Resti-Tipps zum Jahresende von der Gastro-Insiderin
Zürich ist eine Gastro-Stadt. Welches Angebot hat dieses Jahr am meisten überzeugt? Und was kommt 2026 auf den Teller? Der kulinarische Jahresrück- und ausblick mit Gastronomin Zarina Friedli.
Zarina Friedli ist Weinhändlerin, Gastronomin und die Pop-ups Chlapff, Kleintierpraxis und neu Bravo Bar, die sie mit ihrem Kollektiv organisiert, sorgen regelmässig für Aufregung. Tsüri.ch trifft die 33-Jährige zum gastronomischen Jahresrückblick und fragen nach Tops und Flops, nach dem besten Suff und wo wir nächstes Jahr einen Tisch reservieren müssen.
Nina Graf: Wo gab es 2025 das beste Essen in Zürich, Zarina Friedli?
Zarina Friedli: Ich war oft im Heisswein an der Konradstrasse, in der Kantine oder im norwegischen Restaurant Frisk Fisk im Niederdörfli – der Seafood dort überzeugte sogar meine finnische Begleitung. Abgesehen davon habe ich viele Pop-ups ausprobiert, wie die Djang-Djang-Noodles im Milieu oder das fantastische vietnamesische Essen von Jana Heiniche im Freddy.
Und wo den besten Suff?
Das war wohl im Sommer, im Garten vom Parki. Wir haben einen herrlichen Nachmittag im unteren Letten verbracht, uns dann von einem Apero zum nächsten gehangelt. Auf dem Parki sass dann gefühlt die halbe Stadt und wir sind so richtig verhöcklet. Ein perfekter Sommerabend.
Welches war die überraschendste Neueröffnung?
Definitiv das Capet beim Idaplatz, das zweite Projekt der Silex-Gründer:innen. Als ich da zum ersten Mal reinspaziert bin un den Holzkohlegrill gerochen habe, habe ich mich zu meiner Begleitung gesagt «hier riecht es genau wie in den Pariser Restaurants, die ich so mag und in Zürich nie gefunden habe».
Mit dem Elmira und dem Rosi schliessen zwei Fine Dining Restaurants Ende Jahr. Ist das Zufall oder Omen?
Das Rosi sucht ja nach was Neuem, verschwindet also hoffentlich nicht ganz. Aber viele Orte, die dieses Jahr in Zürich eröffnet haben, verfolgen ein Bistro-Konzept. Kleine Karte, simple Gerichte. Die Leute scheinen sich nach einfacherem Essen zu sehnen. Auch ich suche immer öfters Orte, wo mich das Essen an Zuhause erinnert und durch Produktnähe überzeugt.
Die Clubs beklagen sich darüber, dass die Leute weniger ausgehen und kaum mehr trinken – merkt das die Gastronomie auch?
Die Leute sind immer noch unterwegs, aber die Kosten steigen und alle schauen mehr aufs Geld. Und: Die Leute wollen vermehrt nüchtern sein. Bei Blume Wein [Anm. Weinhändlung, Friedli ist dort Co-Geschäftsführerin] haben wir das non-alkoholische Angebot massiv ausgebaut in den letzten Jahren. Was auch daran lag, dass mein Geschäftspartner Paul [Blume] selber kaum mehr trinkt und wir uns auch damit auseinandersetzen mussten, wie Weinhandel mit Nüchternheit zu verbinden ist, ohne die Identität zu verlieren.
Zürich wird von ein paar Gastrounternehmen dominiert. Inwiefern ist da Vielfalt überhaupt möglich?
Eine der grössten Herausforderungen ist es, einen Ort zu finden, wo man den Mietpreis einigermassen bezahlen kann. Dazu kommen die teilweise utopisch hohen Ablösesummen, die Wirt:innen für Inventar, Kundenstamm, Mietvertrag von den neuen Mieter:innen verlangen. Diese Kombination führt dazu, dass es sich eigentlich nur noch grosse Ketten leisten können.
«Wenn die Stimmung passt, muss die Qualität überzeugen – dann wird das Projekt zum Selbstläufer.»
Zarina Friedli
Wurde Zürich deswegen zur Pop-up-Restaurant-Stadt?
Das ist sicher ein Grund. Bei Restaurants auf Zeit muss aber viel Energie in Aufwand, Planung und die Prozesse mit den Behörden gesteckt werden. Etwa bei der Abgabe eines Lärmschutzkonzeptes. Ich glaube aber, dass Menschen in Zürich auch einfach neugierig sind auf Neues und darum Pop-ups so gut funktionieren.
Eure Pop-ups sind jeweils ein garantierter Hype, was ist das Rezept?
Bei unseren Projekten arbeiten wir im Kollektiv mit sechs bis zehn Leute zusammen.Einige kenne ich schon seit acht Jahren, wobei immer ein, zwei neue Köpfe dazukommen. So fliessen viele Ideen in das Projekt ein, unsere Freund:innen werden auch involviert und schlussendlich wird es zu einem Community-Projekt.
