«Kreislaufwirtschaft ist einfach ein Narrativ für Netto-Null»
Am vergangenen Mittwochabend, 14. Juni, debattierte ein hochkarätig besetztes Panel über Status quo und Zukunft der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz.
Zirkuläre Pioniere
Den Einstieg machte FREITAG Nachhaltigkeitsdatenspezialist Moritz Fiertz. In einem kurzen Vortrag erklärte er das grundsätzliche Konzept der zirkulären Wirtschaft, das darauf basiert, Rohstoffe möglichst lange in Kreisläufen zu behalten, bevor sie im Abfall landen. In seinem Vortrag zeigte er ausserdem auf, wie Freitag nebst den Lastwagenplanen in vielen weiteren Bereichen Anstrengungen unternimmt, das Geschäftsmodell zirkulär aufzubauen.
Die zweite Keynote drehte sich vor allem um den letzten Kreislauf, den Produkte nehmen: Das Recycling. Judith Bellaiche, Swico Geschäftsführerin und GLP-Nationalrätin schilderte, wie der Branchenverband Elektrogeräte recycelt, wenn sie am Ende ihres Lebenszyklus angelangt sind. Die Umweltleistung liegt darin, die verbauten Rohstoffe wieder in Kreisläufe zu bringen. So können jährlich 3 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Diese freiwillige Branchenlösung ist ein Erfolgsmodell, das seit dreissig Jahren existiert, kostendeckend funktioniert und alle Hersteller:innen miteinbezieht.
Geht es jetzt vorwärts mit der Kreislaufwirtschaft?
Kommt nun die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft? Mit dieser Frage startete Moderatorin Vanessa Caravina die Diskussionsrunde. Stadtrat Andreas Hauri schilderte zum Anfang die Kreislaufstrategie der Stadt Zürich, welche mithelfen soll, die Stadt auf ihrem Absenkpfad Richtung Netto-Null zu bringen. Die Stadt unterstützt in diesem Rahmen unter anderem die Entwicklung von kreislauffähigen Geschäftsmodellen.
Genau bei diesen nachhaltigen Geschäftsmodellen setzte Andri Bodmer an. Der Projektleiter bei SQS zertifiziert mit dem Label Circular Globe die Kreislauffähigkeit von Unternehmen. Aktuell seien nur wenige Unternehmen tatsächlich auf dem Niveau, dass sie als kreislauffähig zertifiziert werden können, meint Bodmer. Viele Unternehmen brauchen aktuell noch Unterstützung, um ihre Geschäftsmodelle auf Zirkularität auszurichten.
An der Umstellung zur Zirkularität arbeitet aktuell auch Coop. Guido Fuchs der Stv. Leiter Nachhaltigkeit schilderte dazu Erstaunliches aus den eigenen Nachhaltigkeitsstatistiken. Coop sieht den grössten Impact nicht bei den eigenen Produkten, sondern in ihrem Gebäudepark. Dort kann der Grossverteiler seinen Fussabdruck am meisten reduzieren, indem Baumaterialien, die beim Rückbau anfallen, direkt wieder in die neuen Gebäude einbaut. Die oft besprochenen Lebensmittelverpackungen haben hingegen einen vernachlässigbaren Impact. Trotzdem werden bei Coop Verpackungen umfassend thematisiert, weil sich Kund:innen sehr dafür interessieren.
Freier Markt vs. Regulierung
Was wollen denn die Kund:innen? Jetzt war man schon mitten in der Debatte darum, ob und wie Entscheide den Konsument:innen und damit dem freien Markt überlassen werden sollen. Catharina Bening vom ETH sus.lab stellt klar, dass aus ihrer Sicht die Konsument:innen kaum ihr Verhalten ändern würden, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. Seit 10 Jahren diskutiere man über Kreislaufwirtschaft und passiert sei ihrer Meinung nach zu wenig. Die Politik müsse Regulierungen schaffen und die Wirtschaft in die Pflicht nehmen. Ansonsten würden zehn Mehrwegsysteme entstehen, die den Konsument:innen schlussendlich wenig nützen und sich auch nicht skalieren lassen.
Nationalrätin Bellaiche entgegnete, dass Branchenlösungen, die in der Schweiz Tradition haben, schnellere und effizientere Lösungen ermöglichen würden. Wenn möglich, sollte auf politische Regulierung verzichtet werden, beziehungsweise sollten diese sich auf die grossen Hebel beschränken und die Innovationskraft der Unternehmen zur Zielerreichung nutzen. Es brauche wenn überhaupt Zielvorgaben, aber keine detaillierte Regulierung.
Catharina Bening stimmte zwar zu, dass Detailregulierungen unnötig seien, viel wichtiger sei ihrer Meinung nach die Umsetzung, Kontrolle und Sanktion der vereinbarten Ziele. Wenn ein Ziel unsanktioniert bleibt, gebe es keine Anreize, diese zu erreichen.
Nach rund eineinhalb Stunden war die Veranstaltung zu Ende. Hängen bleibt schlussendlich Catharina Benings Appell, dass Kreislaufwirtschaft einfach ein Narrativ für Netto-Null sei. «Unter dem Label können wir jetzt was machen um zu Netto-Null zu kommen aber wir könnens auch anders nennen. Wenn es den Bürger:innen hilft es Kreislaufwirtschaft zu nennen bin ich total dafür es so zu tun.», so Bening. Wichtig sei, es Ziele zu definieren und mit aller Kraft darauf hin zu arbeiten. Weil je später wir auf den Absenkpfad einbiegen desto ungemütlicher, schwieriger und teurer wird dieser.
Die ganze Veranstaltung findet man hier als Video.
Diese Veranstaltung wurde ermöglicht durch unsere Partner:
Circular Globe, Coop und Swico.