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Von Coraline Celiker

Praktikantin Redaktion

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20. August 2022 um 06:00

Trotz Netto-Null Ziel erlaubt Stadt Fleisch an Quartierfesten

Die Stadt Zürich möchte bis 2040 klimaneutral werden. Derweil macht der Fleischkonsum den Hauptanteil der ernährungsbedingten Umweltbelastung aus. Wie ist das mit dem Fleischkonsum an Zürcher Festen vereinbar?

Idaplatzfest 2019:

Das Idaplatzfest 2019: Auch Fleischesser:innen seien willkommen. (Foto: OK Idaplatzfest)

Die Zürcher Stimmbevölkerung hat dem neuen Klimaschutzziel am 21. Mai mit einer klaren Mehrheit von 75 Prozent zugestimmt und dieses in der Gemeindeordnung verankert. Die Klimaemissionen müssen in den kommenden Jahren also radikal gesenkt werden.

Während über ein Verbot des Feuerwerks am Züri-Fäscht 2023 debattiert wird, rückt ein Bericht des Tages-Anzeigers einen ganz anderen Emissionstäter ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Das Essen. So liesse sich am Züri-Fäscht der zweitgrösste Anteil der Klimagasemissionen (40 Prozent) auf die verkauften Mahlzeiten, grösstenteils auf den Fleischkonsum zurückführen. Nur zehn Prozent der Festbesucher:innen ernährten sich laut der zitierten Myclimate-Untersuchung vegetarisch.

Ein direkter Vergleich von Myclimate verrät: Würden sich in der Schweiz alle vegetarisch ernähren, könnte der durchschnittliche CO2-Ausstoss der Ernährung um 33 Prozent gesenkt werden.

Ohne Fleisch: Ein «Zürich-Wohlstands-Dings»?

Ein Blick auf die herkömmlichen Quartierfeste der Stadt zeigt, dass Fleisch hier auch dieses Jahr trotz Klimaschutzziel noch verkauft wird.  Auch bei politisch links orientierten Festen, deren Organisator:innen sich ja eigentlich der Nachhaltigkeit verschrieben haben.

Sowohl das Äms Fäscht, das Idaplatzfest, als auch das Röntgenplatzfest führen in ihrem Essensangebot Fleisch auf. Die Gründe scheinen ähnlichen Motiven zu entspringen. Alle angefragten Quartierfeste machen zwar deutlich, dass es «eine Veränderung braucht» und dass sie sich mit einer zusätzlichen Reduktion des Fleischangebots auseinandersetzen werden, allerdings sei der Fokus der Feste ein anderer.

Fleischesser:innen, Vegetarier:innen und Veganer:innen: Alle sind willkommen.

OK Idaplatzfest

«Wir organisieren ein Fest für das ganze Quartier und für die Bevölkerung der Stadt Zürich. Und deshalb möchten wir ein Essensangebot bieten, wo jeder und jede etwas findet, dass ihm oder ihr schmeckt: Fleischesser:innen, Vegetarier:innen und Veganer:innen: Alle sind willkommen», heisst es beim OK des Idaplatzfestes.

Elena Marti, Co-Präsidentin des Äms-Fäscht's und ehemalige Stadtzürcher Gemeinderätin für die Grünen, macht deutlich: «Unseren Fokus legen wir auf das Zusammenkommen.» Das Äms Fäscht sei ein Fest mit interkulturellem Austausch als Schwerpunkt. Sie würden zwar ein mehrheitlich vegetarisches und veganes Angebot aufweisen, aber nicht «die Reduktion von Fleischkonsum beziehungsweise diesem ‘Zürich-Wohlstands-Dings’, dass man nur vegetarische und vegane Produkte anbietet» sei im Zentrum ihres Interesses. Durch eine solche Auflage würden viele Menschen, die sie eigentlich ansprechen möchten, ausgeschlossen werden. «Da wir einen politischen Hintergrund, also Vereinszweck haben, der sich gegen Abschottung und Ausgrenzung ausspricht, würde das nicht passen», erläutert Marti.

Das OK des Röntgenplatzfests erklärt derweil, dass sie seit Jahren bemüht seien, ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Wobei sie vor allem den Abfall als ökologisches Kernproblem verstehen. In Bezug auf das Essensangebot sei ihnen wichtig, den kleinen Gastrobetrieben aus dem Quartier eine Plattform zu bieten, denen sie keine Vorgaben machen möchten. Von den vier aufgeführten Essensständen bietet der traditionelle Unia-Grill,  laut Website, ausschliesslich Hackfleisch-Burger und Würste an. Und das obwohl das Fest von der SP organisiert und von den Grünen und der AL mitgetragen wird, welche die Klima-Debatte ums Züri-Fäscht angestossen haben.

«Viele waren überrascht und haben auf den ersten Blick nicht bemerkt, dass die ganze Speisekarte vegetarisch ist.»

OK Openair Wipkingen
Grill

Belebung des Platzspitzes durch die Stadt Zürich: Ein Foodtruck, der ausschliesslich Fleisch serviert. (Foto: Coraline Celiker)

Dass es aber auch ganz ohne Fleisch geht, zeigt die diesjährige Ausgabe des Openair Wipkingen. Dort wurde ein ausschliesslich vegetarisches und veganes Angebot geführt. Die Rückmeldungen der Besucher:innen seien auf Anfrage hin überwiegend positiv gewesen. «Viele waren überrascht und haben auf den ersten Blick nicht bemerkt, dass die ganze Speisekarte vegetarisch ist», bekundet das OK des Openairs. Ob dieses fleischlose Angebot bestehen bleibt, ist allerdings noch unklar, wie das OK berichtet.

Auflagen der Stadt Zürich? Fehlanzeige.

Auch wenn anerkannte Quartierfeste und ihre OKs in der Verantwortung für eine nachhaltige Gestaltung der Feste stehen, hat weitestgehend die Stadt Zürich die Verpflichtung der Durchsetzung klimaschützender Richtlinien. Von den angefragten Quartierfesten wurde bestätigt, dass sie in Bezug auf das Essensangebot keine entsprechenden Auflagen der Stadt erhielten.

Auf Anfrage erklärt Yvonne Lötscher, Leiterin nachhaltige Ernährung, Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich: «Die Stadt Zürich setzt beim Thema nachhaltige Ernährung nicht auf Verbote, sondern auf Sensibilisierung, Information und die Förderung von nachhaltigen Initiativen.» Wie diese Sensibilisierung aussieht, wird nicht erklärt, stattdessen wird auf das ausgebaute Abfallkonzept verwiesen.

Ein Besuch auf der Website der Stadt zeigt, dass bereits 2019 eine entsprechende Strategie zur nachhaltigen Ernährung vom Stadtrat verabschiedet wurde und sich in der Umsetzung befindet. Ob diese Strategie dem Netto-Null-Ziel jedoch auch wirklich gerecht werden kann, bleibt offen.

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