Genossenschaften zum Trotz: Auch in Schwamendingen steigen die Mieten

Die Wohnungsnot ist längst auch in Schwamendingen angekommen – trotz des hohen Anteils an gemeinnützigen Wohnungen. Wie diese Recherche zeigt, werden auch die Genossenschaften im Kreis 12 in den nächsten Jahren die Mieten erhöhen.

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Schwamendingen gilt als wohngünstiges Quartier, doch auch hier werden die Mieten steigen. (Bild: Yves De Prà)

Wer in Zürich eine Wohnung sucht, braucht oft Geduld. Denn bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware: Derzeit stehen nur 0,07 Prozent aller Wohnungen leer. Gleichzeitig nimmt die Bevölkerung zu. In den nächsten 20 Jahren soll die Stadt um 75’000 Menschen wachsen – dann wird Zürich knapp eine halbe Million Einwohner:innen zählen. Ist die Nachfrage grösser als das Angebot, treibt das bekanntlich die Preise in die Höhe. Und das ist in Zürich schon lange der Fall: Gemäss Index sind die ausgeschriebenen Wohnungen in Zürich seit der Jahrtausendwende um 76 Prozent teurer geworden. Während eine 3-Zimmer-Wohnung damals noch rund 1470 Franken netto kostete, zahlen Mieter:innen heute etwa 2570 Franken für eine vergleichbare Wohnung.

Wer sich das nicht mehr leisten kann, wird verdrängt – oft in die Vorstädte oder in Quartiere mit einer hohen Dichte an Genossenschaftswohnungen. Zwischen 2014 und 2019 mussten im Kanton Zürich 13’000 Menschen umziehen, weil ihre Wohnung saniert oder abgerissen wurde. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie der ETH, die untersucht hat, wer am häufigsten von Verdrängung betroffen ist. Besonders hart trifft es Personen mit wenig Geld: Laut Studie haben verdrängte Haushalte monatlich rund 4800 Franken weniger zur Verfügung als ein durchschnittlicher Haushalt im Kanton Zürich. Auch Ausländer:innen sind um 30 Prozent stärker gefährdet als Schweizer:innen; bei Alleinerziehenden ist die Gefahr doppelt so hoch, dass sie umziehen müssen, weil die Miete zu teuer wird.

Gemeinnützig, aber nicht mehr günstig

Nicht nur in der Innenstadt, sondern auch im Kreis 12 greifen diese Mechanismen. Dies, obwohl in Schwamendingen überdurchschnittlich viele Wohnungen gemeinnützig vermietet werden: Rund 32 Prozent aller Wohnungen gehören hier entweder der Stadt oder Genossenschaften. Zum Vergleich: In der ganzen Stadt Zürich sind es derzeit nur rund ein Viertel. Die NZZ schätzt, dass die Mieten im Kreis 12 auch in den nächsten Jahren 30 Prozent unter dem Zürcher Durchschnitt liegen werden. Eine Teuerung ist aber dennoch unvermeidlich – für Genossenschaften ist das eine Herausforderung, trotz Aufwertung und Teuerung bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen.

«Im institutionellen Mietwesen werden die Mieter:innen kaum geschützt. Wenn abgerissen wird, suchen alle gleichzeitig eine neue Wohnung.»

Thomas Lohmann, Präsident der BGZ findet, dass die Mieter:innen besser geschützt werden müssten

Das beschäftigt auch die Baugenossenschaft Glattal Zürich (BGZ). Sie gehört zu den grössten im Kanton. Knapp die Hälfte ihrer Wohnungen – 1000 von 2200 – liegen im Kreis 12. Der Präsident Thomas Lohmann sagt im Telefongespräch, dass sie grossen Wert darauf legen, ihre Bewohner:innen zu unterstützen, wenn diese ihre Wohnungen wegen Sanierungen oder einem Ersatzbau verlassen müssen. Betroffene Mieter:innen würden fünf Jahre im Voraus erstmals informiert. Danach schlage man ihnen mehrere Ersatzangebote vor, die sie annehmen oder ablehnen könnten. «Wir planen Um- und Neubauten lange im Voraus und bauen dann sehr langsam. Das gibt uns Zeit, für alle Mieter:innen, die aus ihren Wohnungen raus müssen, Anschlussmöglichkeiten zu finden.» Ganz ohne Abriss gehe es aber nicht: Alte Bauten müssten ersetzt werden, sagt Lohmann. Zudem würden im Zuge der Einhausung Siedlungen abgerissen und ersetzt. 

Trotz Bemühungen, die Kosten niedrig zu halten, steigen die Mieten in einem Neubau bei der BGZ. Um wie viel genau, kann Lohmann nicht sagen, er nennt aber ein Beispiel: «Während eine 4-Zimmerwohnung vorher 1100 Franken gekostet hat, wird es in einem Neubau vielleicht 1900 kosten.» 

Wie in vielen Genossenschaften macht sich auch Lohmann von der BGZ Gedanken zur Gentrifizierung – und wie man ihr entgegenwirken kann. Etwa, indem man langsam baut oder die Leute motiviert, bei Bedarf in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Diese Massnahmen allein würden das Problem aber nicht lösen. «Dem muss sich die Politik annehmen», findet er. So gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit, Pensionskassen dazu zu verpflichten, ihren Mieter:innen beim Auszug einen Sozialplan vorzulegen. Ähnlich wie es im Arbeitsrecht bei Massenentlassungen gehandhabt wird. «Im institutionellen Mietwesen werden die Mieter:innen kaum geschützt. Wenn abgerissen wird, suchen alle gleichzeitig eine neue Wohnung», fasst Lohmann zusammen. Durch das Genossenschaftsrecht könne das bei ihnen nicht passieren.

