Stadtzürcher Pensionskasse

Nun kommt die ambitionierte Klimastrategie

Die Pensionskasse Stadt Zürich steigt demnächst aus Fracking-Investitionen aus und verschärft ihre Klimastrategie. Die BVK hingegen mauert weiter: Keine Transparenz, kein Kurswechsel – obwohl Milliarden an Vorsorgegeldern von Kantonsangestellten im Spiel sind.

BVK, Pensionkasse, Investitionen
Auch die stadtzürcher Pensionskasse investiert nicht nur klimafreundlich – doch die Strategie wurde angepasst. (Bild: WAV Recherchekollektiv)

Über hundert Jahre hatte die Geheimniskrämerei der Stadt- und Kantonszürcher Pensionskassen seit ihrer Gründung Bestand. Bis letzten Dezember, als Tsüri.ch zusammen mit den Rechercheorganisationen WAV und Correctiv.Schweiz grosse Teile der Investitionen der Stadtzürcher PKZH veröffentlichte. Zum ersten Mal waren damit Vorsorgegelder von sechzigtausend städtischen Angestellten im Wert von fast zehn Milliarden Franken einsehbar. 

Ganz anders die rund doppelt so grosse Kantonszücher Pensionskasse BVK: Sie hat den Zugang verweigert,obschon sie Milliarden an Vorsorgegeldern von Kantonsangestellten wie Lehrer:innen oder Gesundheitsangestellten verwaltet. Ihre Geschichte der Intransparenz geht damit weiter.  

Ein knappes Jahr später aktualisieren Tsüri.ch und WAV die Daten und die Geschichte wiederholt sich. Wieder hat die PKZH rund die Hälfte ihrer Investitionen zugeschickt, während die BVK den Zugang verwehrt. Zu wiederholen scheint sich auf den ersten Blick auch die klimaschädigende Wirkung der Investitionen beider Kassen, die die letztjährige Recherche trotz der begrenzten Transparenz aufzeigen konnte. 

Die Kritik etwa, Millionen in die weltgrössten Fracking-Unternehmen zu investieren, was Vorstösse im Gemeinde- und Kantonsrat nach sich zog, gilt noch immer. Rund 37 Millionen Franken sind es per Ende Juni 2025 bei der PKZH, was einem Rückgang von gerade mal drei Millionen Franken gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Aussagen im Nachhaltigkeitsbericht der BVK lassen sogar auf einen deutlich höheren Wert schliessen.

Kehrtwende bei der PKZH

Damit aber enden die Gemeinsamkeiten, denn die Fracking- und andere klimaschädliche Investitionen der PKZH dürften bald ein Ende haben. In einer doppelten Verschärfung hat die Stadtzürcher Pensionskasse ihre Ausschlusskriterien im April und September dieses Jahres angepasst. 

Wie aus der aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie hervorgeht, investiert sie ab dem 1. Dezember nicht länger in Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Fracking, dem Abbau von Öl- oder Teersanden oder der Förderung von Öl- beziehungsweise Gas in der Arktis erwirtschaften. 

Die weltgrössten Fracking-Konzerne wie Chevron oder Exxon Mobil übersteigen diesen Wert deutlich, wie Daten der«Global Oil and Gas Exit List» der deutschen NGO Urgewald zeigen. Dass diese Unternehmen künftig ausgeschlossen werden, erwartet auf Anfrage auch Jürg Tobler, Leiter des Geschäftsbereichs Vermögensanlagen bei der PKZH. Bestätigen könne er das zwar nicht, weil die finale Ausschlussliste noch nicht stehe, es decke sich aber im Wesentlichen mit seinen Erwartungen.

Damit hat die Stadtzürcher Pensionskasse eine Kehrtwende vollzogen. Noch im letzten Dezember schrieb sie auf Anfrage, dass Erdölfirmen ihr Geschäftsmodell ändern müssten und ein anhaltender Dialog «erfolgsversprechender als ein Ausschluss» erscheine. Gar noch in diesem Frühjahr hat sie neu ausgegebene Schuldpapiere von Chevron im Wert von rund 2,5 Millionen Franken gekauft, wie die jüngsten Investitionsdaten per Ende Juni zeigen. 

