Immer mehr Stadtzürcher Gymis verbieten Handys in den Pausen

Das Thema Smartphoneverbot beschäftigt viele Schulen – auch in Zürich. Eine Umfrage bei Stadtzürcher Gymnasien zum Schulstart zeigt: Die Lehrpersonen sorgen sich vor allem um die Handynutzung ausserhalb des Unterrichts.

Smartphone Hand Social Media Tiktok
Immer mehr Gymnasien schränken auch die Smartphone-Nutzung ausserhalb des Unterrichts ein. (Bild: Nina Graf)

Am Literargymnasium Rämibühl verschwinden Handys morgens in Boxen, an der Steiner Schule besprechen die Eltern gemeinsam die Bildschirmzeit ihrer Kinder. Die Smartphone-Nutzung von Kindern und Jugendlichen gilt als umstritten. Expert:innen warnen vor negativen Auswirkungen auf die Aufmerksamkeitsspanne und die sozialen Fähigkeiten der Jugendlichen. Das rückt die Schulen in einen besonderen Fokus.

Eine Umfrage zum Schulstart zeigt: Zürcher Gymnasiallehrer:innen sorgen sich vor allem um die Handynutzung ausserhalb des Unterrichts. «Problematisch erscheint es vielen von uns in den Pausen, wenn die Schüler:innen nicht mehr miteinander kommunizieren und interagieren, sondern stattdessen jede:r für sich Spiele spielt oder sich auf Social Media aufhält», sagt Eva Ebel, Direktorin des Gymnasiums Unterstrass.

Immer mehr Schulen sprechen deshalb ein Handyverbot für die Zeit ausserhalb des Unterrichts aus.

Handyverbot bis zum 9. Schuljahr

Die Kinder, die nach der sechsten Primarschule ins Langzeitgymnasium eintreten, sind zwischen elf und zwölf Jahre alt.

«Wir haben schon viele Jahre ein Handyverbot auf der Unterstufe, seit einem Jahr wirklich strikt auch im Freien und über Mittag.»

Franziska Egli, Prorektorin am Gymnasium Freudenberg

Gerade für diese Schulkinder brauche es feste Regeln in Bezug auf die Nutzung von Smartphones, schreibt Franziska Egli, Prorektorin am Gymnasium Freudenberg, auf Anfrage: «Wir haben schon viele Jahre ein Handyverbot auf der Unterstufe, seit einem Jahr wirklich strikt auch im Freien und über Mittag.»

Gleiches gilt seit mehreren Semestern an der Kantonsschule Hohe Promenade. Gemäss Prorektor Martin Schaub wurde das Verbot eingeführt, «um mehr Fokus auf den Unterricht und ein soziales Miteinander zu legen». Die Erfahrung zeige, dass eine handyfreie Pausenzeit zu deutlich mehr Aktivitäten innerhalb der Klassen geführt hätten.

Auch private Schulen fahren diesen Kurs.

Im Gymnasium Dr. Buchmann im Kreis 7 müssen die Geräte auf dem Schulareal ausgeschaltet und in der Schultasche versorgt sein. «Werden die Schüler:innen beim unerlaubten Gebrauch erwischt, wird das Handy bis zum Ende des Schultages eingesammelt», schreibt Schulleiterin Katia Mettler.

Allerdings: Das Handyverbot gilt bei allen drei Kantonsschulen nur für die obligatorische Schulzeit, also die ersten zwei bis drei Schuljahre des Langzeitgymnasiums. Ab dem zehnten Schuljahr, also ab 15 oder 16 Jahren, dürfen die Schüler:innen das Gerät in den Pausen nutzen.

Handyboxen als Lösung

Beim Versuch, den Handykonsum von Schüler:innen einzudämmen, werden die Schulen findig.

Am Literargymnasium Rämibühl existiert zwar kein generelles Handyverbot, seit letztem Schuljahr aber gibt es für die ersten bis dritten Klassen des Langzeitgymnasiums Handyboxen.

Die Schüler:innen deponieren dort am Vormittag und Nachmittag ihre Smartphones und dürfen sie nur auf ausdrückliche Bewilligung der Lehrpersonen nutzen. Über den Mittag können die Schüler:innen die Geräte bei sich tragen, beispielsweise um ihr Mittagessen digital zu bezahlen.

