Zürich-West der Zukunft: So soll sich das Industriequartier verändern
Vom Josefareal bis zur Begegnungszone Hardstrasse: Das Industriequartier Zürich-West steht vor tiefgreifendem Wandel. Ein Überblick über die wichtigsten laufenden Projekte.
Josefareal: Streit um gemeinnützigen Wohnraum
Das Josefareal gilt als eine der letzten ungenutzten Flächen im Besitz der Stadt Zürich. Früher wurde auf dem 20’000 Quadratmeter grossen Areal Wäsche aus den Zürcher Spitälern gewaschen, Abfall gesammelt und verbrannt. Geht es nach den Plänen der Stadt, sollten darauf bis 2032 Alterswohnungen, ein Hallenbad und ein Quartierpark entstehen.
Ende 2023 schaltete sich die Interessengemeinschaft Zentrum Hardbrücke (IGZH) ein. Eine Gruppe aus Expert:innen verschiedener stadtplanerischen Sparten. Sie forderte 500 gemeinnützige Wohnungen auf dem Areal. Dies würde nicht nur die Zürcher Wohnungsnot ein wenig entschärfen, sondern den Westen der Stadt attraktiver machen, erklärte der Architekt Martin Hofer gegenüber Tsüri.ch.
Die Kritik führte wenig später zu einer Motion im Gemeinderat: SP, AL, Grüne, GLP und Mitte/EVP wollen, dass die Stadt auf dem Areal im Kreis 5 mindestens 300 gemeinnützige Wohnungen schafft. Um das umzusetzen, müsste das Gebiet umgezont werden, doch laut dem städtischen Hochbaudepartement sind die Chancen dafür gering.
Um die Möglichkeiten zu prüfen, startete die Stadt im Juni 2025 eine Vertiefungsstudie: Sie soll ermitteln, ob zusätzliche gemeinnützige Wohnungen und Gewerberäume Platz finden könnten. Dabei würden bisher involvierte Quartierbewohner:innen, neue Anspruchsgruppen und Vertreter:innen aus der Politik miteinbezogen werden, heisst es. Als Basis diene das ursprüngliche Konzept.
Projekt «Ensemble»: Einsprachen-Drama um das Zürcher Fussballstadion
Bereits drei Mal sagte das Zürcher Stimmvolk Ja zu einem neuen Stadion auf dem Hardturm-Areal, 2003, 2018 und 2020. Das aktuelle Projekt «Ensemble» sieht eine Überbauung mit zwei Hochhäusern, einer Genossenschaftssiedlung und einem Fussballstadion vor. 1500 Menschen sollen in Zukunft auf dem Hardturm-Areal wohnen.
Doch auch fünf Jahre nach der letzten Legitimation der Stadtbevölkerung sind auf der Brache im Kreis 5 keine Bagger aufgefahren. Mehrere Beschwerden und Rekurse blockieren das Projekt seit Jahren.
Dahinter stecken Recherchen von Tsüri.ch zufolge unter anderem Prominente aus Höngg wie der ehemalige Chefredaktor der NZZ am Sonntag, Felix E. Müller, oder der Unternehmer Urs Zweifel, Neffe des verstorbenen Gründers der Zweifel Chips & Snacks AG.
Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: Laut Blick soll der Entscheid des Verwaltungsgerichts in wenigen Wochen vorliegen. Werden diese abgewiesen, können die Beschwerdeführer:innen den Gestaltungsplan noch vor Bundesgericht ziehen. Sowohl GC als auch der FC Zürich forderten die Gegner:innen mehrmals auf, die Einsprachen zurückzuziehen und keine weiteren Verzögerungen zu erzwingen.
Begegnungszone Hardstrasse: Grüne Oase statt 180 Parkplätze
Noch reihen sich unter der Hardbrücke die Autos. Geht es jedoch nach den Vorstellungen der IGZH, sollen die 180 Parkplätze bald der Vergangenheit angehören. Vergangenen Juni präsentierte die Interessengruppe ihre Vision in der Fachzeitschrift Hochparterre unter dem Titel «Die Säulenhalle: Endlich ein Zentrum für Zürich West».
Statt der Abstellplätze könnte an der 800 Meter langen Hardstrasse zwischen Bahnhof Hardbrücke und Escher-Wyss-Platz eine Begegnungszone mit Läden, Cafés und viel Grünraum entstehen. Die mittige Tramspur soll künftig auf der westlichen Strassenseite verlaufen. Der motorisierte Verkehr hingegen findet in den Plänen keinen Platz, nur noch das Verladen von Gütern und das Bringen oder Abholen von Bahnreisenden soll möglich bleiben.
Wie bereits auf dem Josefareal fordern die Stadtplaner:innen auch gemeinnützigen Wohnraum in Form eines Hochhauses. Dieses würde auf dem Areal der Autowaschanlage stehen, das der Stadt gehört und ab 2027 ungenutzt ist.
«Unser Projekt zeigt, was in Zürich-West möglich wäre – oder besser: dringend notwendig ist», sagte Martin Hofer zum Tages-Anzeiger. Er ist überzeugt, dass das Projekt bis zum 60. Jubiläum der Hardbrücke 2032 umgesetzt werden könnte. 40 bis 50 Millionen Franken schätzt er die Kosten für das Unterfangen. Rund die Hälfte davon allein für die Verlegung des Tramnetzes.
Bei der Stadt stossen Hofer und seine Kolleg:innen laut Tages-Anzeiger auf offene Ohren – zumindest mit der Idee des Parkplatzabbaus. Die Tramschienen zu verschieben, sei indes kein Thema.
