Planzer-Fahrer: «Körperlich und mental bin ich am Ende»

Kund:innen beschweren sich vermehrt über den Paketdienst Planzer, weil Bestellungen immer wieder falsch abgeliefert werden. Nun kritisieren Mitarbeitende und Gewerkschaft die Arbeitsbedingungen.

Pakete gestapelt in Lieferwagen
Mit dem Suchen des richtigen Pakets würden Fahrer:innen oftmals viel Zeit verlieren. (Bild: Unsplash/Claudio Schwarz)

Kürzlich suchte jemand im sozialen Netzwerk Reddit Personen, die sich gut in Zürich auskennen. «Planzer hat mein Paket an der falschen Adresse abgestellt und mir dieses Foto geschickt. Wo ist es?», schreibt die Person und postet dazu ein Foto von zwei Paketen, die vor einem Hauseingang liegen. 

Nur kurze Zeit später antwortet jemand anderes im Netzwerk, das Foto könnte den Eingang der Badenerstrasse 110 zeigen, der grosse Ähnlichkeit mit der abgebildeten Türe hat. Doch als die fragende Person vorbeigeht, sind die Pakete bereits weg, wie sie auf Reddit schreibt.

Reddit-Post
Das Paket wurde offenbar am falschen Ort abgeliefert. (Bild: Screenshot: Reddit/Collage Tsüri.ch)

Es ist kein Einzelfall. In der Kommentarspalte teilen mehrere Personen ähnliche Erfahrungen, die sie mit dem Paketzusteller Planzer gemacht haben. Die Rede ist von falsch zugestellten Paketen oder an der Strasse abgestellten Lieferungen, die dann gestohlen werden. Auch die Google-Bewertungen zeichnen ein solches Bild. Dort kommt das Unternehmen auf gerade mal zwei Sterne bei über 500 Bewertungen. Die Gründe sind dieselben.

Bereits seit einiger Zeit steht die Firma Planzer in Kritik. Anfang 2024 kritisierte ein Fahrer im Newsportal 20 Minuten «chaotische Zustände» und falsch beladene Fahrzeuge. Er müsse bei der Auslieferung manchmal über die Pakete klettern, um die richtige Sendung zu finden. «Die Gefahr, dass ich mich dabei verletze, ist gross», sagte er. 

Planzer wehrte sich jedoch gegen die Vorwürfe und betonte, es handle sich dabei um eine Momentaufnahme. «Wir wollen in Sachen Qualität die Besten sein und sind auch auf gutem Weg», sagte ein zuständiger Sprecher. Im Jahr zuvor hatte das Unternehmen zusammen mit der Gewerkschaft Syndicom und dem Personalverband Transfair einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) erarbeitet, der die Arbeitsbedingungen verbessern sollte.

Nur wenige Minuten, um ein Paket abzuliefern

Doch wie sich nun zeigt, hat dieser nur begrenzt Verbesserungen gebracht. Dies bestätigt ein Fahrer, der mit Tsüri.ch anonym gesprochen hat. Er erklärt, weshalb es zu so vielen falsch zugestellten Paketen kommt.

«Das grösste Problem sind eigentlich die schlecht geplanten Touren», sagt er. «Wir beliefern Gebiete von Rapperswil bis Aargau», sagt er, wobei viele der Fahrer:innnen jeden Tag eine neue Strecke mit jeweils 200 Stopps zugeteilt bekämen. «Wenn man die Strecke noch nicht kennt, ist es fast unmöglich, die Pakete in der vorgegebenen Zeit am richtigen Ort abzuliefern.» 

Zumal zwischen den einzelnen Stopps zum Teil nur wenige Minuten eingeplant seien. «Oft braucht man aber schon bis zu fünf Minuten, um das richtige Paket zu finden, da die Fahrzeuge so chaotisch beladen sind.»

«Das ist kein Leben, körperlich und mental bin ich am Ende.»

Planzer-Fahrer

Bis im Juni letzten Jahres sei die Situation erträglich gewesen, doch dann habe es eine Systemanpassung gegeben – mit der Begründung, das alte System sei «nicht rentabel» gewesen.

Nun hätten die Fahrer:innen wieder Schwierigkeiten, die Arbeitszeit einzuhalten. «Seit dem GAV haben wir eine 44-Stunden-Woche, aber Feierabend macht man eigentlich erst, wenn man alle Pakete ausgeliefert hat», sagt der Fahrer. Dies habe zur Folge, dass die Fahrer:innen häufig im Stress seien, keine Pausen machten und die Zeit dennoch nicht reiche. «Das ist kein Leben, körperlich und mental bin ich am Ende», sagt er. 

Das Transportunternehmen arbeitet mit sogenannten Qualitätsboni von 1'200 Franken, die den Fahrer:innen einmal pro Quartal ausbezahlt werden, vorausgesetzt, ihre Arbeit bleibt frei von Mängeln.

