12 Kreise, 12 Beizen: Kalbszüngli und Kegeln im Muggenbühl
In der Gastroreihe «12 Kreise, 12 Beizen» besucht Tsüri.ch jeden Monat eine Quartierbeiz in einem anderen Kreis: Im Kreis 2 den «Landgasthof» Muggenbühl in Wollishofen, eine Gaststätte mit Kegelbahn im Keller und einer gigantischen Auswahl an Fleischgerichten.
«Gibt es immer Kalbszüngli auf der Karte?», fragt die Frau am Nebentisch den Kellner im blütenweissen Hemd. Keine andere Frage könnte das Muggenbühl treffender umschreiben. Auf der Karte steht Fleisch in allen erdenklichen Variationen: Cordon-bleu, Hacktätschli, Entrecôte, Kalbsgeschnetzeltes und Riz Casimir. Nur die Kalbszüngli sind nicht immer verfügbar. Die Tischnachbarin überspielt ihre Enttäuschung gekonnt.
Das Muggenbühl ist ein grotesker Ort. Wüsste ich es nicht besser, würde ich mich irgendwo auf dem Land wähnen. Der Saal mit den weissen Wänden und Tischdecken erinnert stark an irgendeinen Landgasthof im Thurgau, wo man sich am Sonntagmittag zum Familienfest trifft. Zum Dessert wird Coupe Dänemark serviert und draussen spendiert der Onkel Runde für Runde auf dem Sesseli-Karussell. Doch das Muggenbühl thront mitten in Wollishofen, oberhalb der Autobahnausfahrt Brunau. 35 Parkplätze warten auf die Besucher:innen, unterhalb des Hügels rasen die Autos auf der A3 stadtauswärts, das Fachwerkhaus mit den blutroten Riegeln wird mit Scheinwerfern beleuchtet.
Essen im Fumoir
Wer will, reserviert einen Tisch im Fumoir und raucht einen Stumpen zum Entrecôte. «Der Muggenbühl-Pachter ärgert sich bis heute über das Rauchverbot in Restaurants», schreibt der Tages-Anzeiger in seinem Beitrag zum 50-jährigen Dienstjubiläums des Muggenbühl Wirts, Ernst Bachmann. Er ist SVP-Mitglied und seit Herbst 2021 nach 25 Jahren nicht mehr Präsident des Branchenverbands Gastro Zürich.
Wir verzichten auf Rauch im Essen und setzen uns im Nichtraucher:innenbereich. An diesem Donnerstagabend ist die Beiz mässig besucht, der Altersdurchschnitt liegt weit über 60.
«Der Trend von kleinen Karten mit wenigen Gerichten, die aber alle frisch zubereitet werden, scheint im Muggenbühl nicht angekommen zu sein»
Die Karte ist mehrere Seiten lang und geordnet nach Art des Fleisches. Für Vegis gibt es den Racletteteller, Cannelloni oder Ravioli. Wir sind schlichtweg erschlagen von der Auswahl und bestellen einfach Hacktätschli mit Rösti, Riz Casimir und Cannelloni. Der gemischte Vorspeisen-Salat lässt richtige Beizen-Vibes aufkommen. Maiskörner aus der Dose, gekrauste Peterli, geraffelte Rüebli, einen Schnitz Tomate. Wer kennts nicht?
Bowlen ist nicht gleich kegeln
Die Portionen sind riesig, die Qualität okay. Vor dem Dessert wie gebrannte Crème oder Apfelstrudel kapitulieren wir, haben wir doch noch eine sportliche Aktivität vor uns. Der Grund, weshalb wir das Muggenbühl für die Quartierbeiz im Kreis 2 auserkoren haben, befindet sich im Keller und ist eine Kegelbahn: Laut Flyer des Restaurants haben 28 (!) Vereine das Muggenbühl zu ihrem Vereinslokal auserkoren. Eine Familie hat eine der zwei Bahnen reserviert, wir die andere. Erinnerungen an Mittwochnachmittage in Bowlinghallen kommen hoch. Für alle, die meinen Bowling und Kegeln sei dasselbe, hängt im Sääli ein laminiertes Blatt, worauf die Regeln für die «Fuchsjagd» oder «Domino» erklärt werden.
Wir sind heillos überfordert und kegeln auf gut Glück. Die Gruppe nebenan macht es genauso. Es wäre wohl spannend zu sehen, wie es an einem Abend im Kegelkeller zu und her geht, wenn sich ein Verein hier trifft, dessen Mitglieder professionell polierte Holzkugeln auf Kegel «schmeissen». Die Bahn kann für 30 CHF pro Stunde gemietet werden. Über das Festnetztelefon an der Wand lässt sich beim Service Biernachschub bestellen.
Das beste Cordon-bleu der Stadt
Im Treppenhaus liegen Flyer für die Stadtratskandidatin Sonja Rueff-Frenkel und das «Heisser-Stein-Schiff» auf: «Sei der Meister über dein Monster-Steak!». Wir haben für einmal aber genug Fleisch gesehen, schwingen uns auf die Velos und rasen talwärts. Vorbei am Schild in der Wiese, das auf den Fondueplausch im Muggenbühl aufmerksam macht. Nach wenigen Minuten befinden wir uns beim Sihlcity – Urbanität pur.
Wer sich fühlen will, wie auf dem Land, aber keinen langen Anfahrtsweg auf sich nehmen will, dem sei das Muggenbühl empfohlen. Und wagt sich vielleicht an das Cordon-bleu, das der Züritipp 2009 zum besten der Stadt gekürt hat.
12 Kreise, 12 Beizen |
Im Jahr 2022 reist Tsüri.ch Monat für Monat in einen anderen Kreis und setzt sich einen Abend lang in die dortige Quartierbeiz. Die kulinarische Reise beginnt im Januar im Kreis 1 und endet im Dezember in Schwamendingen im Kreis 12. Hinweise für die Beiz, die wir in deinem Quartier besuchen sollen, kannst du hierhin schicken. 1. Tsüri.ch versucht die Balkenprobe in der Oepfelchammer |