Nach 102 Jahren: Café Bauer am Albisriederplatz schliesst

Das Café Bauer schliesst per Ende August. Das Geschäftsmodell rentiere nicht mehr, sagen die Eigentümer. Die Stammkundschaft trauert.

Cafe-Bauer-Albisriederplatz
Das «Bauer» steht seit 1922 am Albisriederplatz.

Ein Zettel hängt am Eingang und informiert die Kundschaft: Das Café Bauer schliesst per Ende August. «Wir bedauern es sehr und bedanken uns herzlichst bei ihnen für ihre langjährige Treue und ihr Vertrauen.» Die schlichte Nachricht steht in starkem Kontrast zur langen Geschichte, die hier bald zu Ende geht. 1922 wurde der Familienbetrieb am Albisriederplatz eröffnet, wo Badenerstrasse und Albisriederstrasse in den Kreisverkehr münden. Seit 102 Jahren kehrt man im «Bauer» ein: Auf dem Weg zur Arbeit, für ein Erdbeertörtchen zum Dessert oder das Gipfeli am Sonntagmorgen nach der Party.

Doch jetzt ist Schluss. «Leider hat sich das Geschäftsumfeld in den letzten Jahren stark verändert», sagt Dominique Widmer von der Suan Long Enge AG zu Tsüri.ch. Suan Long führt das Bauer seit 2015. Der Blick berichtet ebenfalls über die Schliessung.

Teure Fixkosten und neue Konkurrenz führen zum Ende

Im Bauer würde noch viel vor Ort in Handarbeit produziert und zusammen mit den gestiegenen Preisen für Personal und Produkte könne man mit den Grossverteilern und Grossbäckereien nicht mehr mithalten. Zusätzlich habe der Einzug einer weiteren Bäckerei am Albisriederplatz einen Teil des notwendigen Umsatzes abgegraben.

Schlussendlich sei man zum Entschluss gekommen, die Bäckerei zu schliessen. Schweren Herzens, wie die Verantwortlichen schreiben.

Bauer Café
Die Nachricht an die Kundschaft. (Bild: Nina Graf)

Bereits einmal an der Schliessung vorbeigeschrammt

1922 eröffnete Anton Albert Bauer die Bäckerei im Familienbetrieb. 1949 wurde das Haus ausgebaut und die Produktion ins Untergeschoss verlegt, in den 80er-Jahren dann die Café-Konditorei komplett umgebaut.

Vor knapp zehn Jahren stand es um die Zukunft des Bauer bereits einmal unsicher. Damals verkauften Beatrix Beck-Bauer und ihr Sohn Michael Beck das Geschäft. Das Familienunternehmen sei wirtschaftlich gesehen auf keinen grünen Zweig gekommen, berichtete Michael Beck 2015 dem Tagesanzeiger.

Die Suan Long Enge AG kaufte ihnen den Betrieb ab. In die Ladenfläche wurde auf der einen Seite ein chinesisches Restaurant des gleichnamigen Unternehmens integriert, auf der anderen Seite blieb das Café mit Confiserie. Draussen blieb das Bild unverändert mit brauner Fassade und rosa Schrift. Auf diese Art konnte das Lokal bleiben, denn ein Albisriederplatz ohne Café und Confiserie Bauer? «Unvorstellbar», urteilte der Tagesanzeiger damals – Und nun ist das Undenkbare doch eingetreten.

Danach nur noch asiatisches Angebot

Beim Besuch am Donnerstag präsentiert sich das Bauer, als wäre alles wie immer. Zwei Verkäuferinnen stehen hinter der Theke und verkaufen Sandwiches, Wähenstücke oder Cappuccinos an die Kundschaft, die den Laden betritt.

Im kühlen Innenraum sitzt eine Frau mit grauweissen Haaren am Tisch. Sie ist in der Nähe des Albisriederplatzes geboren und aufgewachsen und wohnt auch heute noch hier. Ins Bauer gehe sie seit ihrer Kindheit. Die Nachricht der Schliessung sei ein Schock, aber: «Es ist vor allem auch ein Zeichen dafür, wie sich die Stadt allgemein verändert.» 

Bis Ende August gibt es das die Bäckerei also noch, dann ist Schluss. Das Suan Long wird den Standort behalten und «mit einem ganzheitlichen asiatischen Konzept neu bespielen», wie das Unternehmen schreibt. Geplant seien Frühstück, Lunch mit einer grossen Take-Away-Auswahl sowie Abendessen. Ein Grossteil der Mitarbeiter:innen werde im Betrieb bleiben, neun Personen, die in der Produktion und dem Verkaufsgeschäft arbeiten, könnten allerdings nicht übernommen werden.

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Zwei Wochen noch gibts die beliebten Erdbeer- und Schwedentorten. (Bild: Nina Graf)

Im Tea Room macht eine Busfahrerin ihre Schichtpause. An den runden Tischen draussen sitzen zwei junge Frauen und schwatzen, nebendran die Kinder im Wagen. Auf der anderen Seite hin zur Badenerstrasse sitzen ältere Herren alleine am Tisch. Einer hat eine Stange vor sich, der andere einen Café Crème. Rundherum braust wie immer der Verkehr. Autos biegen in den Kreisverkehr ein, schneiden einander den Weg an, der Bus der Linie 72 kommt um die Ecke, auf der Traminsel warten Leute.

Einer der letzten «normalen Orte» verschwindet



Es sei genau diese Durchmischung, die sie am Café Bauer so schätze, erzählt eine Tsüri-Leserin später am Telefon. Sie hat die Nachricht der Schliessung mit der Redaktion mit den Worten geteilt «Jetzt fällt auch noch der Albisriederplatz».

Seit 17 Jahren wohnt sie an dem Platz und ist Stammkundin im Café: «Das Bauer ist kein cooler Ort. Hier ist nichts fancy, aber auch nicht heruntergekommen. Es ist einfach ein normales Café, wo ein Querschnitt der Stadtbevölkerung zusammenkommt. Solche Plätze gibt es in Zürich nicht mehr viele.»

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