Den Bonus ganz zu erhalten, sei aber praktisch unmöglich, sagt der Fahrer. «Ich glaube, es ist einfach ein Argument, mit dem sie die Leute locken wollen.». Er selbst habe noch nie den kompletten Bonus ausbezahlt bekommen.

Die aktuelle Arbeitssituation bei Planzer sei ein «Totalschaden». Es gebe keinen Respekt gegenüber den Fahrer:innen, «nie übernimmt jemand Verantwortung, immer ist jemand anderes Schuld an den Problemen», sagt er. Entschuldigt habe sich noch nie jemand.

Gewerkschaft fordert Verbesserungen

Seine Ausführungen werden von der Gewerkschaft Syndicom bestätigt. Syndicom-Sprecher Matthias Loosli sagt, dass es seit dem Inkraftreten des GAV 2023 materielle Verbesserungen wie eine Arbeitszeitreduktion zu gleichem Lohn, einen 13. Monatslohn ab erstem Dienstjahr und generelle Lohnerhöhungen gegeben habe, doch die Gewerkschaft kritisiert die Arbeitsbedingungen weiterhin. 

«Von unseren Mitgliedern erfahren wir natürlich aus erster Hand, wie es um die Arbeitsbedingungen steht», sagt Loosli. Das Hauptproblem sei vor allem die schlechte Arbeitsorganisation von Planzer. 

Diese variiere zwar von Standort zu Standort. Doch grundsätzlich liesse sich festhalten, dass die 44-Stunden-Woche immer wieder überschritten werde. 

Hinzu kämen schlecht geplante Touren, kurzfristige Änderungen der Dienstpläne, schwere Pakete und schlecht geladene Fahrzeuge.

«All das führt zu Stress, Druck und Frust bei den Zusteller:innen», sagt Loosli. «Das ist eine gefährliche Mischung für Angestellte, die sich täglich im Strassenverkehr bewegen.»

Planzer betont Bemühungen

Auf Anfrage schreibt Jan Pfenninger, Leiter Marketing & Kommunikation von Planzer: «Wir verfolgen als Schweizer Logistikunternehmen das Ziel, der beste Dienstleister zu sein. Dieses Ziel erreichen wir nur mit zufriedenen und motivierten Mitarbeitenden.»

Dem Unternehmen sei bewusst, dass in einem Massengeschäft nicht immer alles reibungslos funktioniere. «Fehler können vorkommen, und wir bedauern jeden einzelnen.» Entscheidend sei, daraus zu lernen und sich laufend zu verbessern, schreibt Pfenninger.

In Zürich sei eine Person ausschliesslich für die Einsatzplanung zuständig. «Die Fahrerinnen und Fahrer bekommen die Einsatzplanung für die nächsten vier Wochen.» Kurzfristigen Änderungen würden im Normalfall zwei Wochen vorher kommuniziert.

Dennoch könne es aufgrund von sehr kurzfristigen Schwankungen im Arbeitsanfall, personellen Engpässen oder Ereignissen während einer Tour zu kurzfristigen Anpassungen bei den Dienstplänen kommen. So könne es vorkommen, dass die 44-Stunden-Woche überschritten werde. Dies geschehe jedoch in Absprache. «Diese Überstunden liegen im gesetzlichen Rahmen und werden kompensiert», schreibt Pfenninger.

Auch könne es vorkommen, dass Fahrzeuge nicht optimal beladen seien. «In Zürich gab es kürzlich einzelne Fälle.» Durch gezielte Schulungen hätten jedoch bereits deutliche Verbesserungen erzielt werden können.

Seit der Einführung des GAV 2023 habe sich die Situation ausserdem positiv entwickelt. Mit der Gewerkschaft würden alle drei Monate Treffen durchgeführt , bei Bedarf auch ausserordentlich. «Diese offene Kommunikation ermöglicht es uns, Anliegen schnell aufzunehmen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten», schreibt Pfenninger.  

Und er betont: Planzer zahle einen Lohn, der durchschnittlich neun Prozent über dem Mindestlohn gemäss GAV liege und die Arbeitszeiten würden dem Branchendurchschnitt entsprechen. 

Für Matthias Loosli von der Syndicom gehen die Massnahmen jedoch nicht weit genug: «Die Gewerkschaft Syndicom erwartet endlich einen Effort seitens Planzer-Paket, die Anliegen der Angestellten ernst zu nehmen und für spürbare Verbesserungen zu sorgen».

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sofie

Sofie studiert an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie 2022 zunächst über das Civic Media Praktikum. 2024 kehrte sie als Projektleiterin und Briefing Autorin zurück und schob noch das Redaktionspraktikum nach. Für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit.

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