Landesweite Demos

Tausende Studierende protestieren gegen Sparmassnahmen des Bundes

Schweizweit haben Studierende gegen geplante Milliardenkürzungen in Bildung und Forschung durch den Bund demonstriert. Sie warnen: Höhere Gebühren gefährden soziale Gerechtigkeit und den Forschungsstandort Schweiz.

Hunderte Studierende versammeln sich am Helvetiaplatz zu einer Demo
Neben Zürich wurde auch in Neuchâtel, Genf, Lausanne und Basel und Bern gegen das geplante Entlastungspaket 27 demonstriert. (Bild: Dominik Fischer)

«Es wird offensichtlich am falschen Ort gespart», klagt ein Demonstrant, der an der ETH Informatik studiert. Mit hunderten anderen hat er sich am Mittwoch auf dem Helvetiaplatz versammelt, um gegen die vom Bund geplanten drastischen Kürzungen in Forschung und Bildung zu demonstrieren. Neben Zürich wurde auch in Neuchâtel, Genf, Lausanne und Basel demonstriert. Am Abend gibt es eine nationale Demo auf dem Berner Bundesplatz. 

Verschiedene Studierendenverbände und Gewerkschaften haben dazu aufgerufen, sich gegen das sogenannte Entlastungspaket 27 (EP27) zur Wehr zu setzen. Dieses würde nicht zuletzt eine Verdoppelung der Semestergebühren für einheimische Studierende, und gar eine Vervierfachung für ausländische Studierende zur Folge haben.

«Geld für Bildung ist keine Ausgabe, sondern eine Investition»  

Der Informatikstudent habe eigentlich gehofft, dass die Gebühren runter und nicht weiter hochgehen würden, denn auch andere Kosten, wie die Krankenkassengebühren seien schon viel zu hoch. «Ich muss neben dem anspruchsvollen Vollzeitstudium an der ETH nebenbei noch arbeiten, um über die Runden zu können», sagt er. Seine Botschaft an den Bundesrat: «Es kann nicht sein, dass wir jetzt bei der Bildung sparen». 

Eine andere Studentin betont, Arbeiten sei neben dem Studium schwierig: «Ich habe Eltern, die mich unterstützen können, aber das haben nicht alle.» Und Bildung solle für alle möglich sein. Redner:innen vor Beginn des Demozugs betonten klar: «Geld für Bildung und Forschung ist keine Ausgabe, sondern eine Investition». Die Sparmassnahmen in der Bildung würden die Zukunft der gesamten Schweiz gefährden. 

  • Uni Demonstration Helvetiaplatz Sparmassnahmen
    Studierende und Verbände stellen sich geschlossen gegen die Sparmassnahmen. (Bild: Dominik Fischer)
  • Schilder auf dem Helvetiaplatz an der Uni-Demo
    Die verdoppelten Studiengebühren könnten zahlreichen Personen ein Studium verunmöglichen. (Bild: Dominik Fischer)
  • Uni Demonstration Helvetiaplatz Sparmassnahmen
    «Girls just wanna have funding for science», heisst es hier. (Bild: Dominik Fischer)

Für ausländische Studierende sind die Gebühren bereits ab diesem Semester auf 2190 Franken verdreifacht worden. Eine Studentin aus den USA erzählt: «In den USA ist das Studieren unglaublich teuer. Ich war begeistert davon, in der Schweiz studieren zu können. Doch jetzt bewegt es sich hier in die gleiche Richtung». Sie fügt hinzu: «Einige meiner Freund:innen, die auch in der Schweiz studieren wollten, können es sich nicht mehr leisten». 

Bund will jährlich Milliarden einsparen

Das EP27 sieht vor, jährlich 400 Millionen Franken bei Forschung und Bildung einzusparen. Als Kompensation sollen die Semestergebühren drastisch erhöht und Stellen gestrichen werden. Der Bundesrat will mit dem Entlastungspaket «grosse Defizite verhindern, die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten und den Bundeshaushalt mittelfristig wieder ins Gleichgewicht bringen», heisst es in der Erklärung vom 19. September. 

Insgesamt will das Entlastungspaket im Jahr 2027 2,4 Milliarden Franken sparen, 2028 und 2029 sollen es rund 3 Milliarden Franken sein. Dazu hat der Bund insgesamt 57 Massnahmen herausgearbeitet. Neben den Unis setzt er auch bei der Klima- und der Integrationspolitik den Rotstift an. 

Der Verband Schweizer Studierendenschaften (VSS) warnt vor mindestens 500 Forschungsprojekten und rund 1500 Stellen, die gestrichen werden sollen. Julia Bogdan, Co-Präsidentin des VSS, berichtet von Wut und Unverständnis seitens der Studierenden. Gleichzeitig sagt sie: «Wir haben Hoffnung, dass der Bundesrat diese Kürzungen rückgängig macht. Denn auch der Bereich Jugend und Sport hat sich zuletzt erfolgreich gegen die Kürzungen zur Wehr gesetzt». Über den Oktober hinaus will sich der VSS zudem für ein besseres Stipendienwesen einsetzen. 

Kürzungen schwächen den Forschungsstandort Schweiz

«Aktuell sieht es so aus, dass einige Studierende ihr Studium abbrechen müssen oder gar nicht erst beginnen können», sagt Bogdan. «Uns tut es sehr weh, dass Leuten mit viel Talent das Studium und die Karriere verwehrt wird, nur weil ihre Eltern nicht das nötige Geld haben, um sie an die Uni zu schicken». Auch Jonas Keller vom Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) warnt, das Sparpaket könne sich negativ auf die Anzahl der Studierenden auswirken und dazu führen, dass die Schweiz im Bereich Forschung abgehängt wird. 

Keller beschreibt die Stimmung an den Universitäten als kämpferisch und spricht von geschlossenem Widerstand: «Gerade auch die Studierenden kämpfen stark gegen die Erhöhung der Studiengebühren, die die soziale Mobilität in der Schweiz noch weiter einzuschränken drohen».

Den Sparmassnahmen hält Keller entgegen, dass der Bund in den letzten Jahren stets einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet hat. «Das Eigenkapital der Eidgenossenschaft beträgt 120 Milliarden Franken und ist in den letzten Jahren weiter gewachsen.» Es gebe in der Schweiz daher kein Geldproblem, sondern ein Priorisierungsproblem. Keller betont: «Jeder in Bildung und Forschung investierte Franken kommt vielfach zurück. Es ist deshalb nicht sinnvoll, gerade hier stark Mittel zu kürzen.» 

Die Vernehmlassungsphase für das Entlastungspaket ist vorbei, trotz zahlreicher negativer Stellungnahmen hat der Bundesrat im Juli das EP27 verabschiedet. Die Finanzkommission des Ständerats bespricht das Paket Anfang Oktober, danach wird es in der Wintersession verhandelt.

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