Ziegelhütte tischt Blut-Brownies von kastrierten Stieren auf
Die Wirtschaft Ziegelhütte lädt zur Ochsen-Metzgete. Dabei landen auch Herz und Magen auf dem Teller. Ist das der Fleischkonsum der Zukunft?
Fast 70 Meter über dem Schwamendingerplatz steht ein hübsches Haus im Grün: die Ziegelhütte. Seit 2010 bewirtschaftet Rose Lanfranchi die Beiz gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Stefan Tamò.
Im März dreht sich in der Ziegelhütte alles um zwei ganz besondere Gäste: Vasco und Galileo, zwei Schwamendinger Bio-Ochsen vom Huebhof. Ihre Zeit auf der Weide ist zu Ende – und die Reise endet dort, wo sie mit Respekt und handwerklichem Können verwertet werden: auf den Tellern der Ziegelhütte. Die Metzgete folgt dabei dem «Head-to-Tail»-Prinzip, bei dem das Tier möglichst vollständig verwertet wird, also «von Kopf bis Schwanz».
Ist das Vorgehen auch ein politisches Statement? Inhaberin Rose Lanfranchi verneint, viel eher eine Philosophie und der Ausdruck einer Haltung, die wie folgt geht: «Wenn Fleisch, dann so» – das bedeutet: ganze Tiere, nachhaltige Verwertung und ein bewusster Umgang mit Ressourcen.
Das Ziel der Wirtin sei, dass möglichst wenig im Abfall lande, während Fleischkonsum weiterhin erlaubt bleibe. Und so bietet die Wirtschaft ein «Ox»-Erlebnis, das von Zunge über Kutteln bis hin zum Brownie mit Rinderblut reicht.
Einen Ochsen – also einen kastrierten Stier – von Kopf bis Schwanz restlos zu verwerten, scheint eine Kunst für sich. «Wir haben eine rollende Planung und wechselnde Menükarten, wenn beispielsweise die beiden Zungen nach wenigen Tagen vergriffen sind, ersetzt eine Vorspeise mit Herz das Zungen-Gericht», erklärt Lanfranchi.
Die Menüfolge folgt einem durchdachten Rhythmus: Auf Schmorfleisch folgen Short Ribs, darauf das Brisket – und so geht es weiter, Stück für Stück, bis das Tier ganz verwertet ist.
Doch eines bleibt: die Rindswurst. «Jenstes» gebe es davon, sagt Lanfranchi. Zum Glück, denn die Wurst mit einem Hauch Zitronenschale zählt zu den besten Gerichten auf der Karte. Und der Blut-Brownie? Schmeckt nicht im Geringsten nach Blut.
Herbivore mitgedacht
«Wenn kein Fleisch, keine Panik», versprechen die Wirtsleute weiter. Wer es lieber vegetarisch mag, geht auch nicht hungrig nach Hause. Die Gerichte sind so konzipiert, dass fast alle auch ohne Fleisch auskommen – einige sogar komplett vegan. Doch warum denkt bei einer Metzgete überhaupt jemand an Veggies?
«Wir wollen niemanden ausschliessen», sagt Lanfranchi. Als Ausflugsbeiz erst recht nicht – schliesslich kommen oft Gruppen, in denen nicht alle Fleisch essen. Und auch wenn die grosse Mehrheit der Gäst:innen nach wie vor zu Fleisch greife, gäbe es für die Minderheit immer mehrere vegetarische und vegane Hauptgerichte, die eigenständig überzeugten, aber auch mit Fleisch ergänzt werden könnten.
Die Küche der Ziegelhütte ist eine Liebeserklärung an das Simple. Viele der Zutaten kommen aus der direkten Umgebung, vom benachbarten Huebhof etwa, dazu gibt es eine feine Auswahl an Weinen aus der Schweiz und dem nahegelegenen Ausland.
Vieles kommt aus unmittelbarer Nähe, aber nicht alles. Auf der Karte finden sich Anfang März auch Spargeln. Sie schmecken, können aber kaum lokal sein? «Wir sind nicht dogmatisch», sagt Lanfranchi dazu, «im Frühling nehmen wir oft das erste Gemüse aus Italien».
Das Wichtigste sei, dass es nicht aus einem beheizten Treibhaus komme. Das Gemüse aus Italien sei aus sonnenbeheizten Tunnels, und der Transport per Lastwagen falle dabei umwelttechnisch verhältnismässig wenig ins Gewicht, habe sich die Wirtin von einer Fachperson bestätigen lassen.
Vom 5. bis 30. März werden Vasco und Galileo in der Ziegelhütte aufgetischt – in Form von raffinierten Gerichten, die den ganzen Ochsen würdigen. Eine Metzgete, die nicht nur satt macht, sondern auch zum Nachdenken anregt: Wie essen wir Fleisch und wie können wir es besser machen?
Die Ziegelhütte hat eine Antwort darauf. Und sie schmeckt.
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Sofiya Miroshnyk begann ihre berufliche Laufbahn als Chemielaborantin mit einer Ausbildung beim Labor Spiez und anschliessender Tätigkeit bei Givaudan. Nach ihrer Weiterbildung über die BMS am Inforama Zollikofen und der Passerelle am Gymnasium Neufeld studierte sie Philosophie, Politik und Wirtschaft an der Universität Luzern.
Bereits während des Studiums entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Journalismus und sammelte erste Erfahrungen bei Tink.ch, wo sie später als Chefredaktorin tätig war. Nach einem Praktikum bei SRF in der Sendung SRF-Schawinski war sie ein halbes Jahr Produzentin bei Schawinski, danach arbeitete sie drei Jahre als Produzentin und Redaktorin bei der SRF-Arena. Es folgten Stationen bei Blick TV und der NZZ am Sonntag. Derzeit ist sie als Redaktorin beim SRF-Club tätig und arbeitet parallel in einem befristeten Teilzeitpensum bei Tsüri.ch.