Klima Kleber: Wie effizient sind Solarpanels entlang von Autobahnen?

Um mehr erneuerbare Energie zu generieren, sollen in der Stadt Zürich entlang von Autobahnen Solarpanels angebracht werden. Doch wie hilft das dem Klima? In unserer Rubrik «Klima Kleber» nehmen wir in unregelmässigen Abständen Ideen aus der Politik und Wirtschaft unter die grüne Lupe. Heute mit dem Photovoltaik-Experten Thomas Nordmann.

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Die Autobahnen in der Stadt Zürich sollen mit Solarpanels ausgestattet werden. (Bild: Unsplash)

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hat die Schweiz einen grossen Nachholbedarf beim Ausbau der Solarenergie: Sie belegt nur den 14. Platz. Mit dem Projekt «Solarexpress» wollte das Parlament erneuerbare Energien stärker fördern und den Bau von alpinen Solarprojekten finanziell unterstützen. Doch der Widerstand aus der Bevölkerung war gross: Mehrere Berggemeinden lehnten die Pläne des Bundes ab.

Die Solaroffensive soll nun landesweit einen neuen Ansatz auf Autobahnen verfolgen. Dies wurde im vergangenen Juli vom Bundesamt für Strassen (Astra) genehmigt. Um Sonnenstrom zu erzeugen, benötigt man neben gutem Licht vor allem Fläche, so viel wie möglich. Entlang der Autobahnen gibt es zahlreiche solcher ungenutzen Flächen.

Nun fordern SP, Grüne und die GLP den Stadtrat in einem Postulat auf, das Potenzial der Autobahnabschnitte in der Stadt Zürich für die Solarstromproduktion zu untersuchen. Besonders im Blick sind die Abschnitte der A3 zwischen Wollishofen und der Sihlhochstrasse sowie der A1 in Altstetten. Neben der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit soll auch die Realisierbarkeit der Idee geprüft werden. Der Vorstoss wurde noch nicht überwiesen, jedoch stehen die Chancen einer Annahme aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament gut.

Wie viel Strom könnte durch Solarpanels an Autobahnen gewonnen werden und wie lässt sich das überhaupt berechnen?

Thomas Nordmann ist Gründer der TNC Consulting, einer Beratungsfirma für Photovoltaik in Zürich. 1989 baute er mit seiner Firma im Rahmen eines Pilotprojektes des Bundes die weltweit erste Photovoltaik auf einer Schweizer Autobahn, auf der A13 bei Chur. 

Einschätzung von Thomas Nordmann, Photovoltaik-Experte und Gründer der Plattform «Swiss Energy-Charts»:

Zürich hinkt in Bezug auf die Nutzung von Solarenergie hinterher. Laut einer Analyse von 2022 werden in Zürich nach Bern die geringsten Flächen in der Deutschschweiz für die Solarenergiegewinnung genutzt. Deshalb brauchen wir einen grossen Ausbau, wo immer dies möglich ist. Ich finde den Ansatz des Postulats gut. Er geht mir aber zu wenig weit. Wir sollten uns nicht einseitig auf die nationalen Autobahnen konzentrieren, sondern den Blick auf alle möglichen grösseren Flächen entlang von Kantonsstrassen, Parkhäusern und Parkplätzen ausweiten. Es gibt viele potenzielle Standorte, die für die Produktion von Solarenergie genutzt werden könnten, und es ist wichtig, diese Möglichkeiten voll auszuschöpfen.

Klima Kleber

Wie grün ist ein politischer Vorstoss? Betreibt ein Unternehmen Greenwashing oder handelt es tatsächlich klimafreundlich? Und hilft eine Forschungsarbeit wirklich dem Klima? Wir kleben hartnäckig – und lassen Ideen aus der Politik, Wirtschaft und Forschung von Expert:innen einschätzen. Dabei lassen wir es uns nicht nehmen, Punkte in den Kategorien Wirksamkeit, Symbolkraft, Kosten und Umsetzbarkeit zu verteilen. Ein Spiel, das wohl ernster nicht sein könnte

Der Auftrag des Parlaments sieht vor, bis 2050 40 Terawattstunden (TWh) Photovoltaik Strom in der Schweiz zu erzeugen. Das entspricht etwa 50 Prozent der Schweizer Stromversorgung. Aktuell sind wir bei gerade einmal zehn Prozent. Um die Pläne des Parlaments zu erreichen, müssten etwa 25 Quadratmeter pro Einwohner:in für die Solarenergieproduktion genutzt werden. Die horizontale Dachfläche beträgt etwa 50 Quadratmeter pro Einwohner:in. Im Vergleich dazu beträgt der Flächenbedarf der Verkehrswege etwa 100 Quadratmeter pro Einwohner:in, also doppelt so viel.

Das hohe Flächenangebot spricht demnach klar für die zusätzliche Nutzung der Solarenergie auf Verkehrsflächen. Wichtig ist auch, dass Autobahnen selbst viel Strom benötigen. Tunnel müssen Tag und Nacht belüftet und beleuchtet werden, wie zum Beispiel der Uetlibergtunnel. Auf (Park and Ride) Parkplätzen könnte die Stromerzeugung mit Elektromobilität kombiniert werden. Die Erfahrung zeigt, dass der Widerstand der Bevölkerung geringer ist, wenn Energieproduktion und -nutzung am selben Ort stattfinden. 

Es ist jedoch nicht richtig, die gesamte Verantwortung auf das Bundesamt für Strassen (Astra) abzuwälzen. Die Umsetzung solcher Projekte ist anspruchsvoll. Eine Möglichkeit wäre, ein Joint Venture einzurichten, also eine engere Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund. Wir müssen dorthin gehen, wo die Flächen liegen, und besser zusammenarbeiten.

Ein Postulat fordert den Zürcher Stadtrat auf, die Eignung von Autobahnen in der Stadt für Solarpanel-Installationen zu prüfen. Der Photovoltaik-Experte Thomas Nordmann begrüsst diesen Schritt, jedoch glaubt er, dass die Forderung nicht weitreichend genug - 1
Insgesamt 10 von 20 Sternen vergibt die Tsüri-Redaktion für den Ausbau von Photovoltaik auf Zürcher Autobahnen.
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