Städtische Stiftung kündigt ganzer Mieterschaft wegen Sanierung

Während die Zürcher Regierung im Fall der «Sugus-Häuser» lautstark den Schutz der Mieter:innen verteidigte, kündigte eine Stiftung der Stadt 20 Mietparteien im Kreis 3. Grund dafür sei eine «umfassende Sanierung».

Leerkündigungen von der Stadt
Städtische Stiftung «Einfach Wohnen» kündigt 20 Mietparteien auf Mai 2026. (Bild: Nina Schneider)

Die Stadt kündigt allen Mietparteien an der Birmensdorferstrasse 191 im Kreis 3, um umfassende Sanierungen durchzuführen. Die städtische Stiftung «Einfach Wohnen» (SEW) verkündete den Mieter:innen diesen Januar, dass sie bis März 2026 ausziehen müssen, denn das Gebäude soll kernsaniert werden.

In einer Schriftlichen Anfrage machen drei Gemeinderät:innen den Stadtrat auf die Leerkündigung aufmerksam und fordern ihn auf, sich dazu zu äussern.

Schriftliche Anfrage der FDP an den Stadtrat

Die drei FDP-Gemeinderät:innen Jehuda Spielman, Marita Verbali und Flurin Capaul üben in der schriftlichen Anfrage Kritik: Es sei widersprüchlich, dass die Stadt selbst Leerkündigungen vornehme, während sie bei den «Sugus-Häusern» noch öffentlich den Schutz von Mieter:innen forderte. Die SEW lud die 16 Wohnparteien und die vier Gewerbetreibenden der Liegenschaft Mitte Januar zu einer Veranstaltung ein und informierte die Mieter:innen über die geplante Kernsanierung.

«Es kann nicht sein», sagt Spielman, «dass städtische Stiftungen Häuser kaufen, nur um dann die bestehenden Mieter:innen zugunsten von Sanierungen zu verdrängen». Er und seine Fraktionskolleg:innen fordern den Stadtrat auf, die Gründe für das Vorgehen offenzulegen, alternative Möglichkeiten zur Leerkündigung darzulegen und zu erläutern, ob Unterstützung für die betroffenen Mieter:innen angeboten wird. Der Stadtrat hat bis am 7. Mai 2025 Zeit, die Anfrage zu beantworten.

Stiftung «Einfach Wohnen» mit einfachen Standards

Die Stiftung «Einfach Wohnen» will sich dazu nicht äussern: «Die Antwort des Stadtrats darf von uns nicht vorweggenommen werden», heisst es auf Anfrage von Tsüri.ch. «Von Kündigungen betroffene Mieter:innen mit unbefristeten Verträgen erhalten Hilfe bei der Suche nach Ersatzwohnungen», betont die SEW. «Sie haben Vorrang beim Zurückkehren in eine sanierte Liegenschaft oder in andere Liegenschaften der SEW, sofern die Vorgaben betreffend Belegung und Einkommenslimiten respektiv Haushaltslimiten erfüllt sind.»

Auf der Webseite beschreibt die SEW ihr Ziel, preisgünstige, ökologisch vorbildliche Wohnungen und Gewerberäume anzubieten, die «über einen einfachen und nachhaltigen Standard verfügen». Die geplante Gesamtsanierung des rund 70-jährigen Gebäudes soll vor allem die Energieeffizienz verbessern, mit einem Fokus auf die Fassadensanierung, heisst es in der Kurzbeschreibung der Bauaufgabe.

Mietzinse steigen

Eine langjährige Mieterin, die anonym bleiben möchte, schildert ihre Perspektive: «Die Verwaltung hat uns gut informiert, und es gibt die Möglichkeit, nach dem Umbau zurückzukehren – sofern man es sich leisten kann.» Doch die geplanten Mietsteigerungen von 20 bis 30 Prozent seien für sie nicht tragbar. Sie habe von der Verwaltung bereits vor einem Jahr von den Sanierungsplänen erfahren, aber erst kürzlich sei klar geworden, dass eine Renovation ohne Leerkündigung nicht möglich sei.

FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman betont, dass bei einer städtischen Stiftung wie «Einfach Wohnen» der soziale Gedanke im Vordergrund stehen sollte. Spielman sagt, er sehe die politische Haltung der Stadt im Handeln der Stiftung nicht widergespiegelt.

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Nachdem Nina die Lehre als Restaurantfachfrau abgeschlossen hatte, besuchte sie eine Barschule in Miami und wanderte nach London aus. Die Pandemie brachte sie zurück und sie lernte die Schweiz neu kennen und lieben. Gleich darauf begann sie an der ZHAW Kommunikation zu studieren, um als Journalistin durchzustarten.

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Über das schreibe ich am liebsten:

Über gesellschaftliche Phänomene und unsichtbare Alltagsheld:innen.

Darum bin ich Journalistin:

«Warum» war schon immer mein Lieblingswort und es wurde mir noch nie langweilig, es unermüdlich zu ergründen.

Das mag ich an Zürich am meisten:

Den Skaterpark am Oberen Letten und die Tales Bar.

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Kommentare

MA
28. Januar 2025 um 23:42

30 Jahre Neoliberalismus

Das ist das Resultat von 30 bis 40 Jahren Neoliberalismus, wirtschaftliche Aushöhlung des Staates, des Gemeinwesens und -sinns und des sozialen Denkens, durch PPP-Projekte, Stiftungen, NGO's, eine künstlich narzisstisch gemachte dysfunktionale kulturalistische und akademische Linke, ein ausgehöhlter Planet, etc Jetzt crasht das System immer mehr durch äusseren und inneren Druck. Und die Verursacher:innen wissen nicht, was und wie ihnen geschieht und versuchen noch mehr in veraltetes Denken und Verhalten zu setzen, wodurch sie die Zerfallsprozesse im Kleinen und Grossen nur perpetuieren und beschleunigen. Aggressiver Lauch, dated und völlig lost. Und hat man in den letzten 30 Jahren versucht, das Kafkasche "Halt!" ("Auf der Galerie", Franz Kafka) einzuwerfen, wurde man hart niedergemacht. Neoliberale Kulturrevolution: als Erstes in "psychotisch"-vollselbstbesoffenem Zustand die "Alarmanlagen" im "Haus" zerstören. Selber schuld...

Rolf Schenk
29. Januar 2025 um 10:49

Kosten Nutzen Verhältnis stimmt nicht.

Bei vielen Sanierungen stimmt das Kosten/Nutzenverhältnis nicht. Mit der Erfahrung im Rucksack, meine REFH Bj. 1932 allein mit Innendämmung und Neuausbau des Dachzimmers über die Jahre von ca 14500kwh auf etwas unter 5000kwh Gas/Jahr reduziert zu haben, bin ich der begründeten Meinung, das auch ein MFH mit Innendämmung und neuen Fenstern viel erreicht werden kann. Ich habe mit ca 20% der Kosten einer Vollaussendämmung 80% Nutzen erreicht. Habe aber nochmal ein Potential von weiteren 1200kwh Reduktion mit Optimierung der Dämmung. Weshalb wird nicht öfter dieser Weg beschritten? Weil Architekten und Baufirmen so deutlich weniger man Sanierungen verdienen und weil in (nicht nur) in Zürich in Behörden und Politik zu viele faktenresistente Ideologen sitzen.

Charming
30. Januar 2025 um 10:01

Träumerei

Die erwähnten 20-30% höheren Mietzinse nach Sanierung müssen als Illusion bezeichnet werden. Wie in Beiträgen erwähnt wollen alle daran verdienen. Beispiele gibt`s in der Stadt genügend. Eher Faktor 2-3x so hoch ist realistisch. Faktisch kann jeder Betrag Kostenmiete sein. Störend ist die Tatsache, dass jetzt plötzlich Bürgerliche die rot-grüne Regierung anmahnen muss!