Nikolaustag

Hochsaison für Samichläuse: Engpass in Zürichs Vorweihnacht

Rauschebart und rote Mäntel schmücken die Stadt, und doch gibt es nicht genug für alle. Wer zu spät einen Samichlaus bestellt, muss warten – und bekommt vielleicht nur ein digitaler Ratschlag per Telefon oder Whatsapp.

Nahaufnahme des Samichlauses
Die Samichlaus-Saison endet am 14. Dezember mit dem Silvesterlauf. (Bild: Srikanta H. U / Unsplash)

Seit Montag ziehen wieder die Chlausentrios durch die Stadt: ein Samichlaus, ein Schmutzli und ein sogenanntes Eseli, die Fahrer:innen der Teams. Sie besuchen Familien, Kitas, Schulen, Heime und Firmen, loben, mahnen, erzählen Geschichten. Rund 30 solcher Trios sind während zwölf Tagen unterwegs. 

Das Angebot ist beliebt. 2024 überstieg die Nachfrage das Angebot deutlich, und auch 2025 müssen die Kinder Geduld beweisen.

Weiterbildung Samichlaus

Karin Diefenbacher, Präsidentin der St. Nikolausgesellschaft Zürich, sagt auf Anfrage: «Über 700 Bestellungen sind eingegangen, 80 Prozent davon für den 6. Dezember, dem Nikolaustag.» Der Tag sei jeweils bereits Ende Oktober ausgebucht. «Wir haben eigentlich genug Leute, die an anderen Tagen verfügbar wären», sagt sie, «aber die Familien sind oft zu wenig flexibel». Sieben Besuche musste der Verein bisher absagen.

Seit der Corona-Pandemie steige die Nachfrage nach den Samichläusen jährlich um etwa zehn Prozent, sagt Diefenbacher und vermutet: «Die Tradition wird wieder wichtiger.»

Wer Samichlaus werden will, braucht mehr als einen roten Mantel und einen weissen Rauschebart. Zuerst müssen Interessierte zwei Jahre als Schmutzli losziehen, dem strengen, aber niemals furchterregenden Begleiter des Samichlaus. Blackfacing ist dabei tabu. «Unser Schmutzli ist weder schwarz bemalt noch der böse Begleiter», erklärt Diefenbacher. «Er ist ein Freund der Kinder.» Der Sack sei für die Mandarinen und Nüssen, die Rute, um die Schuhe zu putzen – nicht, um die Kinder zu tadeln.

Nach dieser Lehrzeit darf der Schmutzli ins rote Tenue wechseln. Wichtig ist laut Diefenbacher vor allem eines: «Das Herz muss am rechten Fleck sein.»

Die Frage nach den Samichläusinnen

Und diese Rolle soll weiterhin Männern vorbehalten bleiben, sagt Diefenbacher. «Traditionen darf man leben und muss sie nicht verändern.» Der Samichlaus sei eine männliche Figur, nach Nikolaus von Myra benannt. Und die Kinder wollten «den roten Mann».

Frauen prägen den Verein dennoch stark: Sie fahren die Teams durch die Stadt, koordinieren, organisieren die Einsätze, führen Ressorts. «Wir Frauen ziehen im Hintergrund die Fäden», sagt Diefenbacher. Die Frauenquote sei hoch, der Einfluss gross, doch «was man sieht, sind die Männer».

In einer Hinsicht zeigen sich die Nikoläuse aber modern: Sie sind auch über Whatsapp oder telefonisch erreichbar. Der Telefon-Chlaus, seit 25 Jahren im Einsatz, führt über jedes Gespräch Buch. Das sei insofern hilfreich, da viele Kinder mehrmals anrufen würden, manche sogar täglich. Rund 100 bis 120 Anrufe gehen während der vier Einsatztage während 17 und 20 Uhr ein. 

Die Arbeit der St. Nikolausgesellschaft ist freiwillig. Die Stadt unterstützt den Verein nicht finanziell, stellt aber Räume und personelle Ressourcen zur Verfügung. 

Der Betrieb des Vereins funktioniere nur, weil viele Menschen Zeit schenken würden, sagt Diefenbacher. Von Ende Oktober bis Mitte Dezember, und danach darf sich der ganze Tross für knapp ein Jahr wieder zurücklehnen.

Und wer spontan noch einen Samichlaus braucht: Auf Chlaus.ch sind die verschiedenen Chlausvereine der ganzen Schweiz aufgelistet.

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jenny

Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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