Podium zu nachhaltigem Bauen: «Schlussendlich ist es eine politische Frage»
Noch immer zählt die Baubranche mit 80 Prozent des Schweizer Abfallaufkommens zu den grössten CO2-Verursacherinnen. Während Neubauten Unmengen an Rohstoffen verbrauchen, vernichten Abrisse riesige Summen an grauer Energie. Gibt es nachhaltiges Bauen? Und wenn ja, wie? An diese und andere Fragen wagten sich die Podiumsgäst:innen vergangenen Mittwoch im Kulturpark Zürich.
«Bauen verursacht Emissionen, das ist unvermeidbar», eröffnet Annette Aumann vom Hochbauamt der Stadt Zürich die Podiumsdiskussion am Mittwochabend im Kulturpark. Jedoch vermerkt sie, dass Nachhaltigkeit drei Aspekte beinhaltet: ökologische, ökonomische und soziale. Um beispielsweise den Bedarf an Wohnungen und Schulen zu stillen, muss gebaut werden. «Die Frage ist aber, wie wir es am nachhaltigsten machen», fügt Aumann an.
Ähnlich sieht dies auch Rico Travella der Alternativen Bank Schweiz. «Es gibt nachhaltigeres Bauen, so beispielsweise durch die Verwendung von effizienten Materialien.» Damit spricht Travella einen wichtigen Diskussionsteil des Abends an. Schnell wird durch das Gespräch deutlich, dass es so etwas wie ein Wundermittel nicht gibt. «Leider wird es auch in absehbarer Zukunft kein Null-Emissionen-Material geben», so Aumann.
Secondhandshop für Bauteile?
«Ein Gebäude muss man wie Legosteine auseinander nehmen und zu einem neuen bauen können», so Travella. Mit diesem Ansatz beschreibt er, wie sich die Bauherr:innen an den Gedanken gewöhnen können, langfristig und klimaschonend zu bauen. Aber gibt es überhaupt einen Marktplatz für Bauteile? «Ja es gibt eine Bauteilbörse, dabei stellen sich aber neue Fragen.» Gibt es genug Teile zur Verfügung oder passen diese wirklich?«Ein Lager für grössere Elemente wie Fensterscheiben gibt es dabei nur selten», kritisiert Aumann.
Schnell fällt auch der Begriff Kreislaufwirtschaft. Diese beschreibt das oben genannte Prinzip der Bauteilchen-Wiederverwertung. Wie Aumann ausführt, ein noch sehr neues Gebiet. Es brauche Zeit, um diese in der Breite zu skalieren. Doch an Zeit fehle es, da sind sich die vier Gäst:innen einig.
Bauen als politischer Entscheid
Ein alternativer Vorschlag bringt Alex Schärer von der Profond Vorsorgeeinrichtung. Zwar sieht er auch ein, dass komplett klimaneutral bauen noch Wunschdenken ist, aber er lenkt die Richtung des Podiumsgesprächs auf neue Technologien, die helfen CO2 einzusparen oder dieses gar aus der Luft entziehen können. Laut Schärer könne so ein Gleichgewicht der Emissionen wiederhergestellt werden. Es scheitere aktuell aber am Geld. Wenn man möchte, könnte man morgen auf allen Dächern Solaranlagen installieren. Wie kommt es also dazu, dass nicht die ganze Stadt mit Solaranlagen ausgestattet ist?
Grund dafür sieht Andreas Gysi der Stiftung PWG in einem Interessenkonflikt. «Oft kosten aufwändige Sanierungen viel Geld und die Bauherr:innen müssen diese im Nachhinein bei den Mieten eintreiben.» Günstige Mieten oder nachhaltig Bauen? Die Antwort darauf ist eine politische. Zu sagen, dass hinter der Blockade im Bauwesen eine politische Mehrheit steht, wäre zu kurz gegriffen. «Dennoch wurde aber durch die Wahlen klar, für welche Werte sich die stimmberechtigte Gesellschaft entschieden hat», so Schärer.
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