Zürich West: Neue Ideen für die Erweiterung des Stadtraums
Der Zürcher Westen zwischen Limmat und den Gleisen ist Peripherie mitten im Stadtgebiet. Zwischen dem Industriequartier und Altstetten Nord besteht keine wirkliche Verbindung, nur ein Autobahnzubringer zerschneidet die Landschaft. Drei Studenten der TU München haben nun einen Plan vorgelegt, wie dieses Gebiet zur «lebenswerten Stadt» werden könnte.
«Go West» war der Slogan der US-amerikanischen Landnahme im 19. Jahrhundert, aber er könnte genauso gut die Richtung der Zürcher Stadtentwicklung im frühen 21. Jahrhundert beschreiben. Seit ungefähr dreissig Jahren schwappt über die alten Industrieareale zwischen Escher-Wyss-Platz und Altstetten Nord eine Welle der Umnutzung und Aufwertung. Und trotzdem gibt es wohl kaum einen Ort in Zürich, der sich mehr nach Peripherie anfühlt als die Pfingstweidstrasse zwischen Prime Tower, Hardturmbrache und dem Autobahnzubringer der A1.
Das zu ändern und die Peripherie zum Zentrum umzugestalten, nahmen sich drei Studenten der TU München als Aufgabe für ihre gemeinsame Masterthesis. «Wie kann man Zürich West weiterentwickeln und dem Quartier mehr Lebensqualität geben, obwohl es scheinbar zu einem grossen Teil ‹gebaut› ist?», fragen der Landschaftsarchitekt Tim Keim, der Stadt- und Verkehrsplaner Joris Allemann und der Architekt Spyros Koulouris im zugehörigen Flyer.
Für ihre Antwort bündelten sie ihre fachspezifischen Kenntnisse und entwarfen Pläne und Illustrationen für eine «lebenswerte Stadt» Zürich West. Ihre Ziele: Eine Zusammenführung von Zürich West und Altstetten Nord, eine Erhöhung des Wohnanteils im Quartier, eine höhere soziale Durchmischung, ein Rückbau autogerechter Strukturen sowie eine Begrünung des Stadtteils.
Letzten Freitag luden die drei zusammen mit ihrem Professor Alain Thierstein an den Ort des Geschehens, um ihre Ideen der Öffentlichkeit zu präsentieren. In den Räumen des Kulturparks an der Pfingstweidstrasse zeigten sie ein Modell ihres Entwurfs und stellten ihr Gesamtkonzept vor.
«Wir haben uns auf ein neues Zentrum Hardturm konzentriert», erläuterte Joris Allemann. Denn mit dem Entscheid für den Stadionneubau und das zugehörige Hochhaus-Ensemble sei ein grosser Baustein in Zürich West gesetzt. Und dort, wo heute das Industriequartier auf- und der Autobahnanschluss anfängt, könnte nach den Plänen der drei ein neuer Knotenpunkt des städtischen ÖV entstehen.
Neue Begegnungsorte und belebte Erdgeschosse
Dieses neue Zentrum wiederum soll eingebunden sein in ein Band von öffentlichen Plätzen als Begegnungsorte entlang einer völlig umstrukturierten Förrlibuckstrasse. Um zum Beispiel das Toni-Areal besser in den Stadtraum zu integrieren, würde nach den Plänen das nahegelegene Parkhaus einem neuen Förrlibuckplatz weichen.
Und um den oft unbelebten Charakter der Gegend aufzubrechen, sollen sich die Erdgeschosse mit Läden zur Aussenwelt hin öffnen. Ausserdem soll Platz für Wohnen, Coworking-Spaces und Start-Ups geschaffen werden. Am Engrosmarkt könnte als weiterer Begegnungsort ein öffentlicher Markt für die Wohnbevölkerung des Viertels entstehen.
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Das Kernstück des Plans ist aber die Verbindung der beiden Stadtteile. Hierfür soll der Autobahnzubringer entlang der Bernerstrasse zur Stadtstrasse zurückgebaut werden. Das freiwerdende Gelände am Nordrand der Strasse müsste in einem weiteren Schritt vom Bund an die Stadt abgetreten werden.
Dann könnte dort eine Genossenschaftssiedlung entstehen, mit Anschluss an das heute zerstückelte Hardhof-Gelände, das im Plan der drei Masterstudenten zu einer hochwertigen Grünfläche, dem Limmatpark, wird. Der Hardturmplatz auf der einen sowie der Vulkanplatz auf der anderen Seite liessen sich über kurze Gehstrecken mit dem Park verbinden, genauso die Wohnsiedlung Grünau.