Was ist wichtiger: Ein überzeugendes Angebot oder ein grosses Netzwerk?
Beides. Man braucht ein Netzwerk an Gäst:innen, das man aktivieren kann und das dann auch auftaucht. Niemand will alleine in einer Bar sitzen. Und wenn die Stimmung passt, muss die Qualität überzeugen – dann wird das Projekt zum Selbstläufer.
Gleichzeitig gelten Pop-ups als Vorboten der Gentrifizierung eines Quartiers – mit euren Projekten seid ihr ein Teil davon.
Das ist so. Zwei New Yorkerinnen haben einen Guide dazu geschrieben, wie sich Gastronom:innen mit ihrer Rolle in der Gentrifizierung auseinandersetzen sollen. Den finde ich sehr hilfreich.
«Natürlich kann man sagen, man müsste die Orte leerstehen lassen, [...] aber ich habe vielmehr Lust, die Stadt mitzugestalten.»
Zarina Friedli
Was steht da drin?
Dass du dich über das Quartier und seine Bevölkerung informierst, bevor du einen Mietvertrag unterzeichnest: Wer wohnt da, was ist die Geschichte des Ortes? Aber auch, was sind die Pläne der Eigentümerschaft? Oder – wenn du bereits ein Lokal besitzt – dass du die Nachbarschaft einbindest, dich mit lokalen Organisationen vernetzt.
Habt ihr für euch No-Gos definiert?
Ja. Wir haben auch schon einen Mietvertrag gekündigt.
Warum?
Oft gibt es an den Orten, wo Zwischennutzungen stattfinden, Auseinandersetzungen zwischen der Vormieterschaft und dem Eigentümer. An dem Ort gab es zu viel Streit und schlechte Vibes. Schlussendlich war’s dann ein Abwägen.
Wenn Pop-ups so kontrovers sind, warum macht ihr sie trotzdem?
Natürlich kann man sagen, man müsste die Orte leerstehen lassen, aber auch das stoppt die Gentrifizierung nicht. Ich habe darum vielmehr Lust, die Stadt mitzugestalten und zu schauen, dass Zürich lebendig bleibt.
Schauen wir aufs neue Jahr: Wird das Sharing-Konzept mit kleinen Tellern verschwinden?
In Berlin oder Kopenhagen wird das immer noch zelebriert. Und was dort geschieht, beeinflusst Zürich. Das Konzept kann ja auch simpel umgesetzt werden – dann sagt man Tavolata dazu.
Der Fleischkonsum steigt wieder, Orte wie die vegane Bakery-Bakery verzichten auf das Logo «vegan». Ist pflanzenbasiertes Essen vorbei?
Gar nicht, technologisch passiert ja wahnsinnig viel. Ich würde eher sagen, die vegane Küche kommt mehr aus der Nische raus. Die Menschen denken nicht mehr in Entweder-oder-Kategorien, sondern konsumieren sowohl pflanzenbasierte als auch tierische Produkte.
Trinken wir 2026 noch Orange Wine?
Garantiert. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob all die Leute, die Orange Wine bestellen, Orange Wine auch wirklich gern haben. Am besten laufen die leicht marzerierten, die eher an Weisswein erinnern.
Wo soll ich hin für einen Abend mit Freund:innen? Ins Gül. Viele Restaurants werden schlechter, wenn man mit einer grossen Gruppe essen geht, das Gül wird besser. Ich denke, das liegt an der türkischen Küche und Gastfreundlichkeit. Auch die Ziegelhütte ist ein Klassiker. Und Leuten, die noch nie in Zürich waren, zeige ich jeweils die Südhang-Austernbar.
Wohin mit den Eltern?
Mit meiner Mutter treffe ich mich oft zum Mittagessen und letztens waren wir im Saravanaa Bhavan an der Limmatstrasse. Da gibt es richtig, richtig geiles indisches Essen.
Und wohin für ein Date?
Die Kronenhallenbar ist ein Klassiker. Immer lustig ist es in der Campingbar in Wiedikon. Da kriegt ihr einen halben Liter gespritzten Weisswein und Lösli zum aufrubbeln. Die Bar wird von einer alten Frau geführt und ist biz «chrümschelig»
Was bedeutet «chrümschelig»?
Wenn die Deko altbacken ist und der ganze Laden aus der Zeit gefallen scheint. Es wäre schade, wenn diese Orte aus Zürich verschwinden.
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Aufgewachsen am linken Zürichseeufer, Master in Geschichte und Medienwissenschaft an der Universität Basel. Praktikum beim SRF Kassensturz, während dem Studium Journalistin bei der Zürichsee-Zeitung. Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem SNF-Forschungsprojekt zu Innovation im Lokaljournalismus. Seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung von We.Publish. Seit 2023 Redaktorin bei Tsüri.ch.