Von Hotdogs und Hochrechnungen: Zürich im Bann der US-Wahl

Kein Schlaf, viel medialer Rummel und stets die Möglichkeit, dass unsere Welt bald eine ganz andere sein könnte: Zu Besuch an der US-Wahlveranstaltung der SP und der Democrats im GZ Riesbach in Zürich.

Viel Hoffnung blieb am Ende des Abends nicht übrig. (Foto: Kai Vogt)

Die Welt hält den Atem an, auch in Zürich. Schon seit Stunden starren die Menschen im GZ Riesbach gebannt auf Bildschirme und Ticker – der Ausgang der US-Wahlen ist um 5 Uhr früh noch ungewiss, die Nerven liegen blank.

Gehen wir ein paar Stunden zurück in eine Zeit, in der noch Zuversicht in der Luft lag.

22 Uhr

Die SP Zürich und die Democrats Abroad Switzerland haben zur «Wahl(frei)nacht» ins Gemeinschaftszentrum Riesbach geladen. Seit Dienstagabend versammeln sich hier Menschen, die Hoffnung, Angst und Neugier auf ein historisches Ereignis vereint. Rund hundert Gäst:innen sind gekommen, darunter US-Amerikaner:innen, Politiker:innen und Neugierige. 

USA-Fähnchen neben SP-Banner, ABC News flimmert über eine Leinwand, die Bar wird rege angesteuert. Zur Einstimmung bilden die Gäst:innen gemischte Gesprächsgruppen: Einheimische und US-Amerikaner:innen vergleichen politische Ansichten und diskutieren Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer demokratischen Werte. Noch wird gelacht.

Dann beginnt die Podiumsdiskussion. Unter der Moderation von Jean-Daniel Strub, Co-Präsident SP Zürich, debattieren die Teilnehmer:innen über die mögliche Zukunft der USA. Präsident Trump erneut im Amt? «Die Demokratie würde das aushalten», sagt Apolonio Huerta, Präsident der Democrats Abroad Zurich.

«Trump könnte den Aufstieg der extremen Rechten in der Schweiz befeuern.»

Fabian Molina, SP-Nationalrat

Andere Stimmen sind da weniger optimistisch. «Die demokratischen Institutionen würden unter einer zweiten Trump-Ära enorm leiden», gibt Elena Schaef, Englischlehrerin und Aktivistin, zu bedenken. SP-Nationalrat Fabian Molina sagt: «Das könnte den Aufstieg der extremen Rechten in der Schweiz befeuern. Das ist sehr bedrohlich.» 

Dann machen Hotdogs und Bagels die Runde. Und während die ersten schlapp machen, bleiben die Hartgesottenen wach und verfolgen die Wahlkanäle CNN, NBC und Sky.

1 Uhr

Eine Person streckt sich auf einem Sofa aus, die Augen auf ihr Handy geheftet, der Blick müde und starr. Eine ältere Dame sitzt strickend an einem Tisch, hebt ab und zu den Kopf und verfolgt das Geschehen auf den Bildschirmen. Und umso später es wird, desto leiser wird es im GZ, die Gäst:innen wechseln von der Erwartung in eine gedämpfte Ruhe. 

In einer Live-Schaltung meldet sich Tina Kempin Reuter, Politikwissenschaftlerin aus Alabama, zu Wort. «Das Wählen hat für mich gut funktioniert», erzählt sie und beschreibt eine mögliche «Alabamafication» des Landes, sollte Trump wiedergewählt werden – eine Entwicklung, welche die USA weiter in den Konservatismus drängen würde. Ihre Einschätzung wird mit wachsamem Schweigen aufgenommen, während CNN nun die ersten Teilergebnisse anzeigt. 

Irgendwo um 2 Uhr

Donald Trump gewinnt die Staaten Florida, Tennessee, Missouri, Alabama und Oklahoma, Kamala Harris siegt in Massachusetts, Maryland und District of Columbia, im GZ Riesbach beginnt eine zweite Person zu stricken.

Die Nervosität lässt sich langsam nicht mehr verstecken, gleichzeitig hat sich längst Ernüchterung breit gemacht. Abhilfe schafft die Bar: Die Bierflaschen auf den Tischen häufen sich, so auch die leeren Kaffeetassen. 

3 Uhr

Eine erneute Live-Schaltung, dieses Mal zu Elianne Bahena, Gemeindeaktivistin, Verfechterin von Einwanderungsrechten in Chicago. Sie sprüht nur so von positiver Energie. «Bereits um 6 Uhr bei der Öffnung der Wahllokale in meinem Bezirk haben die Menschen Schlange gestanden», sagt sie. Besonders erfreulich sei zudem, dass viele Junge gewählt hätten. Den Aussagen von Bahena folgten rund 20 Nasen. Insgesamt harren noch etwa fünfzig Personen aus. Doch grosse Euphorie konnte auch sie nicht mehr auslösen.  

Und um 5 Uhr steht noch immer keine Entscheidung, die Nacht zieht ins Morgengrauen. CNN prognostiziert Trump zwar einen leichten Vorteil, doch sicher ist um diese Zeit noch nichts. Die Zürcher «Wahl(frei)nacht» endet also nur mit einer dunklen Vorahnung, aber ohne Gewissheit. Und doch hat das gemeinsame Ausharren hat die Menschen verbunden. Zwischen Sorge und Zuversicht warten sie weiter auf die Antwort.

Bis jetzt ist die Welt noch nicht untergegangen.

Fingers crossed. 

Bild1
Die Nacht war lang – und zäh. (Foto: Lukas Heinser)
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