Rücktritt von Corine Mauch: Die Stadtpräsidentin hat das Spiel der Macht durchgespielt

Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch wird bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten. Der Entscheid ist vernünftig und kommt zum richtigen Zeitpunkt. Ein Kommentar.

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Die Stadtpräsidentin Corine Mauch geht – sie hat das Spiel der Macht verstanden.

Noch ziemlich genau ein Jahr dauert die Zürcher Legislatur – an deren Ende wird Corine Mauch 17 Jahre Stadtpräsidentin von Zürich gewesen sein. Wie sie am Montag vor den Medien bekannt gab, wird sie nicht erneut antreten. 

Bis zuletzt konnten Beobachter:innen und auch ihre Partei selbst nicht so recht einschätzen, ob Mauch nochmals kandidieren will. Trotz sehr langer Amtszeit habe die Stadtpräsidentin wieder motivierter gewirkt, sagte kürzlich ein Parlamentsmitglied. 

Was gibt es Besseres, als eine motivierte Politikerin, die nach 17 Jahren freiwillig zurücktritt. Die Amtszeit begann mit grosser Symbolik: Mauch war die erste Frau in diesem Amt und auch die erste queere Person. Nach und nach wuchs sie in das Amt hinein, anfängliche Kritik, sie sei in der Öffentlichkeit nicht präsent genug, verschwand mit der Zeit.

Die grosse Leidenschaft der Stadtpräsidentin galt der Hochkultur: Im Schauspielhaus, im Kunsthaus und auf dem Teppich des Zurich Filmfestivals konnte Mauch aufblühen. Doch ausgerechnet der Tiefpunkt, der grösste Kontrapunkt in der Amtszeit der Stadtpräsidentin liegt auch in diesem Bereich. 

Der Umgang mit dem Bührle-Erbe im Neubau des Schauspielhauses meisterte die Kulturministerin nicht sehr geschickt. Immer wieder tauchten neue Erkenntnisse über die Sammlung auf, eine deutsche Zeitung titelte «in Zürich stinkt’s» und eine Schweizer Zeitung forderte gar den Rücktritt von Mauch, weil sie die Sache nicht unter Kontrolle bekam. 

In ihre Amtszeit fällt aber auch die Verschärfung der Wohnkrise und auch der Umbau zur Velostadt ist Mauch nicht geglückt. Klar, die Verantwortung für Wohnen und Mobilität liegen nicht im Departement des Präsidiums, doch als Vorsteherin der Regierung hätte auch sie mit mehr Vehemenz die wichtigsten Probleme der Bevölkerung anpacken können.

Meist ist es Sozialdemokratin gelungen, sich aus dem politischen Alltag herauszuhalten. Mit einiger Eleganz schwebte sie über den kleineren Querelen, sie bot fast keine Angriffsfläche, auch in Interviews sucht man vergebens nach markigen Statements.

Die Stadtpräsidentin hat das Spiel der Macht durchgespielt, zieht im Hintergrund die Fäden und lächelt nach aussen, ohne sich eine Blösse zu geben. 

In einem Jahr geht eine grosse Zürcher Politikkarriere zu Ende, in dieser Zeit hat sich Corine Mauch zu eigenen Marke entwickelt, fernab jeglicher Parteipolitik.

Die SP hat angekündigt, bis im Sommer ihre Kandidierenden präsentieren zu wollen. Man munkelt, der aktuelle Stadtrat Raphael Golta und die Nationalrätin Céline Widmer hätten Ambitionen auf das Amt. Entscheiden wir die Mitgliederversammlung. Das Stimmvolk wird vermutlich, wie meistens, der Empfehlung der Partei folgen.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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