Wer ein Haus baut, muss Parkplätze bauen – nun regt sich Widerstand
Wer in Zürich ein Haus baut, muss auch Parkplätze bauen. Dies, obwohl die Anzahl der Autobesitzer:innen zurückgeht und die Stadt aus ökologischen Gründen von den Blechkisten wegkommen will. Was sagt die Politik zu diesem Widerspruch?
Alles ist geregelt in Zürich. Auch, dass zum Beispiel pro 120 Quadratmeter Wohnfläche ein Parkplatz gebaut werden muss. So steht es in der Parkplatzverordnung (PPV), welche gemäss dem neuen Richtplan «Verkehr» in naher Zukunft revidiert wird. Und dies, obwohl nur noch jede dritte in Zürich wohnhafte Person ein Auto besitzt und der Anteil des Autoverkehrs immer weiter abnimmt.
Heute gilt: Wer bei einem Immobilienprojekt auf Parkplätze verzichten und eine autofreie Siedlung bauen will, muss mittels eines komplizierten Verfahrens eine Sonderbewilligung beantragen.
Wie geht diese Regelung mit den Klimazielen der Stadt Zürich zusammen? Nicht gut, sagt Selina Walgis, Co-Präsidentin der Grünen Fraktion im Gemeinderat: «Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, braucht es massiv weniger motorisierten Individualverkehr in der Stadt Zürich. Darum passt diese Vorgabe nicht zu den städtischen Klimazielen.» Sie bezeichnet diese Vorgabe der Pflichtparkplätze als «nicht sinnvoll» und «nicht zeitgemäss» und plädiert für deren Abschaffung.
SP will nicht alle Parkplätze verschwinden lassen
In die gleiche Kerbe schlägt Michael Schmid von der AL. Seine Partei wünsche sich «allgemein eine Reduktion der automobilen Infrastruktur», wie der Gemeinderat ausführt. Dass autofreie Siedlungen ein «Mobilitätskonzept» vorlegen müssten, um keine Parkplätze zu bauen, sei «eine bürokratische Hürde, die stark abgebaut werden soll». Die AL fordert stattdessen «die Pflicht für ein Mobilitätskonzept für Siedlungen, welche eine Automobilinfrastruktur zur Verfügung stellen wollen.»
Etwas weniger weit geht die Forderung der SP. Gemeinderat Severin Meier will die Pflichtparkplätze nicht ganz abschaffen, aber deren Anzahl reduzieren – ein Parkplatz pro 120 Quadratmeter Wohnfläche sei «massiv übertrieben». Insbesondere «Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und gewisse Gewerbetreibende» bräuchten aber auch weiterhin Parkplätze, weshalb deren totale Abschaffung nicht sinnvoll sei.
Eine grössere Wohnfläche pro Parkplatz wünscht sich auch die GLP. Von einer Abschaffung der Pflichtplätze will Martina Novak, die CO-Fraktionschefin, jedoch nichts wissen. Denn: «Eine gänzliche Abschaffung der Pflichtparkplätze würde den Druck auf den öffentlichen Grund gegenwärtig wohl stark erhöhen.»
Parkplätze gehören zur städtischen Infrastruktur
Die städtische FDP andererseits bietet keine Hand zur Reduktion der Pflichtparkplätze. Fraktionspräsident Severin Schmid teilt auf Anfrage mit: «Parkplätze sind Bestandteile einer urbanen Mobilität und damit der Infrastruktur, die geschaffen werden muss. Insofern sehe ich keine Begründung für eine Abschaffung der Pflichtparkplätze.»
Ausserdem stünden Parkplätze nicht grundsätzlich in «einem unauflösbaren Widerspruch mit städtischen Klimazielen». Autos dürften nicht mit der «Nutzung von fossilen Energieträgern gleichgestellt werden». Der FDP-Politiker verweist dabei auf erneuerbare Treibstoffe.
Dass bei Bauprojekten Parkplätze gebaut werden müssen, ist im kantonalen Planungs- und Baugesetz definiert, die Ansätze können die Gemeinden selber bestimmen. Das Tiefbauamt der Stadt Zürich teilt mit, die Ansätze in Zürich seien vergleichsweise tief. Zudem seien die Pflichtparkplätze sinnvoll, «denn sie entlasten den öffentlichen Strassenraum.»
Egal, ob Abschaffung, Reduktion oder Beibehaltung der Pflichtparkplätze – die Parkplatzverordnung muss revidiert werden, so steht es im kommunalen Richtplan, den die Stimmbevölkerung im Herbst 2021 angenommen hat. Wann dies geschehen wird, ist noch nicht klar. Vom Tiefbauamt heisst es auf Anfrage, derzeit sei keine Revision geplant.
Dauern wird es vermutlich noch lange: Die letzte Revision der Parkplatzverordnung dauerte insgesamt acht Jahre.
An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.