Gute Lebensqualität zu einem hohen Preis

Auch die Genossenschaft «Sunnigehof» schützt ihre Mieter:innen durch ein solches Recht. Der Sunnigehof gehört mit 764 Wohnungen im Kreis 12 ebenfalls zu den wichtigen Akteur:innen in Zürich-Nord. Nach eigenen Angaben wird sie bis 2027 rund 135 Wohnungen ersetzen oder sanieren. Wie sich der Mietzins in diesem Zusammenhang konkret verändern wird, kann oder will man nicht sagen. Auf Anfrage heisst es: «Die Bandbreite der Mietzinse unserer Genossenschaftswohnungen und -häuser in Schwamendingen bewegt sich in einer sehr breiten Spannweite von wenigen 100 Franken bis gegen 3000 Franken – abhängig von der Grösse der Wohneinheit und Zustand der Liegenschaft.» Eine Durchschnittszahl sei deshalb «nicht repräsentativ». Mit der Kostenmiete könne zwar sichergestellt werden, dass die Mietpreise vergleichsweise moderat bleiben, aber auch hier rechnet man mit einem Anstieg der Mieten: «Auch wir können uns der starken Bauteuerung der letzten Jahre nicht entziehen.» Mit anderen Worten: Auch hier werden die Mieten steigen.

«Wir sind eine Genossenschaft und schulden das unseren Mitgliedern.»

Monika Keller, Vorstandsmitglied der Luegisland sieht sich verpflichtet, ihre Mieter:innen zu unterstützen

Der Geschäftsführer der Baugenossenschaft Süd Ost, Fabio Brunetto, sieht in der Aufwertung ein zweischneidiges Schwert, wie er auf Anfrage schreibt: Auf der einen Seite würden Infrastruktur, Dienstleistungsangebot und Lebensqualität verbessert, auf der anderen Seite «kann dies auch bedeuten, dass die Miet- und Immobilienpreise steigen, was dazu führt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen werden oder Schwierigkeiten haben, sich den Wohnraum in diesen Gebieten zu leisten».

Trotz einiger Herausforderungen blickt Brunetto zuversichtlich in die Zukunft. Die hohe Anzahl an gemeinnützigen Wohnungen im Kreis 12 helfe dem Quartier, sich vergleichsweise ausgewogen zu entwickeln. «Wir werden einen aktiven Beitrag dazu leisten», fasst der Geschäftsführer zusammen.

Im Zuge der Einhausung der Autobahn mussten viele Genossenschaftswohnungen in Schwamendingen abgerissen werden.
Im Zuge der Einhausung der Autobahn mussten viele Genossenschaftswohnungen in Schwamendingen abgerissen werden. (Bild: Yves De Prà)

Die Baugenossenschaft Süd Ost verwaltet 137 Wohnungen im Kreis 12. Vor sechs Jahren musste eine Siedlung mit 83 Wohnungen am Tulpenweg abgerissen werden. Die Fläche grenzt direkt an die Einhausung und wird derzeit als Baustelleneinrichtungsfläche genutzt. Wenn 2024 die Einhausung der Autobahn fertiggestellt ist, soll dort neuer Wohnraum entstehen. Ausserdem sind ein Kindergarten, Gästezimmer, ein Café, Co-Working-Spaces sowie verschiedene Gemeinschafts- und Quartierräume geplant. Baubeginn ist 2025, drei Jahre später sollen die ersten Wohnungen bezugsbereit sein.

Noch radikaler geht es bei der Genossenschaft Luegisland zu: Alle 56 Wohnungen und 16 Einfamilienhäuser im Kreis 12 sollen nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren abgerissen und ersetzt werden. Geplant sind 130 neue Wohnungen. Auch hier «werden die Mieten steigen, wenn auch moderat». Aktuell würden sich die Preise zwischen 17 und 20 Franken pro Quadratmeter und Monat bewegen. In den Neubauten werde dieser Preis um drei bis vier Franken höher liegen. Vorstandsmitglied Monika Keller sagt, dass sie sich stark dafür einsetzen würden, allen Mieter:innen «eine passende Lösung» zu unterbreiten. Gesetzlich sei man dazu zwar nicht verpflichtet, aber: «Wir sind eine Genossenschaft und schulden das unseren Mitgliedern.»

Die vorliegenden Beispiele zeigen: Auch Genossenschaften müssen die Kosten für die Sanierung von Wohnungen oder den Bau neuer Häuser auf ihre Mieter:innen abwälzen. Welche Auswirkungen dies in einem Quartier mit einer hohen Dichte an gemeinnützigen Wohnungen haben wird, zeigt sich erst in einigen Jahren. Klar aber ist, dass auch Schwamendingen nicht vor der Gentrifizierung gefeit ist. Denn auch wenn die Einhausung der Autobahn das Quartier aufwerten und die Lebensqualität der Anwohner:innen verbessern, profitieren davon nach wie vor nur jene, die sich die Mieten im Kreis 12 danach noch leisten können.

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