Franca-Magnani-Brücke: Mit dem Velo oder zu Fuss über das Gleisfeld
Der Fall der Franca-Magnini-Brücke schlug bereits hohe Wellen, obwohl über die 530 Meter lange Verbindung der Kreise 4 und 5 gemäss Zeitplan der Stadt erst 2029 abgestimmt wird.
Anfang September kommunizierte die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP), dass die Badmintonhalle «Yonex» an der Geroldstrasse der neuen Rampe für Velofahrende und Fussgänger:innen definitiv weichen muss. Anders kämen sie nicht auf die künftige Brücke, die als Verlängerung des Viadukts geplant ist.
Zuvor kam es zum verzweifelten Rettungsversuch: «Es braucht einen Kompromiss», sagte der Betreiber der Badmintonhalle im Sommer zu Tsüri.ch. Wenig später startete er gemeinsam mit anderen Stadtbewohner:innen eine Petition, die von 7000 Personen unterschrieben wurde. Ein Postulat im Gemeinderat sollte die 1997 erbaute Halle retten, sofern die «Funktionstauglichkeit und Sicherheit der Brücke» nicht beeinträchtigt werde.
Der Wunsch, eine weitere Fuss- und Veloverbindung über das Gleisfeld zu erstellen, kommt nicht von ungefähr: Dies sieht der kommunale Verkehrsrichtplan der Stadt Zürich so vor. Von 2016 bis 2018 führte das Tiefbauamt zusammen mit den SBB deshalb eine Machbarkeitsstudie durch. Geht der Plan der Stadt auf, soll die Franca-Magnini-Brücke bis 2034 fertiggestellt sein. Kostenpunkt: 80 Millionen Franken.
«Prime 1» und «Prime 3»: Prominentes Parkhaus soll Büros und Wohnungen weichen
Für die einen gehört es zu Zürich West wie das Hallenstadion zu Oerlikon, für die anderen ist es der Schandfleck des Quartiers: Das 1981 erbaute Parkhaus Pfingstweid neben dem Prime Tower spaltet die Gemüter.
Während das Transportunternehmen Welti-Furrer auf dem Grundstück zwei Gebäude mit Büros und insgesamt 100 Wohnungen realisieren will, kämpft die Hamasil-Stiftung dafür, das Parkhaus zu erhalten und daraus ein Gewerbezentrum zu machen. Die Stiftung unterstützt nachhaltige Projekte. 2021 erarbeitet die Gruppe «Blühende Pfingstweide» ein entsprechendes Konzept.
Aus dem Interessenkonflikt resultierte der Gang vors Gericht – und damit die Verzögerung der Umsetzung von «Prime 1» und «Prime 3» von Welti-Furrer. Die Firma übt deshalb Kritik am Vorgehen von Hamasil.
Gemäss 20 Minuten hat das Baurekursgericht Zürich den entsprechenden Rekurs Anfang Jahr in zwei Punkten gutgeheissen. Die Bauherrschaft müsse nun weitere Baupläne vorlegen sowie ein Betriebskonzept einreichen und bewilligen lassen.
Falls nötig, werde man den Fall bis vors Bundesgericht ziehen, kündigte die Hamasil-Stiftung an. Denn das Projekt sei städtebaulich wie architektonisch mangelhaft.
Maag-Hallen: Denkmalschutz verhindert Wohnturm
Ähnlich steht es um das Projekt «Maaglive» der Swiss Prime Site, kurz SPS. Seit 2019 plant die grösste Immobiliengesellschaft der Schweiz, der unter anderem der Prime Tower gehört, auf dem Gebiet der Maag-Hallen einen Wohnturm sowie Büroflächen und ein viergeschossiges Kulturzentrum. Dafür soll eine der denkmalgeschützten Hallen saniert und umgenutzt, die neueren Bauten hingegen abgerissen werden.
Während der Planungsphase kam es zu mehreren Blockaden – in erster Linie aufgrund des Denkmalschutzes. Wie die NZZ vergangenen Juli berichtete, hat nach dem Baurekursgericht nun auch das Zürcher Verwaltungsgericht das Projekt abgelehnt. Sowohl der Zürcher Heimatschutz sowie die Stiftung Hamasil und Anwohner:innen hätten gegen die Baubewilligungen Rekurs eingereicht.
Brisant an der Geschichte: Beim Architekturwettbewerb hat es laut NZZ auch ein Projekt gegeben, das ohne den Abriss der historischen Bauten auskommen würde. Die SPS habe sich jedoch für jenes Konzept entschieden, das auf den ersten Blick weniger kompliziert erscheinen würde.
Denn: Ein Teil der alten Hallen liegt ausserhalb des Sondernutzungsplans, den die Stadt 2003 für das Areal erlassen hat. Will die Eigentümerschaft alle Hallen erhalten, müsste sie diesen Plan anpassen lassen, weshalb man Einsprachen und Verzögerungen befürchtete.
Aktuell hat die SPS den Baustart auf 2028 angesetzt – fast zehn Jahre nach Beginn der Planung.
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Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin bei der Tierklinik Obergrund Luzern. Danach zweiter Bildungsweg via Kommunikationsstudium an der ZHAW. Praktikum bei Tsüri.ch 2019, dabei das Herz an den Lokaljournalismus verloren und in Zürich geblieben. Seit Anfang 2025 in der Rolle als Redaktionsleiterin. Zudem Teilzeit im Sozialmarketing bei Interprise angestellt.