Podium zum Vorkaufsrecht: Bodenpreise stoppen – aber wie?
Die Mieten steigen, der Boden wird knapp – und teuer. Mit einem kantonalen Vorkaufsrecht sollen Gemeinden künftig einfacher Land erwerben können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Am vergangenen Mittwoch diskutierten vier Expert:innen darüber, wie sinnvoll das Vorkaufsrecht wirklich ist.
Bauland im Kanton Zürich wird immer teurer: Laut Zahlen des Kantons lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis im Jahr 2024 bei 5'795 Franken. Auch die Mietpreise ziehen deutlich an – für eine neu vermietete 90-Quadratmeter-Wohnung werden rasch rund 3'000 Franken pro Monat fällig, wie der Tages-Anzeiger berichtet. Ein Ende des Preisanstiegs ist nicht in Sicht.
Wie lässt sich diese Entwicklung stoppen? Die kantonale Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich» setzt genau hier an: Sie will Städten und Gemeinden ein Vorkaufsrecht bei grösseren Landverkäufen einräumen. Hinter dem breit abgestützten Komitee stehen Vertreter:innen von SP, Grünen, GLP, Mitte, EVP, AL sowie den Wohnbaugenossenschaften Zürich.
Das vorgeschlagene Vorkaufsrecht würde es der öffentlichen Hand ermöglichen, Grundstücke zum vereinbarten Preis zu erwerben – bevor diese an renditeorientierte Investor:innen weiterverkauft werden. So soll die Grundlage dafür geschaffen werden, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht und weniger Boden in den Besitz grosser Immobiliengesellschaften übergeht.
Doch kann dieses Instrument den Wohnungsmarkt wirklich entlasten?
Im Rahmen des Fokusmonats Wohnen diskutierten am vergangenen Mittwoch im Kino Riffraff vier Expert:innen die Initiative und mögliche Alternativen. Am Podium am 18. Juni sprachen Rosmarie Quadranti (Stadträtin Illnau-Effretikon), Patrick Tscherrig (Verband Wohnbaugenossenschaften Zürich), Ulrich Kriese (Stiftung Edith Maryon) und Mario Schnyder (Pensionskasse Nest). Moderiert wurde die Veranstaltung von Helene Obrist (Redaktorin Tages-Anzeiger).
Rosmarie Quadranti, Stadträtin Illnau-Effretikon: «Es ist illusorisch zu glauben, dass sich jede:r eine Stadtwohnung leisten kann.»
Rosmarie Quadranti sitzt im Initiativkomitee der Volksinitiative. Für sie ist das Vorkaufsrecht eines von mehreren Puzzlesteinen, die es für eine Verbesserung der Bodenpreissituation brauche.
Die Initiative ermögliche Wohnungen auf Kostenmietenbasis, die langfristig günstiger bleiben. Doch sie warnt vor falschen Erwartungen: «Zu meinen, dass sich auf einmal jede:r eine Wohnung in der Stadt wieder leisten kann, ist definitiv illusorisch.»
Sie plädiert für eine breite Palette an wohnpolitischen Instrumenten wie eine gezielte Wohnbauförderung. Für radikale Lösungen hat sie wenig übrig: «Damit ist man in der Schweiz noch nie weitergekommen. Im Gegenteil: Anstatt einen Schritt voraus, macht man drei zurück.»
Mario Schnyder, Pensionskasse Nest: «Ohne preisgünstigen Wohnraum werden wir scheitern.»
Mario Schnyder von der Pensionskasse Nest bringt die Perspektive institutioneller Anleger in die Debatte ein – und blickt kritisch auf das Vorkaufsrecht. Dieses führe seiner Einschätzung nach nicht zu tieferen Grundstückspreisen, sondern treibe die Preise sogar weiter in die Höhe.
Als Vertreter einer Pensionskasse steht Schnyder zudem unter einem besonderen gesetzlichen Rahmen: Pensionskassen dürfen keine Kostenmieten anbieten, heisst, mit ihren Wohnungen müssen sie Rendite machen. Dies legt der Bundesrat mit der jährlichen Mindestverzinsung der Pensionsgelder fest. «Irgendwann profitieren wir aber alle davon», sagt Schnyder, «denn wir hoffen, im Alter gut von unserer Rente leben zu können.»
Die zentrale Herausforderung sieht er jedoch woanders: Alle Akteur:innen am Immobilienmarkt müssten dazu gebracht werden, günstiger zu bauen – oder zumindest einen Anteil bezahlbarer Wohnungen zu realisieren. Nur so lasse sich der Druck auf dem Wohnungsmarkt wirksam lindern.
«Es ist unbestritten, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum brauchen. Aber das Vorkaufsrecht bringt uns diesem Ziel nicht näher.»
Patrick Tscherrig, Verband Wohnbaugenossenschaften Zürich (WBG): «Wem gehört die Bodenrente?»
Für Patrick Tscherrig vom Verband Wohnbaugenossenschaften Zürich ist klar: Die Zeit zu handeln ist jetzt. Auch wenn es auf den ersten Blick teuer sei, wenn Gemeinden heute Boden kaufen, zahle sich das in Zukunft aus. «Man muss langfristig denken und jetzt handeln», so Tscherrig.
Ein zentrales Thema für ihn ist die sogenannte Bodenrente – also die Wertsteigerung des Bodens, ohne dass Eigentümer:innen aktiv etwas dafür tun. «Wem gehört die Bodenrente und wer soll sie haben?», fragt er und beantwortet gleich selbst: Sie soll bei der Allgemeinheit bleiben.
Ulrich Kriese, Stiftung Edith Maryon: «Ich bin für radikale Lösungen»
Auch Ulrich Kriese, Mediensprecher der Stiftung Edith Maryon, stellt die Bodenrente ins Zentrum seiner Kritik. Punktuelle Eingriffe reichen ihm nicht: Das Vorkaufsrecht für Gemeinden sei zwar wichtig, aber lediglich ein erster Schritt.
Eigentümer:innen würden von Bodenwertsteigerungen profitieren, ohne selbst etwas dafür getan zu haben, so Kriese. Diese, von der Gemeinschaft geschaffenen Gewinne, entstünden durch die Attraktivität der Städte. Entsprechend müsse die Bodenrente systematisch abgeschöpft und der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden, etwa für den Bau bezahlbaren Wohnraums.
«Ich bin für radikale Lösungen, weil es radikale Lösungen braucht», betont Kriese. Nur tiefgreifende Reformen könnten das Bodenrecht sozial und gerecht gestalten.
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Vera hat an der Universität Zürich Politikwissenschaft und Geschichte der Neuzeit studiert. Während ihres Studiums engagierte sie sich als Vorstandsmitglied im Fachverein Polito, wo sie verschiedene Events organisierte und Diskussionen zu aktuellen politischen Themen mitgestaltete. Ihr Interesse an Medien und politischer Teilhabe führte sie in den Bereich Civic Media, wo sie seit April 2025 als Praktikantin tätig ist.