Nun, nur wenige Monate später, schliesst die Stadtzürcher Pensionskasse diese Unternehmen aus und begründet den Schritt mit Risikoüberlegungen. «Mit diesen Fördermethoden sind gravierende und anhaltende Umweltschäden verbunden, was auch für Investoren Risiken birgt», erklärt Tobler. Da die PKZH als Pensionskasse langfristige finanzielle Risiken zu adressieren versuche, spiele bei solchen Überlegungen um Risiko und Gewinn der Zeithorizont eine grosse Rolle. 

Anhaltspunkte, dass ein Ausschluss dieser Unternehmen im langfristigen Durchschnitt zwingend zu Renditenachteilen führen müsse, hätten sie hingegen nicht. «Wir gehen davon aus, dass unsere Positionierung sich phasenweise positiv und phasenweise negativ auf die Rendite auswirken wird.»

Ähnlich wie die PKZH argumentiert auf Anfrage in diesem Frühling auch die Pensionskasse des Kantons Genf, die aus Risikoüberlegungen gar sämtliche Öl- und Gasförderer ausschliesst, sofern diese nicht eine globale Erwärmung von weniger als 1,75 Grad unterstützen.

Business as usual bei der BVK

Besonders akut sind die klimabedingten finanziellen Risiken, wie das im Fachjargon heisst, bei Exxon Mobil. Der US-Konzern erschliesst weltweit am viertmeisten neue Öl- und Gasfelder, wie aus Urgewald-Daten hervorgeht. Berechnungen der Zürcher Privatbank Globalance zeigen zudem, dass das Unternehmen deshalb eine globale Erwärmung von über vier Grad unterstützt, während der Anteil erneuerbarer Energien beim US-Konzern gemäss einer aktuellen Studie der Universität Barcelona bei unter 0,5 Prozent liegt. Schliesslich ging ExxonMobil letztes Jahr gar soweit, Aktionär:innen zu verklagen, die an der Generalversammlung Anträge für mehr Klimaschutz eingereicht haben. 

Insbesondere letzteres hat auch Kantonszürcher Pensionskasse festgestellt. So beschreibt sie die Klagen von ExxonMobil ausführlich in ihrem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht und fragt: «Ist es nun Zeit, die Investition zurückzuziehen? Auf eine klare Antwort verzichtet die BVK, schreibt aber, dass sie ihre Unzufriedenheit über die gemachten Klimafortschritte an der nächsten Generalversammlung einfliessen lasse, was nur möglich ist, wenn sie weiter in den Konzern investiert. 

Die ebenfalls im Nachhaltigkeitsbericht genannte Möglichkeit, Unternehmen, «deren Geschäftsmodelle einen Übergang zu einer klimaverträglichen Wertschöpfung nicht oder nur bedingt ermöglichen im Einzelfall als Ultima-Ratio-Massnahme» auszuschliessen, zieht sie damit nicht.  Auf Anfrage verzichtet die BVK darauf, Fragen dazu zu kommentieren.

Die doppelte Verantwortung

Als Hüterinnen der Vorsorgevermögen und grösste Investorinnen der Schweiz kommt Pensionskassen eine doppelte Verantwortung zu. Zwar schreibt die PKZH auf Anfrage, dass die jüngsten Anpassungen in ihrer Klimastrategie keinen Zusammenhang mit den erstmals offengelegten Investitionen im vergangenen Dezember oder dem darauf folgenden politischen Vorstoss im Zürcher Gemeinderat hätte. Das Thema sei bereits im Herbst 2024 in den Gremien besprochen worden. Dass es aber überhaupt dazu kam, zeigt, wie wichtig breit geführte Debatten um Klimarisiken für Vorsorgevermögen wie auch natürliche Lebensgrundlage sind. Genau solche Debatten verhindert die BVK durch ihre anhaltende Weigerung, ihre Investitionen offenzulegen und auf Fragen zu ihrer Klimastrategie vertieft einzugehen.  

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