Sexarbeiterin erzählt: «Ich wollte schnelles, einfaches Geld»

Drei Sexarbeiterinnen erzählen, wie sie den Weg in die Prostitution gefunden haben und was ihre Wünsche an die Gesellschaft sind, um mehr Akzeptanz zu schaffen. Auch Opfer des Geschäfts meldeten sich zu Wort.

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Foto: Thomas8047 (CC 2.0)

Schwarze Lederhandschuhe wärmen ihre dünnen Arme. Ein getigertes Shirt bedeckt ihren zierlichen Oberkörper. In der Hand hält sie eine Lederpeitsche. Lady Kate, so nennt sich die Frau, ist eine Domina. Als Domina übt Lady Kate an ihren Kunden*innen sadistische und dominante Praktiken aus. Gegen Geld. Doch Domina würde sich die Amerikanerin selbst nie nennen: «Ich bin ein Erotic Artist», so Lady Kate. Schliesslich bedarf es in ihrem Beruf viel Einfühlungsvermögen und Affinität. Eine falsche Bewegung könne der Kundschaft erheblichen Schaden zufügen.

Jeder fünfte Mann beansprucht sexuelle Dienstleistung

Im Rahmen von Kosmopolitics sprachen drei Sexarbeiterinnen über ihren Beruf und dessen Stigmatisierung und Diskriminierung. Der Andrang im Kosmos war gross - ganz nach dem Motto «Sex sells» : Bis auf die letzten Plätze versammelten sich Besucher*innen, um die Geschichten der Frauen zu hören. Zusammen mit Clementine, ehemalige Sexarbeiterin und Judith Aregger, Sexualtherapeutin sprach Lady Kate vor 500 Menschen über ihren Beruf. Trotz des Tabuthemas nehmen in der Schweiz rund 350 000 Männer jährlich die Dienstleistung Sex gegen Geld in Anspruch. Das betrifft jeder fünfte Mann zwischen 20 und 65 Jahren. Die Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration führt ausserdem auf, dass hierzulande jährlich zwischen 4 000 bis 8 000 Personen im Erotikgewerbe tätig sind.

Ich arbeite mit Menschen, die etwas mehr Mühe haben Sex zu kaufen.

Judith Aregger

Der Jahresumsatz ist enorm: Bis zu einer Milliarde Franken nimmt das Gewerbe jährlich ein. Doch die Sexarbeiterinnen dürfen nur einen geringen Teil ihres Verdienstes behalten. Auch die Podiumsdiskussions - Teilnehmerinnen wünschen sich eine bessere Regulierung ihres Gehaltes. Besonders die Sexualtherapeutin Judith Aregger wünscht sich mehr Anerkennung für ihre Tätigkeit. Schliesslich sei ihr sozialer Beruf sehr anspruchsvoll, da sie vorgängig Abklärungen mit Familien und Institutionen vornehmen müsse. «Ich arbeite mit Menschen, die etwas mehr Mühe haben Sex zu kaufen», sagte Aregger. Sprich: Menschen mit psychischen oder physischen Schwierigkeiten. Doch, wie kommt man dazu - und dann noch als Schweizerin mit Maturaabschluss - einen solchen Beruf auszuüben? «Ich wollte schnelles, einfaches Geld», so Aregger. Nach mehreren Jahren Sexarbeit absolvierte sie ein Studium als Übersetzerin. Da sie jedoch den sozialen Kontakt vermisste, kehrte sie wieder in die Sexarbeit zurück.

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Clementine, Judith Aregger, Lady Kate und Moderatorin Brigitte Hürlimann (von links)

«An einem Wochenende verdiente ich bis zu 2 000 Franken»

Lady Kate begab sich der Liebe wegen in das Sexgeschäft. Sie war schwer verliebt in eine Schweizer Frau und um einen Abstand zu schaffen suchte sie die Sexualität mit Männern. Ihre Dienste bietet sie nicht nur Männern, sondern auch Frauen an. Auch bei der Polin Clementine, die heute Zimmer an Sexarbeiterinnen vermietet, war Geld die Motivation. «An einem Wochenende verdiente ich bis zu 2 000 Franken», sagte sie. Ausserdem hätte sie Geld und Sex schon immer gemocht. Deshalb wünscht sie sich, dass Sexarbeiterinnen keine Scham mehr vor ihrem Beruf haben und als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen werden.

Wo bleiben die Opfer?

Keiner der selbstständigen Sexarbeiterinnen hat während der 60-minütigen Diskussion die Wörter Opfer, Ausnutzung und Gewalt in den Mund genommen. Doch wo sind sie, die Opfer der Prostitution? Sind sie erfunden? Nein. Da waren sie: Unter uns - im Publikum. Drei ehemalige Sexarbeiterinnen hatten den Mut und erzählten von ihren psychischen und physischen Leiden, die die Arbeit als Prostituierte mit sich trugen. Ihre Stimme zitterte. Ihre Wut war spürbar. War es Wut gegenüber den Tätern, gegenüber sich selbst oder gegenüber den drei Frauen auf der Bühne, die ihren Beruf beschönigten? Ich weiss es nicht. Doch diese Diskrepanz zeigt, dass mehr über diesen tabuisierten Beruf geredet werden muss. Von Menschen innerhalb und ausserhalb dieses Gewerbes.

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