Neues Album

Zürcher Band Batbait: «Unsere Musikvideos sind genauso intim wie die Songs»

Ende Oktober veröffentlicht die Rockband Batbait ihr zweites Album «Working In The Garden». Wie alles angefangen hat und inwiefern die Freundschaft zwischen den Zürcherinnen ihre Musik beeinflusst, erklären Gianna Brühwiler und Sandra Keller im Interview.

Batbait Band
Alanah Rüttimann, Sandra Keller, Gianna Brühwiler und Simona Bischof (v.l.n.r.) machen seit 2020 gemeinsam Musik. (Bild: Vanja Kadic)

Sophie Wagner: Welche Geschichten erzählt das neue Album «Working In The Garden»?

Sandra Keller: Das neue Album ist diverser, was die Anzahl Genres betrifft. Es gibt zwar auch Rocks-Songs, aber auch Reggaetonbeats und sehr reduzierte, ruhige Stücke.

Gianna Brühwiler: Inhaltlich spürt man zwei Pole im Umgang mit dem aktuellen Weltgeschehen: den Wunsch nach Widerstand, danach laut zu sein, den Frust rauszulassen und gleichzeitig die Suche nach Gemeinschaft, nach feinen, verletzlichen Momenten. Beides zieht sich durchs Album.

Gibt es Songs, die konkrete Themen behandeln?

Brühwiler: «Working In The Garden» handelt vom Schweizerischen «Bünzlidasein» einer konservativen Familie, die sich auf ihrem Wohlstand ausruht und sich nicht um andere kümmert, solange es ihnen selbst gut geht. 

Bei «In The Pit» singen wir vom unachtsamen Verhalten im Konzertpublikum und «Big Success» ist eine Auseinandersetzung damit, was Erfolg in unserer Gesellschaft bedeutet. 

Ist Ihre Musik grundsätzlich politisch?

Brühwiler: Musik ist immer politisch, weil sie in der Öffentlichkeit stattfindet. Sie kann sich dem gar nicht entziehen.

Keller: Selbst wenn man sagt, die eigene Musik sei unpolitisch, ist das wiederum eine politische Aussage.

Aber es gibt doch auch Bands, die sich nicht politisch positionieren.

Brühwiler: Ich glaube, man kann sich dem nicht entziehen. Ich finde nicht, dass Texte politisch sein müssen. Musik kann auch einen Safe Space bieten, Zugang zu schönen, sinnlichen Klängen sein, die Wahrnehmung schärfen. Doch sobald sich die Musik in einem öffentlichen Raum bewegt, wird man mit Fragen konfrontiert wie: Spiele ich auf einem Festival, dessen Line-up zu 90 Prozent aus Cis-Männern zusammengestellt ist? Veröffentliche ich meine Musik auf einer Plattform, die in die Entwicklung von AI-Waffen investiert oder mit AI-Musik kleine Künstler:innen vom Markt verdrängt? 

Ich möchte damit sagen: Musik ist politisch. Musiker:innen müssen sich dessen bewusst sein und reflektieren, mit welchen Privilegien sie Musik machen.

Im Song «How Did My Apartment Get So Expensive» auf Ihrem ersten Album geht es um den Zürcher Wohnungsmarkt. Wie persönlich ist das Thema für Sie?

Brühwiler: Sehr. Ich bin oft umgezogen, und aktuell suchen unglaublich viele Leute in meinem Umfeld eine Wohnung. Es ist ein ständiges Gesprächsthema. 

Keller: Wir reden so viel darüber, dass es fast automatisch zu einem Songtext wurde. 

Hat sich Ihre Band auch «automatisch» gegründet?

Brühwiler: Wir kennen uns von der Zürcher Hochschule der Künste, ich und Sandra und Simona haben Kunstvermittlung studiert. Damals haben wir immer mal wieder darüber gesprochen, eine Band zu gründen. Aber erst 2018, während eines Stipendiums, haben wir zum ersten Mal zusammen Musik gemacht. 

Keller: Im ersten Jahr waren Gianna und ich nur zu zweit und ich habe gar nicht so sehr über das Potenzial nachgedacht. Freundschaft garantiert noch keine Musik. Aber bei uns hat es von Anfang an freundschaftlich sowie musikalisch gepasst. Wenig später kam Simona dazu, und Alanah haben wir über eine Ausschreibung gefunden, weil wir unbedingt eine Schlagzeugerin für die Band suchten.

«Wenn wir Songs aus der Anfangszeit hören, müssen wir oft lachen.»

Sandra Keller, Mitgründerin von Batbait

Wie fühlt es sich an, mit Freundinnen gemeinsam auf der Bühne zu stehen? 

Brühwiler: Es ist sehr «wholesome». Die Freundschaft ist für unsere Musik entscheidend, da wir so einen grösseren Zusammenhalt haben. Natürlich vermischt sich Bandzeit mit Freundschaftszeit, aber das ist eher positiv als problematisch und in den Proben haben wir auch viel Zeit, uns um unsere Freundschaft zu kümmern.

Sie stehen seit 2019 gemeinsam auf der Bühne. Wie hat sich Ihr Sound seit den ersten Songs entwickelt?

