«Wenn wir nochmal so ein Tonstudio bauen, dann jetzt»
Die Stadt macht beim Umbau des Koch-Areals zügig vorwärts. Wo sich einst die bekannteste Zürcher Besetzung befand, entstehen rund 350 Wohnungen, ein Park und ein Gewerbehaus. Auch die 571 Recording Studios werden dort einziehen.
«Ab 2026 wird im Zürcher Koch-Quartier gewohnt, gearbeitet und flaniert», verspricht die Webseite des Kochquartiers. Genossenschaftliche Wohnungen für 900 Menschen sollen hier entstehen. Grün Stadt Zürich gestaltet den Quartierpark, die Senn AG kümmert sich um das Gewerbehaus namens «Mach». 80 Prozent der Gewerbeflächen sind bereits vermietet, ab Anfang 2026 sollen diese bezugsbereit sein.
Zwischen Justin Timberlake und SRF-Dokus
Auch die Musikproduzenten Manfred Zazzi und Thomas Fessler werden ins «Mach» einziehen. Seit 22 Jahren betreiben die beiden unweit des Koch-Quartiers die 571 Recording Studios. Im Studio entstehen Produktionen aus unterschiedlichen Bereichen – von Pop und elektronischer Musik bis hin zu SRF-Dokumentationen und Hörbüchern. Auch Justin Timberlake war schon für eine heimliche Aufnahme-Session bei den beiden im Studio. Bei dessen Besuch seien die Paparazzi absichtlich auf eine falsche Fährte gelockt worden, damit er in Ruhe im Studio aufnehmen konnte.
Nach 23 Jahren muss das Studio von Zazzi und Fessler umziehen. Ihr Equipment können die beiden an den neuen Ort mitnehmen. (Bild: Dominik Fischer) Die acht freischwebenden Studioräume hingegen müssen neu aufgebaut werden. (Bild: Dominik Fischer) Im neuen Gewerbehaus Mach kommen ihnen die Raumhöhe vom 5,7 Metern und die verhältnismässig günstigen Mieten gelegen. (Bild: Dominik Fischer)
Der Einzug ins «Mach» ist für die beiden Sound-Spezialisten ein Glücksfall, denn ihre Wirkungsstätte an der Badenerstrasse wird bald abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. «Wenn wir nochmal so ein Tonstudio bauen, dann jetzt. Wir sind nicht mehr die Jüngsten und es ist eine Riesen-Investition», sagt Zazzi.
Mit dem Umzug ins Gewerbehaus wollen sie deshalb auch die inoffizielle Nachfolge des Tonstudios regeln. So ziehen neben Fessler und Zazzi auch der 30-jährige Andri Urfer und der 35-jährige Luca Burkhalter als Geschäftspartner mit ein. Burkhalter ist Produzent, Songwriter und Keyboarder der Zürcher Band Baba Shrimps, Urfer ist Musiker, Musikproduzent und Tontechniker und hat bereits seine Lehre im «571» absolviert.
Wenn das «Mach» fertig ist, werden sie noch mehrere Monate für die Inneneinrichtung aufwenden. «Das bedeutet viel Arbeit, schlaflose Nächte und Sorgen um die Finanzierung», erzählt Zazzi. Acht separate, jeweils freischwebende Tonstudios sollen am neuen Ort entstehen, so schalldicht, dass mehrere Studios gleichzeitig verwendet werden können, ohne sich in die Quere zu kommen. «Für die speziellen Anforderungen eines Tonstudios ist der neue Ort perfekt», sagt er. So kommen ihnen die Raumhöhe von 5,7 Metern und die verhältnismässig günstigen Mieten gelegen.
Auch Yoga-Studios und Tech-Startups ziehen ein
Rund zehn Jahre lang war das Koch-Areal besetzt. Anfang 2023 schliesslich räumte die Stadtpolizei das gesamte Areal. Schon jetzt sind unter dem denkmalgeschützten Dach, das an frühere Zeiten erinnert, neue Stühle und Bänke installiert, im Juni wurde der Park eröffnet. Er soll zum «grünen Herz» des Koch-Quartiers werden und Begegnungen fördern, schreibt die Stadt. Im nächsten Jahr werden die ersten Mieter:innen und Gewerbe dazukommen.
Auf den rund 15'000 Quadratmeter Fläche des «Mach» haben sich neben den 571 Recording Studios bereits ein Fitness-Studio, der Flash Kurier, ein ETH-Robotik-Unternehmen und eine Yogaschule eingemietet. Der Powerbank-Verleih Chimpy zieht von der nahegelegenen Baslerstrasse hinzu, ebenso wie ein Modeunternehmen, das Umstandsbrautkleider etwa für Schwangere herstellt.
Diverses Gewerbe, hohe Standards
Auch für das Erdgeschoss ist der Senn AG ein Coup gelungen: Dort wird auf der gesamten Fläche Walter Buchmann einziehen. Die Traditionsbäckerei verlegt ihre gesamte Produktion an den neuen Standort und errichtet ein Café mit 100 Sitzplätzen. 2018 war die Produktion vom Standort Binz – in unmittelbarer Nähe der einstigen berüchtigten Binz-Besetzung – nach Brüttisellen verlegt worden. Nun kehrt sie nach Zürich zurück und hat im Koch-Quartier einen 30-Jahresvertrag abgeschlossen, im Oktober 2026 wird die Bäckerei eröffnet.
Johannes Eisenhut, Geschäftsführer der Senn Development AG, sagt: «Die Tatsache, dass wir fast alle Flächen im «Mach» schon vermietet haben, zeigt, dass das Konzept aufgegangen ist.» Die Stadt pocht bei allen Bauprojekten auf dem Areal auf Nachhaltigkeit. Auch das «Mach» werde mit Solarpanels versehen und habe die höchste Zertifizierung «Platin» des SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) erhalten, sagt Simon Koch von der Senn AG.
Die Wohnhäuser setzen ebenfalls auf Photovoltaik. Aus ökologischen Gründen legen die Genossenschaften keine Tiefgarage an – wer in der Siedlung wohnen möchte, darf kein Auto besitzen und muss sogar eine Verzichtserklärung unterschreiben. Auch Katzen sind aufgrund der Dichte nicht erlaubt. Die Wohnhäuser werden auch Gewerbe und Gastronomie Raum bieten, so ziehen der Zirkus Chnopf und das Zirkusquartier im Gebäude der Genossenschaft Kraftwerk1 ein.
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Bachelorstudium in Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich, Master in Kulturanalyse und Deutscher Literatur. Während des Masters Einstieg als Redaktionsmitglied in der Zürcher Studierendenzeitung mit Schwerpunkt auf kulturellen und kulturkritischen Themen. Nebenbei literaturkritische Schreiberfahrungen beim Schweizer Buchjahr. Nach dem Master Redaktor am Newsdesk von 20Minuten. Nach zweijährigem Ausflug nun als Redaktor zurück bei Tsüri.ch