Verbinden statt Trennen
In Altstetten wiederum sieht der Plan vor, die Bernerstrasse als Berner Allee mit einer Tramlinie in der Mitte und vielen Querungsmöglichkeiten für Fussgänger:innen von einem Trennungs- zu einer Verbindungselement werden zu lassen. Dort liesse sich laut Spyros Koulouris das FOGO Areal gut in die Planung integrieren. Ausserdem sähe man in der Nähe des Vulkanplatzes eine gute Standortmöglichkeit für einen weiteren Campus der ETH, der mit der heute schon bestehenden direkten Busverbindung zum Standort Hönggerberg gut angebunden sei.
Über dem neu entstehenden Limmatpark wiederum stellen sich die drei eine langgezogene Brücke für den Langsamverkehr vor, die den Park und die neu entstehende Genossenschaftssiedlung nach Norden über die Limmat mit Höngg verbinden könnte. Nach Süden könnte sie über die Gleise hin zur Hohlstrasse geleitet werden.
Hier könnte sie auf das Areal der Werkstadt Zürich treffen. Auf dem Gelände unterhält die SBB ihre Züge, möchte ihre Nutzung aber um 50 Prozent reduzieren und anderes, kleinteiliges Gewerbe zulassen. In einer Zwischennutzungsphase haben sich hier schon einige Gewerbetreibende angesiedelt, so zum Beispiel das Kreislaufwirtschafts-Kollektiv Offcut oder der Espressomaschinenhersteller Zuriga.
Vorgestellt wurde das Projekt von Ute Schneider, Architektin beim verantwortlichen Architekturbüro KCAP. Sie warb dafür, Brüche im Stadtbild zuzulassen und nicht zu versuchen, die Stadt komplett aufzuräumen.
Stattdessen solle man versuchen, ein Nebeneinander verschiedener Nutzungen herzustellen und zu kultivieren. Nur so liessen sich Produktionsbetriebe in der Stadt halten und die Industrie reurbanisieren, statt sie immer weiter aus der Stadt herauszudrängen. Als Beispiel für eine gelungene Integration der Industrie diente ihr der Güterzug, der zweimal am Tag am Escher-Wyss-Platz entlang fährt: «Wir brauchen diese Strukturen in der Stadt, denn ohne eine nahe Güterversorgung geht es nicht.»
Schluss mit innerstädtischen Autobahnen?
In der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Ute Schneider, dem Architekten und Vorstand des Dachverbands Wohnbaugenossenschaften Zürich Andreas Wirz, Jonathan Kischkel aus dem Vorstand der Genossenschaft Kalkbreite sowie dem Gemeinderat und VCS-Vorstand Markus Knauss wurden die Ideen der Studenten gelobt. Mit dem fertigen Autobahnring um die Stadt bestünde nun tatsächlich die Möglichkeit, mit innerstädtischen Autobahnen Schluss zu machen, so Wirz.
Es handelt sich hier nur um eine mögliche Vision.
Tim Keim, TU München
Es brauche städtischen Begegnungsraum, an dem Reibung entstehen könne. Doch genau diesen Teil des Plans tat der Grüne Knauss als unrealistisch ab: «Man muss die Realität sehen. Der Bund baut gerade für 100 Millionen Franken eine Lärmschutzwand entlang dem Autobahnzubringer.
Da wird so schnell kein Rückbau passieren.» Politisch habe die Neudefinition des Raums, die mit der Stadterweiterung nach Westen einherginge, noch gar nicht stattgefunden. Logisch mache ein Zentrum Hardturm aus dieser Warte zwar Sinn, in der politischen Realität allerdings noch nicht.
Auch die im Publikum anwesende Gebietsmanagerin Zürich-West beim Amt für Städtebau, Cornelia Taiana, erklärte, den Rückbau der Autobahn habe die Stadt nicht in der Hand. Hierfür brauche es politischen Druck.
Zudem erlaube die Bauzonenordnung kein Wohngebiet entlang den Grünanlagen, die in den Plänen als Limmatpark ausgewiesen sind. Denn hier handle es sich um eine Grundwasserschutzzone: 15 Prozent des Zürcher Trinkwassers werden in diesem Gebiet aus dem Grundwasser gewonnen.
«Es handelt sich hier nur um eine mögliche Vision», entgegnete dem Masterstudent Tim Keim: «Es ist klar, dass das niemals so gebaut wird. Mehr Wohnraum zwischen Hardturm und Bahnhof Altstetten ist auch als Statement von uns gedacht.
Das ist auch möglich, wenn die Autobahn nicht zurückgebaut wird.» Zürich sei auf dem Weg zur autofreien Stadt, meinte Markus Knauss: «In zehn Jahren, mit weniger Verkehr, kann man solche Projekte genauer anschauen.» Und auch Gebietsmanagerin Taiana fand: «Das ist etwas, das man mitnehmen kann.»
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