Pflegeaushilfe: «Ich erlebe, wie Menschen an Covid-19 sterben und wie unkontrollierbar dieses Virus sein kann»

Am 28. November kommt die Pflegeinitiative vor die Urne. Wir haben bereits zu Beginn dieses Jahres mit Kim* über ihren Arbeitsalltag und die Corona-Pandemie gesprochen. Die 27-Jährige arbeitet als Aushilfe in einem Zürcher Pflegezentrum. Durch diese Arbeit änderte sich ihre Sichtweise auf die Pandemie.

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Illustration: Artemisia Astolfi

Dieses Interview erschien ursprünglich am 2. Februar 2021.

Lara Blatter: Wie bist du als nicht ausgebildete Pflegefachkraft in einem Pflegezentrum gelandet?

Kim*: Da Corona mittlerweile viele Pflegezentren erreicht hat, gibt es natürlich auch Ausfälle bei den Fachkräften. Die Pflegezentren in Zürich hatten diesen Winter deshalb Stellen als Covid-Aushilfen ausgeschrieben. Eine pflegerische Vorbildung war nicht nötig. Ich stehe noch mitten in meinem Studium. Ich bewarb mich und eine Woche später stand ich bereits auf der Quarantänestation und unterstützte das Team.

Also von der Uni direkt auf die Quarantänestation – wie war das?

Intensiv. Aufgrund mangelnder Kapazitäten wurde ich nur wenig vorbereitet und musste mich selbstständig um meine Einführung kümmern. Da auf unserer Station Menschen an Covid-19 sterben, bin ich zum ersten Mal mit toten Menschen konfrontiert worden.

Wie ist die Stimmung bei euch im Pflegezentrum?

Ich empfinde die Stimmung als bedrückend, ungeduldig und gestresst, aber ich habe keinen Vergleich zur «normalen» Situation im Pflegezentrum. Im Team wird viel gemunkelt, zum Beispiel, dass es Kontrollen gibt, ob wir unsere Arbeitszeiten einhalten. Obwohl wir tendenziell Überstunden machen. Um pünktlich auf der Station zu sein, muss ich eine halbe Stunde früher dort sein. Die Schutzkleidung anzuziehen, braucht viel Zeit, die nicht zur Arbeitszeit zählt. Für das Pflegezentrum steht der Schutz der Bewohner:innen und jener der Mitarbeiter:innen im Zentrum. Dennoch standen uns während der Isolation nicht genügend FFP2-Masken zur Verfügung und es gab im Team weiterhin Neuansteckungen.

Ich verdiene pro Stunde 22 Franken brutto.

Kim*

Wie reagieren die Bewohner:innen auf die Isolation?

Die Stimmung ist teilweise kaum auszuhalten. Viele – zum Beispiel demente Menschen – verstehen nicht, warum sie isoliert werden, warum sie im Zimmer bleiben müssen, warum sie keinen Besuch empfangen dürfen und warum wir mit Operationskittel, Masken und Schutzbrillen rumlaufen. Da sind ganz viele Fragezeichen vorhanden. Ich nehme mir oft Zeit, um mit ihnen darüber zu sprechen und ihnen die Situation genauer zu erklären.

Welche Gefühle kommen in dir hoch, wenn du an die vergangenen Monate denkst?

Ich habe eine neue Sichtweise auf die Pandemie gewonnen. Als Pflegehelferin erlebe ich, wie Menschen an Covid-19 sterben und wie unkontrollierbar dieses Virus sein kann. Es gibt ständig neue Ansteckungen, obwohl wir alles geben, um uns und die Bewohner:innen zu schützen. Das ist ein unschönes Gefühl. Aber es ist auch schön, helfen zu können und mitzukriegen, was die Menschen an der Spitze zur Bekämpfung der Pandemie leisten. Die Arbeit rüttelte mich wach.

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Der VPOD schrieb im Dezember: «Das Gesundheitspersonal leidet unter unterdotierten Stellenplänen, tiefen Löhnen und unzureichendem Gesundheitsschutz.» Inwiefern merkst du das?

Ich habe den Eindruck, dass die Stationsleiter:innen zu wenig Kapazität haben, um gut strukturierte und durchdachte Schichtpläne zu schreiben. Alle arbeiten am Limit und die Kommunikation untereinander wird im Alltagsstress zu wenig gepflegt. Jeder Tag bringt neue Überraschungen und Richtlinien von oben. Diese müssen wir uns manchmal selber zusammensammeln. Und tiefe Löhne sind kein neues Thema, dazu muss ich nicht viel sagen. Für mich als Studentin ist das einer meiner strengsten und gleichzeitig schlecht bezahltesten Jobs.

Wie stehst du zur Impfung?

Dem Pflegezentrum ist es sehr wichtig, dass sich möglichst viele Mitarbeiter:innen impfen lassen und werben dementsprechend fleissig dafür – was mich persönlich stört. Ich sehe es als Privileg, dass ich die Möglichkeit erhalte, mich impfen zu lassen. Ich entschied mich trotzdem gegen eine Impfung zum jetzigen Zeitpunkt. Ich sehe die Impfung als keinen konsequenten Schutz, da ich trotzdem weiterhin Menschen anstecken könnte.

Was ist dein Lohn und dein Arbeitspensum?

Ich verdiene pro Stunde 22 Franken brutto.

*Name und Arbeitsort der Redaktion bekannt. Zum Schutz der Interviewten sind ihre Namen sowie ihr genauer Arbeitsort nicht erwähnt.

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