Sika: Kurzarbeit und Dividenden-Zahlungen an BlackRock

Der Milliardenkonzern Sika hat Dividenden in der Höhe von 326 Millionen Franken ausgeschüttet, während 10 Prozent der Belegschaft ab Mai auf Kurzarbeit ist. Recherchen von Tsüri.ch zeigen, die Gewinne fliessen aus der Schweiz ab, zum Beispiel zu BlackRock. Politiker*innen sind empört.

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Foto: Screenshot sika.com

«Keiner verfügt über mehr Geld als der amerikanische Finanzinvestor BlackRock. Über sechs Billionen Dollar verwaltet der Konzern. Kein anderer Konzern und keine Behörde der Welt besitzt heute einen so umfassenden Einblick in die globale Finanzwelt wie BlackRock», so Arte über die Dokumentation «BlackRock - Die unheimliche Macht eines Finanzkonzerns», welche vor kurzem auf dem Sender erschienen ist.

Und genau dieser Konzern hat am 21. April 2020 knapp 10,6 Millionen Franken Dividenden der Schweizer Bauchemie- und Klebstoffherstellerin Sika AG erhalten. BlackRock besitzt 3,24 Prozent der Aktien der Sika AG. Die Generalversammlung segnete alle Anträge des Verwaltungsrates ab. So wurde eine Dividendenausschüttung in der Höhe von 326,1 Millionen Franken beschlossen, was einer Dividende von 2,30 Franken pro Aktie entspricht. Das Unternehmen scheint zu florieren, trotz Corona. Noch Ende März verkündete Sika stolz, dass die Produktion trotz Pandemie und Wirtschaftskrise auf Hochtouren laufe.

Und jetzt? An der Generalversammlung vom 21. April vermeldete der Konzernchef Paul Schuler, Investitionen seien gestoppt worden, denn: «Auch Sika wird von der Krise betroffen sein, doch durch unsere Kundennähe in allen Ländern können wir schnell Opportunitäten wahrnehmen und somit weiter Marktanteile gewinnen», steht in einer Mitteilung.

Aus verlässlicher Quelle erfuhr Tsüri.ch, dass die Sika AG am Standort Tüffenwies in Zürich ab Mai Kurzarbeit einführen will. Nach mehrmaligem Nachfragen äussert sich die Firma gegenüber Tsüri.ch und bestätigt, dass Kurzarbeit eingeführt wird. Laut Mediensprecher Dominik Slappnig seien knapp 10 Prozent der Belegschaft betroffen. «Wir finden Kurzarbeit ein gutes Tool, in schwierigen Zeiten können wir so die Mitarbeitenden weiter beschäftigen», so Slappnig. Für die Klebstoffherstellerin hat Dividende und Kurzarbeit nichts miteinander zu tun: «Das ist Betriebswirtschaft, diese Diskussion müssen wir nicht führen. Auf der einen Seite ist die Dividende, welche für ein erfolgreiches letztes Jahr vom Konzern ausgezahlt wird und auf der anderen Seite haben wir die Kurzarbeit für unsere Mitarbeitenden, damit wir sie weiter beschäftigen können», sagt Slappnig und fügt an, dass Sika eine kerngesunde Firma sei.

Kerngesund und in ausländischer Hand

Auf Anfrage, wie viele der Aktien sich in ausländischem Besitz befänden, möchte das Unternehmen keine Antwort geben. Laut Recherchen der NZZ befanden sich 2019 60 Prozent der Aktien in Europa und 40 Prozent in der USA – keine in der Schweiz.

MarketScreener listet die grössten Aktionär*innen der Sika auf, darunter auch die «UBS Asset Management Switzerland AG» mit 1,72 Prozent der Aktien. Die grösste Aktionärin ist der französische Industriekonzern Saint-Gobain. Mit ihrem Anteil von 10,7 Prozent der Aktien stehen ihnen gut 35 Millionen Franken Dividende zu. Der Finanzinvestor BlackRock besitzt, wie bereits eingangs Text erwähnt, 3,24 Prozent der Aktien. In der Tat könnten es aber weitaus mehr sein, wie das Finanzmagazin «Finews» 2018 schrieb: «BlackRock hat aber 9,3 Prozent der Aktien unter Kontrolle, dank einem feinen Netzwerk von Tochterfirmen.» Der allergrösste Teil der 326,1 Millionen Franken Dividenden der Sika fliessen also aus der Schweiz ab.

Asozial, ich finde dieses Verhalten asozial und völlig unsolidarisch.

