Ist der weisse Mann vom Aussterben bedroht? – Vorwort
Wie reagiert der alte, weisse Mann, wenn er mit Fragen zu Rassismus und Sexismus konfrontiert wird? Er fühlt sich angegriffen und bedroht, er verteidigt sich. Katrin Hasler hat der aussterbenden Spezies ein Buch gewidmet, gefüllt mit Interviews. Tsüri.ch hat ihr einige kritische Fragen gestellt.
Katrin Hasler ist Herausgeberin des Buches «Der weisse Mann. Ist er vom Aussterben bedroht?». Zusätzlich zu den drei Gesprächen mit weissen Männern haben wir ihr einige Fragen zum nicht unkontroversen Projekt gestellt.
Was war die Motivation, dieses Buchprojekt in Angriff zu nehmen?
Wir wollten ein feministisches Projekt machen, eine Kombination aus Interviews und Fotoreportage. Anstatt Frauen zu porträtieren, haben wir uns jedoch entschlossen, das Feindbild des weissen Manns zu untersuchen. Immer wieder hört man von Männern, dass sie sich diskriminiert und marginalisiert fühlen. Wir wollten mehr darüber wissen, ihre Gedanken, Gefühle und Argumente dazu hören.
Kommt der weisse Mann nicht schon genug zu Wort?
Grundsätzlich sind weisse Männer in den Medien stärker repräsentiert als Frauen und andere Gruppen. Unsere drei Männer sind keine Politiker oder Wirtschaftsführer, sie sind ganz normale Männer. Wir konfrontieren sie mit Fragen zu Sexismus und Rassismus und ihre Antworten sind aus unserer Sicht oft problematisch. Dennoch merkt man beim Lesen, dass diese Männer sich dessen oft nicht mal bewusst sind.
«Vom Aussterben bedroht» impliziert, dass es sich um einen schützenswerten Teil der Gesellschaft handelt. Ist dem so?
Der Titel ist bewusst witzig und provokativ gewählt. Er ist auch die erste Frage, die wir den Interviewpartnern stellten. Das ohne ihnen vorher zu erklären, was wir unter dem weissen Mann verstehen, sodass ihre eigene Deutung zum Zug kommen konnte. Es wird spürbar, dass sie sich durchaus bedroht fühlen von Frauen, Homosexuellen, Andersgläubigen oder Ausländern – zwar nicht an Leib und Leben, aber bedroht in ihrer Identität.
War der Interviewer bewusst ebenfalls ein Mann?
Ja, wir haben bewusst einen männlichen Interviewer gewählt, weil Männer untereinander anders reden und offener sind. Die Interviewpartner gehen implizit davon aus, dass er ihre Ansichten teilt, obwohl das tatsächlich nicht der Fall ist.
Ich habe mit vielen der gemachten Aussagen grosse Mühe, manches hat mich schockiert oder sehr wütend gemacht.
Katrin Hasler, Herausgeberin
Manche Aussagen sind höchst kritisch. Wie soll man diese einordnen?
Wir haben diese Einordnung ganz bewusst offen gelassen. In den Interviews lassen wir die Männer ausreden und ihre Positionen darlegen, ohne diese zu bewerten oder auf Widersprüche aufmerksam zu machen. Es geht uns darum, die Gedankenwelt dieser Männer sichtbar zu machen, damit ein Dialog entstehen kann.
Wie stehen Sie als Herausgeberin des Buches zu den gemachten Aussagen und Positionen der weissen Männer?
Ich habe mit vielen der gemachten Aussagen grosse Mühe, manches hat mich schockiert oder sehr wütend gemacht. Gleichzeitig war es mir aber wichtig zu verstehen, warum diese Männer so denken. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir eine ganze Gruppe von Menschen verteufeln und in einen Topf werfen. Wir müssen sie zuerst verstehen, damit wir sie von anderen Sichtweisen überzeugen können. Diesen Dialog führe ich täglich mit Männern (und Frauen) in meinem Umfeld: Es ist oft für beide Seiten mühsam, aber wenn wir nicht mehr miteinander reden, funktionieren wir als Gesellschaft nicht mehr.
Denkt die Mehrheit der Schweizer Männer so?
Unsere Interviewpartner sind keine Extrembeispiele, sie sind ganz normale Schweizer Männer, wie man sie im Alltag trifft. Ich bin der Meinung, dass viele progressiv denkende Menschen sich immer nur mit Gleichgesinnten umgeben und deshalb gar nicht bemerken, wie tief verwurzelt viele dieser Denkmuster in den Köpfen der meisten Leute sind.
Vernissage des Projekts ist am 11. Juli ab 19 Uhr im cc-café!
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