Unfaire Tarife? ZVV verlangt für analoge Tickets im Bus mehr als das Doppelte

Beim Zürcher Verkehrsverbund gilt: Ist der Akku leer, zahlt Du mehr. Ein analoges Ticket kostet in Regionalbussen schnell mal das Doppelte. Zockt der Betrieb Senior:innen und Menschen ohne Smartphone ab?

ZVV Zürcher Verkehrsverbund
Der Ticketverkauf in ZVV-Regio-Bussen wurde Ende 2024 aufgrund veralteter Geräte eingestellt – eigentlich. (Bild: Wikipedia)

Eigentlich ist der Ticketverkauf in ZVV-Bussen seit Ende 2024 offiziell abgeschafft. Der Grund: Veraltete Verkaufsgeräte, deren Ersatz «wirtschaftlich nicht mehr tragbar» sei, so der ZVV. Trotzdem gibt es als Übergangslösung das sogenannte «Zeit-Ticket» – mit saftigen Aufpreisen.

Das «Zeit-Ticket» dient quasi als Notlösung für Fahrgäste, die kurzfristig kein digitales Ticket kaufen können – etwa, wenn der Smartphone-Akku leer ist und kein Ticketautomat in der Nähe steht. 

Es soll die Zeit bis zum nächsten Ticketautomaten überbrücken. Doch die Übergangslösung hat ihren Preis: In vielen Fällen kostet die gleiche Strecke mehr als das Doppelte eines regulären Tickets: Dieses Billett ist wahlweise für 15 oder 60 Minuten gültig, kostet sechs beziehungsweise neun Franken und ist nur bis zum nächsten Ticketautomaten gültig.

ZVV Zeit-Ticket
Preisliste für das neue «Zeitticket». Besonders zu Buche schlagen die Zonen 110 und 120. (Bild: Screenshot ZVV)

«Für Fahrten in die/aus den Zonen 110 (Stadt Zürich) und 120 (Stadt Winter­thur) oder innerhalb dieser Zonen ist immer eine Gültigkeit von 60 Minuten erforderlich», schreibt der ZVV auf der Webseite.

Heisst übersetzt: In der Stadt kostet das analoge Billett neun Franken – egal wie kurz die Strecke ist.

Preis bewusst hoch angesetzt

Jörg Mäder, Mitglied der Zürcher GLP-Parteileitung, kritisiert das Vorgehen: «Bei einem Technologiewechsel darf die finanzielle Last nicht einseitig auf jene abgewälzt werden, die auf das alte System angewiesen sind.» Ein moderater Aufpreis für analoge Tickets sei vertretbar, doch eine Verdoppelung des Preises gehe zu weit, so der frühere Nationalrat.

«Der Preis wurde bewusst so hoch angesetzt, damit diese Tickets nur im Notfall verkauft werden müssen, sodass die Fahrer:innen sich auf die Fahrt konzentrieren können», erklärt die ZVV-Medienstelle, und weiter: «Mit dem neuen Ticket entfallen die teils komplizierten Ticketverkäufe sowie das Herauszählen von Rückgeld beim Fahrpersonal.»

Der ZVV betont, dass das «Zeit-Ticket» lediglich eine Übergangslösung sei. Bis wann? «Bis auf Weiteres», heisst es beim ZVV.  Als Begründung verweist der Verkehrsverbund darauf, dass bereits rund 75 Prozent der Fahrgäste ihr Ticket digital kaufen. Von den verbleibenden 25 Prozent nutzen die meisten einen Automaten.

Nicht nur Senior:innen betroffen

Doch genau dort liegt das Problem: In vielen Regionen – wie im Fall des Zürcher Unterlands – gibt es keinen Automaten in der Nähe, sodass Fahrgäste auf das teurere «Zeit-Ticket» angewiesen sind. Besonders betroffen sind in solchen Fällen Senior:innen, Menschen ohne Smartphone oder Kinder, die weder Smartphone noch eine Kreditkarte besitzen.

Peter Burri Follath vom Verband Pro Senectute appelliert an die Kulanz von Service-Public-Angeboten, und sieht auch die Jüngeren betroffen: «Die Digitalisierung stellt nicht nur Seniorinnen und Senioren vor grosse Herausforderungen, sondern auch jüngere Menschen.» 

Mit dem Problem konfrontiert, betont der ZVV, dass es genügend Alternativen gäbe: etwa die 1500 Ticket-Automaten im ZVV-Gebiet, die Mehrfahrtenkarten oder die Hotline, für die zwar kein Smartphone, jedoch ein Swisspass nötig ist.  

Ein weiteres Problem: Auch auf der im März 2024 eingeführten Hotline, mit der auch ohne Smartphone Tickets gekauft werden können, fallen höhere Preise an, wie eine kurze Recherche im Internet zeigt: So hat ein Senior für ein Ticket, das sonst 2.40 Franken kostet bei der Hotline 5.50 Franken bezahlt, wie Bluewin.ch und 20 Minuten übereinstimmend berichten. Laut ZVV liegt dies jedoch nur daran, dass eine Papierrechnung ausgestellt wurde.

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