Claudio Schmid / SVP-Kantonsrat

Gewinne privatisieren, Verluste an die öffentliche Hand

Dividende ausschütten und gleichzeitig Kurzarbeit beantragen ist für SP-Nationalrätin Mattea Meyer falsch: «Die Gewinne werden so privatisiert und Verluste von der öffentlichen Hand getragen. Ich erwarte von grossen Unternehmen, dass sie ihre Finanzen nachhaltig führen.» Das Verhalten geht auch SVP-Kantonsrat Claudio Schmid gegen den Strich: «Asozial, ich finde dieses Verhalten asozial und völlig unsolidarisch.»

Ein grosser Konzern, welcher liquide sei, soll in Krisenzeiten auch selbst zur Kasse greifen und nicht die Kurzarbeit missbrauchen, um ihre eigenen Kosten tief zu halten und gleichzeitig Millionengewinne an Aktionär*innen – teils sogar im Ausland – auszuschütten, so Mattea Meyer. Wirtschaftsethiker Markus Huppenbauer sieht es ähnlich: «Mit dem Ausnutzen des staatlichen Eingriffes federn Aktionär*innen ihr Risiko ab. Sie sind also nicht bereit, das Risiko, das zum Investieren gehört, zu tragen.»

Die Möglichkeiten um Kurzarbeit im Rahmen der Corona-Krise zu beantragen, wurden bereits ausgeweitet und vereinfacht. Normalerweise wird die Arbeitslosenversicherung (SLV) hälftig von den Angestellten und den Arbeitgeber*innen gefüllt, wegen der aktuellen Krise beteiligt sich der Bund zusätzlich mit sechs Milliarden Franken aus dem Bundeshaushalt an der Arbeitslosenkasse.

Das Instrument Kurzarbeit sei eingeführt worden, um in Krisenzeiten Stellen zu erhalten, nicht um damit Löhne zu finanzieren, während der Gewinn an Aktionär*innen ausgeschüttet wird, sagt Mattea Meyer, welche Mitglied der Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) ist. Die SGK fordert, dass der Bundesrat Regelungen trifft: Firmen sollten bei Dividendenzahlung keine Kurzarbeitsentschädigung erhalten. Bei der Kredit- und Bürgschaftsvergabe hat der Bundesrat solche Regeln in Zusammenhang mit der Corona-Krise bereits etabliert: Solange nicht zurückbezahlt wird, darf kein Gewinn ausgeschüttet werden.

<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Dividenden trotz Kurzarbeit?</div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Kurzarbeit ermöglicht zahlreichen KMU das Überleben und sichern tausende Arbeitsplätze. <b>Das ist gut.</b> Doch davon profitieren auch solche, die es nicht nötig hätten: Grosse Unternehmen, welche ihre Aktionär*innen mit Corona-Steuergeld bedienen. Der Staat toleriert das; es sei eine «moralische Frage». <b>Wir finden: Es ist vor allem eine Frage, die eine gründliche Recherche verdient.</b> Mit dem Recherche-Crowdfunding haben wir bisher 12'800 CHF gesammelt. <b>Weitere Inhalte werden folgen.</b> <a href="https://tsri.ch/corona-recherche/"target="_blank">Willst du die weitere Recherche ermöglichen? Hier gehts zum Crowdfunding.</a> </a>

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2023-04-24 Portrait Lara

Bevor Lara zum Journalismus kam, hat sie eine Lehre als Innendekorateurin nicht abgeschlossen, die Handelsmittelschule gemacht, in der Gastro gearbeitet und in der Immobilienbranche Luft geschnuppert. Durch ein Praktikum beim Radio Rasa in Schaffhausen fand sie zum Journalismus. Daraufhin folgte ein Kommunikations-Studium an der ZHAW, gefolgt von einem Praktikum bei Tsüri.ch und eines beim Tages-Anzeiger. Seit 2020 schreibt Lara für Tsüri.ch, seit 2023 ist sie in der Geschäftsleitung. 

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Es gibt so viele spannende Geschichten, die erzählt werden müssen. Oder auch Dinge, wo wir genauer hinschauen sollten. Ich will Debatten aufzeigen, Sachverhalte verständlich machen und so das Stadtgeschehen in Zürich in Worte fassen und zugänglich machen. Und: Ich schreibe gerne.

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Ich mag den Helvetiaplatz, den süssen Duft vom Swissmill-Silo, den Bücherladen Paranoia City und die Badenerstrasse bei Sonnenuntergang.

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