«Ab der 4. Klasse steigt die Eigenverantwortung der Schüler:innen und gibt es keine Handyboxen mehr», so der Prorektor Walter Schubiger.

«Unsere Schüler:innen sind junge Erwachsene, die den verantwortlichen Umgang mit Handys lernen müssen.»

Eva Ebel, Direktorin des Privatgymnasiums Unterstrass

Auch die Umfrage zeigt: Je älter die Schüler:innen sind, desto mehr verzichten die Gymnasien auf ein generelles Verbot. Stattdessen setzen sie auf gezielte Medienbildung.

«Unsere Schüler:innen sind junge Erwachsene, die den verantwortlichen Umgang mit Handys lernen müssen», argumentiert Eva Ebel, Direktorin des Privatgymnasiums Unterstrass.

Auch im Liceo Artistico, ebenfalls ein Kurzgymnasium, wird auf ein generelles Handyverbot verzichtet. Man setze stattdessen auf die Stärkung der Medienkompetenz, schreibt Schulleiter Roland Ruess. «Ziel ist es, einen vernünftigen und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien zu erlernen.» Dazu würden sie Workshops zum Thema Handynutzung und Social Media durchführen. 

Intervention durch Gleichaltrige

Doch was tun, wenn die Handynutzung bei einzelnen problematisch wird?

Die Atelierschule, das Gymnasium der Steiner Schule, setzt auf niederschwellige Interventionen von Gleichaltrigen: Jugendliche werden von Medienpädagog:innen und Psycholog:innen zu sogenannten «Tech Angels» ausgebildet.

«Die Digitalisierung der Kantonsschule geschah schnell, vielleicht auch etwas zu schnell.»

Daniel Zahno, Rektor der Kantonsschule Hottingen

Als «digitale Schutzengel» sollen sie ihre Mitschüler:innen bei einem bewussten Umgang mit digitalen Geräten und Videogames unterstützen. Das Projekt wurde letztes Jahr an der Atelierschule lanciert. Inzwischen bilden auch andere Zürcher Gymnasien eigene «Tech Angels» aus, sagt Beat Richert, Medienpädagoge an der Rudolf Steiner Schule und Projektverantwortlicher.

An der Steiner Schule gilt auf Sekundarstufe seit jeher ein Handyverbot auf dem Schulareal. Zusätzlich erarbeiten die Eltern zu Beginn jedes Schuljahres gemeinsam eine «Medienvereinbarung», wie sie zu Hause mit der Bildschirmzeit ihrer Kinder umgehen.

Das Ziel dahinter, so Richert: «So gelten für alle Jugendlichen dieselben Regeln im Umgang mit dem Telefon. Nicht nur während dem Unterricht, sondern auch zu Hause.»

Digitalisierung des Unterrichts brachte Probleme mit sich

Einige Schulen verorten das Problem allerdings nicht hauptsächlich beim Smartphone.

An Zürcher Kantonsschulen ist der «Bring Your Own Device»-Ansatz (BYOD) gängige Praxis: Schüler:innen bringen eigene Tablets oder Laptops mit, als Arbeitsgeräte für den Unterricht. «Diese Geräte haben genau dieselben Funktionalitäten und so auch Ablenkungsmöglichkeiten wie Smartphones», sagt Daniel Zahno, Rektor der Kantonsschule Hottingen.

An der Kantonsschule Hottingen steht die Ablenkung durch BYOD im Unterricht zurzeit im Fokus. Deswegen und weil die Kantonsschule Hottingen ein Kurzzeitgymnasium ist, wird gemäss Rektor Daniel Zahno auf ein generelles Handyverbot verzichtet. «Die Digitalisierung der Kantonsschule geschah schnell, vielleicht auch etwas zu schnell», so Zahno. Auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit digitalen Geräten dürften einige Schulen wohl wieder ein paar Schritte zurück machen, in Richtung analoges Arbeiten.

nina

Aufgewachsen am linken Zürichseeufer, Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft an den Universitäten Freiburg (CH) und Basel. Sie machte ein Praktikum beim SRF Kassensturz und begann während dem Studium als Journalistin bei der Zürichsee-Zeitung. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin untersuchte sie Innovationen im Lokaljournalismus in einem SNF-Forschungsprojekt, wechselte dann von der Forschung in die Praxis und ist seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung von We.Publish. Seit 2023 schreibt Nina als Redaktorin für Tsüri.ch.

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