Tabu-Serie: «Keiner kann sagen, was nicht mit mir stimmt»
Aline* hat kein gutes Bauchgefühl. Die bald 27-Jährige hat von klein auf Probleme mit ihrem Darm. Diese Beschwerden gehen wortwörtlich unter die Haut.
Unsere Gesellschaft kennt viele Tabus, wenn es um das Thema Gesundheit geht. In der Tabu-Serie porträtieren wir Menschen, die sonst nicht oft zu Wort kommen.
Blähungen, Verstopfung, Durchfall – was auf dem stillen Örtchen passiert, soll aus gesellschaftlicher Sicht auch dort bleiben. Dabei gibt es keinen Grund für Ekel, denn es muss jeder mal (dringend). Dass es wichtig ist, sich mit dem Darm auseinanderzusetzen, zeigte Autorin Giulia Enders bereits 2014 mit ihrem Millionen-Bestseller «Darm mit Charme».
Gereizter Darm
Bauchschmerzen sind für Aline Programm: «Ein Blähbauch gehört zu meinem Alltag», sagt sie und rückt dabei den Bund ihrer grauen Stoffhose zurecht. Der brünette Lockenkopf konnte als Teenager Unmengen an Essen zu sich nehmen. Sie nahm nicht zu und die Nährstoffe nicht auf.
Als sie mit 16 Jahren vom Reisen zurückkam, lösten sich Verstopfung und Durchfall gegenseitig ab. Aline diagnostizierte sich selbst mit dem Reizdarmsyndrom. Laut der Magendarmliga Schweiz ist das Syndrom eine der häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Davon betroffen ist 10 bis 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung und klagt aufgrunddessen über chronische Verstopfung, Durchfall und/oder Blähungen, dies über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten innerhalb eines Jahres. Es gibt in der Medizin keinen offiziellen Reizdarm-Test, wenn die oben beschriebenen Beschwerden zutreffen und organische Probleme sich ausschliessen lassen, kann man von einem Reizdarm sprechen.
Zwischen Hausarzt und Homöopathie
«Ich fühle mich unwohl – was kann ich dagegen tun?», fragte sich Aline und wandte sich hilfesuchend an ihren Hausarzt. Allergietests und Blutuntersuchungen waren jedoch nicht aufschlussreich; eine fixe Diagnose konnte ihr der Arzt nicht geben, stattdessen bekam sie einen Haufen Medikamente, die zwar die Symptome bekämpften, aber nicht die Ursache ihrer Darmbeschwerden. «Typisch Schulmedizin», findet Aline und setzt deshalb mit Akupunktur auf die chinesische Medizin. Momentan wartet sie auf einen Termin bei einem*r Darmspezialist*in.
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Das Zusammenspiel von Haut und Darm
Dass der Darm und die Haut einander beeinflussen, musste Aline auf die schmerzvolle Art erfahren: Sie hat von klein auf Neurodermitis, seit zehn Jahren hat sie auch mit Akne zu kämpfen. Diese beruhigte sich mit der Einnahme der Pille, erschien jedoch wieder nach deren Absetzung. Für kurze Zeit nahm Aline das aggressive Medikament Roaccutan, wodurch die Akne für immer verschwinden soll; bei ihr zeigte es jedoch keine Wirkung. Ein unwohles Gefühl im Bauch und schmerzende Haut – eine Kombination, die Aline niemandem wünscht.
Ich fühlte mich einfach hässlich!
Aline
Letztes Jahr hatte Aline einen starken Neurodermitis-Schub. Mit einem roten, geschwollenen und aufgekratzten Körper ging sie zum Hautarzt. Dieser stellte fest, dass sie einen Hefepilz hatte. In der Vergangenheit verschrieben ihr Ärzt*innen darmaufbauende Medikamente – auf Hefepilz-Basis.
Ein Buffet an Supplementen
Aline hat zu wenig fettlösende Enzyme in ihrem Körper und kann deshalb keine Vitamine aus der Nahrung ziehen. Gegen die Akne nimmt sie Vitamin A, die fettlösenden Enzyme in Tablettenform nimmt sie nun vor dem Essen ein. «Möglichst unauffällig», bemerkt Aline. Sie will sich nicht erklären müssen, zumal sie selbst keinen Namen für ihre Beschwerden hat. Ihre Familie und engsten Freunde wissen über ihre Darm- und Hautprobleme Bescheid und nehmen Rücksicht.
Stressfaktor fremdes Essen
Aline kocht leidenschaftlich gerne und experimentiert gerne in der Küche; aus simplen Zutaten zaubert sie leckere vegetarische und vegane Gerichte. Wenn sie das Essen selber zubereitet, fühlt sie sich sicher. Sie isst auch dann mit, wenn sie für die Mahlzeit nicht selbst am Küchenherd stand, jedoch macht sie das nervös; das fremde Essen könnte ja zu Darmbeschwerden führen. «Aber Nervosität ist Kopfsache», weiss Aline.
Hauptsache gesund
Was tut dem Körper gut und was nicht? Um das herauszufinden, machte Aline im Corona-Frühling eine strenge Diät: Kein Zucker, keine Früchte, keine Milch, kein Getreide. Auf den Esstisch kamen nur noch Gemüse und Linsen. «Meine Mitbewohnerin machte diesen Zirkus eine Zeit lang mit», lacht Aline. Ein Erfolgserlebnis in Sachen Darm blieb jedoch aus. «Ich habe keine Lust mehr zu verzichten», stellt Aline klar und nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee. Den verträgt sie zwar nicht, hat ihn aber «mega gern».
Der Darm wird immer eine grosse Rolle in Alines Leben spielen; damit hat sie sich mittlerweile abgefunden. In Zukunft will sie sich weniger Sorgen bezüglich dem Essen machen und es einfach geniessen – das sagt zumindest ihr Bauchgefühl.
*Name von der Redaktion geändert
<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Alines Wundermittel gegen Verstopfung </div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> 1 EL Flohsamenschalen, 1 EL Chiasamen und 1 EL geschrotete Leinsamen mit Wasser ca. 15-20 Minuten aufquellen lassen. Nach Belieben Kardamon, Zimt oder Kokosöl hinzufügen. Die Mischung zum Porridge oder Müsli der Wahl geben.
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