«Viele wollen nicht auf den Baum verzichten»: Zu Besuch in der Stadtgärtnerei
Wie ökologisch ist der Brauch mit den Weihnachtsbäumen? Grün Stadt Zürich verkauft Exemplare frisch aus dem Stadtwald, und sogar eingetopfte Bäume, die mehrjährig zum Einsatz kommen können.
Zwei ältere Damen lassen gerade ihre Tanne in ein Netz wickeln, ein Mitarbeiter von Grün Stadt Zürich misst Bäume aus und versieht sie mit Preisschildern.
In der Stadtgärtnerei in Albisrieden werden Weihnachtsbäume aus dem Stadtwald verkauft. «Rottannen, Blautannen und Nordmanntannen gibt es hier», erklärt eine Mitarbeiterin von Grün Stadt Zürich. Wobei die einheimische Rottanne immer beliebter werde. Alle Arten stammen aus dem Stadtwald am Uetliberg. Insgesamt 120’000 Tannen wachsen dort, 5000 Stück werden jährlich in der Adventszeit verkauft.
«Wir haben heute schon einige Bäume verkauft, doch der grosse Ansturm kommt am Wochenende», weiss die Mitarbeiterin. Da es im Winter für Grün Stadt Zürich weniger zu tun gebe, sei der Weihnachtsbaumverkauf eine willkommene Abwechslung. In ihrer WG schmücke zwar keine Tanne das Wohnzimmer, doch sei der Brauch nach wie vor sehr beliebt: «Viele wollen auf den Baum nicht verzichten», sagt sie.
«Wir schmücken den Baum mit allem Möglichen»
So geht es auch einer Besucherin, die durch die Bäume stöbert, auf der Suche nach dem besten Exemplar. Sie erzählt: «Seit ich Kinder habe, kaufe ich jedes Jahr einen Weihnachtsbaum.» Dieser werde von der ganzen Familie beschmückt, und das sogar mit selbstgebastelten Verzierungen aus der Verwandtschaft. Während man sich den Gang in die Kirche spare, seien der Baum und das gemeinsame Schmücken unverzichtbar.
«Das ist ein schönes Ritual, um sich zu besinnen und an die ganze Familie zu denken», sagt sie. Regeln gebe es dabei jedoch nicht: «Wir verzieren den Baum mit allem Möglichen, ohne Konzept.» Und an Heiligabend landen die Geschenke darunter.
Einfach in den Wald zu gehen und selbst eine Tanne zu fällen, ist verboten. Mit zwei Ausnahmen: Am Samstag von bis 16 Uhr beim Werkhof Hönggerberg und am Sonntag von 11 bis 16 Uhr im Forstgarten Albisgüetli. Dort bietet Grün Stadt Zürich den Gäst:innen an, ihren Weihnachtsbaum selbst zu schneiden und verspricht einen «tollen Anlass für die ganze Familie.»
Viele greifen zu Bäumen aus dem Ausland
Gemäss Tagblatt werden schweizweit jährlich 1,7 Millionen Tannen verkauft. Jedoch greifen bei Weitem nicht alle Schweizer:innen zur Tanne aus der Region – mehr als die Hälfte wird aus dem Ausland importiert. Die Naturschutzorganisation WWF schreibt deshalb in ihrem Ratgeber zum Tannen-Thema: «Die beste Wahl für die Natur und Umwelt ist, auf den Baum zu verzichten.»
Ansonsten gelte es, Bäume mit Bio-Labels zu kaufen, bei deinen keine Pestizide oder Düngemittel zum Einsatz kommen. Auch vor Plastikbäumen als Alternative warnt WWF: «Viele der Plastikbäume stammen aus Fernost und haben einen langen Transportweg hinter sich.» Der Kauf lohne sich ökologisch nur, wenn sie über viele Jahre im Einsatz bleiben und somit mehrere pflanzliche Weihnachtsbäume ersetzen.
Auf den ökologischen Faktor angesprochen, betont Grün Stadt Zürich: «Unsere Bäume sind aus der Region und biologisch angebaut. Und unsere Empfehlung ist es, mit dem ÖV anzureisen.» Die Mitarbeiterin aus der Stadtgärtnerei betont: «Wir fällen ja keine Bäume aus dem Wald. Die Tannen werden extra dafür gezüchtet.»
Wer keine Zwei-Meter-Tanne kaufen möchte, die er oder sie im neuen Jahr entsorgen muss, findet in der Stadtgärtnerei auch kleinere, eingetopfte Exemplare. Diese liessen sich sogar mehrjährig wiederverwerten. Doch gilt es zu beachten: «Genauso wie andere Pflanzen auf Wärme angewiesen sind, brauchen Tannen die Kälte.» Nach der Weihnachtszeit gehören die Tannenbäume also in den Garten oder auf den Balkon.
Wer mit dem ÖV oder Velo zu einer städtischen Verkaufsstelle fährt und sich eine einheimische Tanne abholt – ob gefällt oder im Topf – macht nicht viel falsch. Der Werkhof Hönggerberg verkauft noch bis Samstag um 16 Uhr Weihnachtsbäume, die Stadtgärtnerei noch bis Sonntag um 17 Uhr. Der Forstgarten Albisgüetli ist auch am 22. und 23. Dezember noch geöffnet. Übrigens: Wer in der Stadt wohnt, kann sich den Baum sogar für 70 Franken vor die Haustür liefern lassen.
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Bachelorstudium in Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich, Master in Kulturanalyse und Deutscher Literatur. Während des Masters Einstieg als Redaktionsmitglied in der Zürcher Studierendenzeitung mit Schwerpunkt auf kulturellen und kulturkritischen Themen. Nebenbei literaturkritische Schreiberfahrungen beim Schweizer Buchjahr. Nach dem Master Redaktor am Newsdesk von 20Minuten. Nach zweijährigem Ausflug nun als Redaktor zurück bei Tsüri.ch