute: Wo steht die Gesellschaft bezüglich Offenheit gegenüber Homosexualität verglichen zu vor 20 Jahren? «Es gab schon Fortschritte, aber manchmal denke ich, wir sind noch gar nicht so viel weiter». Erst noch im Frühling 2016 wurde im Kanton Thurgau ein Pfarrer wegen seiner sexuellen Ausrichtung nicht gewählt, er bekam sogar Morddrohungen: «Das beschäftigt mich jetzt noch.»
Das Pink Apple findet vom 26. April bis am 4. Mai in Zürich statt.
Archivfotos zur Verfügung gestellt von Pink Apple Foto Cinema Luna: Seraina Manser
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