Gemeinderat verschärft Regeln gegen Besetzer*innen – oder macht die FDP nur Wahlkampf?
Personalien von Besetzer*innen sollen auf Vorrat von der Polizei aufgenommen werden, dies verlangt das Zürcher Parlament. Mit zwei Stimmen Unterschied wurde am Mittwoch ein entsprechendes Postulat der FDP gutgeheissen. Auch wenn dies ein Wahlkampfthema bewirtschaftet, könnte die Umsetzung gegen Grundrechte verstossen.
Die Forderung der Bürgerlichen
Personalien von Besetzer*innen sollen von der Polizei aufgenommen werden können, das verlangt ein Postulat der FDP. Grundeigentümer*innen sollen für zivilrechtliche Klagen Zugriff auf diese Daten erhalten. Bei Hausbesetzungen entstünden oft Schäden. Die Hauseigentümer*innen hätten bis anhin keine Möglichkeit Schadensersatzforderungen geltend zu machen, da nicht bekannt sei, wer sich in der Liegenschaft aufhält, so die FDP am Mittwoch im Parlament. Die Polizei müsse daher deren Identitäten ermitteln und weitergeben. Das Schreiben von Andreas Egli (FDP) und Markus Hungerbühler (CVP) wurde mit Hilfe der SVP und der GLP mit 62 Ja-Stimmen gegen 60 Nein-Stimmen an den Stadtrat überwiesen.
Alles nur Wahlkampf
Bei der aktuellen Debatte über die Häuserbesetzungspolitik geht es jedoch nicht nur um die Sache. Die bevorstehenden Wahlen 2018 heizen die Diskussionen an. Die FDP hat den Widerstand gegen Besetzungen zum Wahlkampfthema erklärt und sich inzwischen auf Wolff (AL) eingeschossen. Die Bürgerlichen lassen keine Möglichkeit aus, die Handhabung im Koch-Areal als dessen persönlichen Fehler darzustellen. So verteidigt sich Stadtrat Wolff denn auch an der gestrigen Gemeinderatssitzung: «Die aktuelle Häuserbesetzungspolitik der Stadt stammt nicht von mir, ich habe sie nicht entworfen – was sie mir schon in einer sehr direkten und fast schon beleidigenden Art und Weise unterstellen». Die generelle Handhabung mit Besetzungen in Zürich sei erprobt und sehr erfolgreich.
Positionen im Gemeinderat
Im Parlament war die GLP das Zünglein an der Waage, als sie sich auf die Seite der Bürgerlichen schlug. Die Partei unterstütze das Postulat mit der Begründung, dass sich die Besetzerkultur in Zürich hin zu einer Zwischennutzungskultur entwickelt habe. Dafür bräuchten die Grundeigentümer eine konkrete Ansprechperson und nicht ein anonymes Kollektiv, um die Regeln der Zwischennutzung durchsetzen zu können.
Der Stadtrat erklärte, der Gemeinderat renne mit jenem Postulat offene Türen ein und versuche etwas zu regeln, das schon gut funktioniere. In jenen Fällen, in welchen es zu Strafanträgen kommt oder bei welchen es zu Sachbeschädigung kommen könnte, interveniere die Polizei und nähme schon heute alle Personalien auf. Bei Abbruchobjekten könne keinen Schaden entstehen. Wolff fasste es in den Worten des amerikanischen Generals Norman Schwarzkopf zusammen: «Ich bitte Sie, nicht etwas zu flicken, das funktioniert.» Auch seine Partei, die AL, versteht nicht, warum Personalien auf Vorrat erfasst werden sollen. Und die SP stört sich daran, dass die Daten der Besetzer*innen an die Hauseigentümer*innen ausgehändigt werden sollen.
Umsetzung rechtlich fragwürdig
«Das halte ich politisch und juristisch für einen unsinnigen Vorschlag», sagt Rechtsanwalt Viktor Györffy zum Vorschlag. Damit Personalien überhaupt aufgenommen werden dürfen, müsse es einen polizeilichen Grund geben. Ein Antrag des Eigentümers, wie das im Postulat festgehalten wird, reiche dazu nicht aus. Es könne sein, dass bei Verdacht auf eine Straftat einen polizeilichen Eingriff stattfindet, doch auch in diesem Fall dürften die Personalien nicht einfach weitergegeben werden. «Der Anspruch auf Privatsphäre sowie der Anspruch sich ungehindert bewegen zu dürfen ohne sich rechtfertigen zu müssen, schützt vor solchen Eingriffen. Wie das Bundesgericht in Lausanne erklärte, unterscheidet das einen freiheitlichen Rechtsstaat von einem Polizeistaat», so Györffy.
Und sowieso, häufig werden Besetzungen von den Eigentümer*innen toleriert und sind vertraglich geregelt. «Durch solche Vereinbarungen sind Hausbesetzer ähnlich geschützt wie Mieter einer Wohnung».
«Ich halte es für wenig hilfreich, diese Diskussion auf das juristische Nebengleis zu führen, vielmehr sollte die politische Dimension geklärt werden», so Györffy. Im Kern gehe es um die Frage, inwieweit gegen Hausbesetzungen rechtlich vorgegangen werden soll und kann. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass der jetzt geltende historische Kompromiss damals unter bürgerlicher Ägide ausgehandelt wurde.
Titelbild: Sceenshot/ Instagram
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