Keller: Wenn wir Songs aus der Anfangszeit hören, müssen wir oft lachen. Sie waren noch düsterer, melancholischer, nahe dem Gothic-Genre. Wir hatten anfangs nur zwei Gitarren und einen Synthesizer, das hat den Sound stark geprägt.

Brühwiler: Unser Klang entstand aus einem klaren Do-it-yourself-Ansatz. Wir haben nicht geschaut, was gerade angesagt ist, sondern einfach mit dem gearbeitet, was da war. So entwickelte sich unser Sound organisch – roh, intuitiv und frei von Vorbildern.

Also haben Sie keine Vorbilder?

Brühwiler: Mich inspirieren aktuell Bands wie Dry Cleaning, Wombo, Just Mustard, M(h)aol, Warpaint, Caroline.

Keller: Ich bin vor allem nach Livekonzerten oft inspiriert, neue Songs zu kreieren. Meine Highlights in diesem Jahr waren Akriila, FKA Twigs und Robber Robber. 

Batbait Band
Musik sei immer politisch, sagen die Musikerinnen. (Bild: Vanja Kadic)

Und wie würden Sie Ihren Sound heute beschreiben?

Brühwiler: Wahrscheinlich irgendwo zwischen Post-Punk, Garage-Rock und Psychedelic, manchmal mit Industrial-Einflüssen. Der Überbegriff «Indie» passt vielleicht am ehesten, auch wenn er alles und nichts bedeuten kann.

Wie meinen Sie das? 

Keller: Es geht darum, sich von den Major Labels abzugrenzen und das kann heute alles Mögliche sein: Indie-Pop, Indie-Rap, Indie-Rock. In den 2000ern dachte man bei Indie noch automatisch an Britrock-Bands wie Oasis, The Kooks oder The Libertines. 

Einige junge Schweizer Acts, wie Dino Brandão, OG Florin und Gigi singen oder rappen wieder in Mundart. War das für Sie je ein Thema?

Brühwiler: Für mich wäre es eine andere Auseinandersetzung, auf Schweizerdeutsch zu schreiben als auf Englisch. Weil es meine Muttersprache ist, hätte ich noch höhere Ansprüche an den Textinhalt. Aber ich finde es spannend, wenn andere es machen – und wenn es gut umgesetzt ist, funktioniert es grossartig.

Warum finden Sie es spannend, wenn andere auf Mundart singen oder rappen? 

Brühwiler: Die Sprache hat einen anderen Klang als Englisch. Dadurch kann eine schöne Reibung entstehen.

Keller: Ich finde es interessant, wie Mundart plötzlich andere Themen aufgreift. Ich mag es, wenn Musiker:innen aufzeigen können, wie stark Humor auf Mundart wirken kann. 

«Ich habe oft sofort Bilder im Kopf, wenn wir einen Song schreiben.»

Gianna Brühwiler, Mitgründerin von Batbait

Sie haben beide Kunstvermittlung studiert. Visuelle Gestaltung spielt offenbar eine grosse Rolle für Sie. Die Musikvideos von Batbait stechen heraus – mit wilden Filtern, Animationen und absurden Szenen. Wie wichtig ist Ihnen das Visuelle bei Ihrer Arbeit?

Keller: Sehr wichtig. Es würde sich komisch anfühlen, das kreative Auftreten an eine Agentur abzugeben. Unsere Musikvideos sind genauso intim wie die Songs.

Brühwiler: Für mich ist das Gestalterische ein natürlicher Teil der Musik. Oft habe ich sofort Bilder im Kopf, wenn wir einen Song schreiben. Musik und visuelle Gestaltung inspirieren einander. Manchmal dienen die Songs als Ausgangspunkt für ein Video, manchmal umgekehrt. Die Ideen entstehen sehr schnell, der Aufwand kann aber sehr unterschiedlich sein.

Entstehen die visuellen Ideen spontan oder suchen Sie gezielt Inspiration?

Keller: Meistens entsteht es aus unserem Zusammenspiel. Wir kennen uns schon sehr lange. Eine von uns denkt an etwas, die andere sagt «Ja, das macht Sinn», und daraus entwickelt sich ein grobes Gerüst, das wir dann weiter ausarbeiten.

Brühwiler: Wenn mir etwas gefällt, kommen Stichworte in den Sinn, die wir im Team weiterdenken. Es geht darum, zu vernetzen und verknüpfen: Elemente aus der Kunst, die wir gesehen oder gelernt haben, treffen auf die musikalische Umsetzung.

Worauf darf sich das Publikum an der Albumtaufe am 31. Oktober in der Zentralwäscherei freuen?

Keller: Auf Chacho natürlich, die den Abend eröffnet! Dann auf extrem «cuten» neuen Merch und Songs, die das Publikum noch nie live gehört hat.

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sophie

Ausbildung als Polygrafin EFZ an der Schule für Gestaltung in Bern und aktuelle Studentin Kommunikation mit Vertiefung in Journalismus an der ZHAW Winterthur. Einstieg in den Journalismus als Abenddienstmitarbeiterin am Newsdesk vom Tages-Anzeiger, als Praktikantin bei Monopol in Berlin und als freie Autorin beim Winterthurer Kulturmagazin Coucou. Seit März 2025 als Praktikantin bei Tsüri.ch

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