«theBeacon»

Gegen Trump: 80-Jährige bringt US-Protestbewegung nach Zürich

Bei Wind und Wetter versammeln sie sich am Bellevue: Die Gruppe «theBeacon» protestiert jeden Donnerstag gegen die US-Regierung von Donald Trump. Gegründet wurde die Bewegung in New York – in die Schweiz gebracht hat sie eine 80-Jährige.

Miriam Spiegel mit einem Schild und einer kleinen Freiheitsstatue
Miriam Victory Spiegel ist Jüdin – und sagt: «Meine Eltern sind aus Deutschland geflüchtet. Ich weiss genau, was es bedeutet, wenn Demokratien zerstört werden.» (Bild: Kai Vogt)

Über dem Bellevue bricht der Himmel zusammen. Regen fällt in Strömen, dann durchzieht ein heller Blitz das Gewölbe, gefolgt von einem lauten Knall. Doch weder Miriam Victory Spiegel noch ihre amerikanischen Mitstreiter:innen lassen sich davon beeindrucken. 

An einem Donnerstagabend haben sich knapp zehn Personen unter der Bushaltestelle am Seebecken versammelt, alle mit farbigen Schildern, auf einem steht gross «Resist», auf einem anderen «Diversity is our Strength». Seit diesem Juni protestiert die Gruppe «theBeacon» – was so viel wie «Leuchtfeuer» oder «Signallicht» heisst – jede Woche für eine halbe Stunde in Zürich gegen die aktuelle US-Regierung. Bisher immer am Paradeplatz, nun sind sie zum ersten Mal am Seebecken.

Von New Yorker Rabbinerin gestartet

«Wir hofften hier auf mehr Interaktionen mit den Passant:innen», sagt Initiantin Miriam Victory Spiegel. Bereits am Paradeplatz, wo sich die Gruppe bisher getroffen hat, gingen zwar viele Menschen vorbei, doch sei es schwierig gewesen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ganz im Gegensatz zu Spiegels Erfahrungen aus New York. 

Dort ist die 80-Jährige diesen Frühling das erste Mal mit theBeacon in Kontakt gekommen. «Ich ging jeden Donnerstag raus, um zu protestieren – und fühlte mich unglaublich bekräftigt dadurch, nicht alleine und leise zu sein.» Dauernd sei sie in neue Gespräche verwickelt worden.

Gegründet wurde die nachbarschaftliche Widerstandsbewegung im Januar dieses Jahres von Rabbinerin Sharon Kleinbaum. Sie leitete in Manhattan 32 Jahre lang eine überwiegend queere Synagoge und ist landesweit als Kämpferin für die Akzeptanz queerer Menschen im Judentum bekannt.

«Es ist, als ginge im Kino der Feueralarm los. Man schaut, ob die anderen aufstehen – wenn nicht, bleibt man auch sitzen. Doch genau jetzt müssen wir aufstehen!»

Teilnehmer der Protestaktion

Nach eigenen Angaben hat die Bewegung inzwischen rund 1000 Mitglieder in New York und in weiteren kleineren Städten der USA, steht in Kontakt mit anderen Widerstandsgruppen und organisiert sich über Whatsapp-Gruppen. Einmal pro Woche stellen sie sich mit Schildern auf die Strasse, um ihren Protest gegen die Trump-Regierung sichtbar zu machen. Gleichzeitig soll theBeacon Nachbar:innen miteinander ins Gespräch bringen und ein Gefühl von Solidarität schaffen, wie es im Anmeldeformular heisst.

Beifall von Autofahrer:innen

Miriam Victory Spiegel hat theBeacon in die Schweiz gebracht, um Inspiration für andere US-Amerikaner:innen, sowohl Tourist:innen als auch Expats, zu sein. «Aber auch um in der Schweiz alle daran zu erinnern, wie schlimm es ist, was gerade in den USA passiert», sagt sie.

Ihr liegt die Idee der Gleichheit und der Demokratie stark am Herzen. Schon in den 1960er-Jahren engagierte sie sich in Friedens- und Frauenrechtsbewegungen, damals noch in den USA. Vor 45 Jahren zog es sie in die Schweiz.

Die Deportationen durch die ICE-Behörde, der Abbau von Grundrechten und die Einschränkung der Pressefreiheit in den USA treiben sie um. «Besonders Angst macht mir die schnelle Ausbreitung von Rassismus», sagt Spiegel. Sie selbst ist Jüdin: «Meine Eltern flohen vor dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland. Ich weiss genau, was es bedeutet, wenn Demokratien zerstört werden.»

Eine Dame mit einem Schild, auf dem "Resist" steht
Zu den Protestaktionen kommen jeweils nur ein Dutzend Menschen. Die Teilnehmer:innen wünschen sich mehr Unterstützung. (Bild: Kai Vogt)

Während Spiegel spricht, prasselt der Regen weiter. Nur wenige Passant:innen sind unterwegs, der Feierabendverkehr rauscht vorbei. Einige Autofahrer:innen hupen, ein Mann kurbelt das Fenster herunter, zeigt den Daumen und bedankt sich für das Engagement.

Gleichzeitig hält die Gruppe nicht nur Schilder hoch, sie tauscht sich auch über die neuesten politischen Ereignisse aus.

«Die heutigen USA sind radikal anders als unter der Biden-Administration», sagt ein hochgewachsener Mann mit Brille, der hier anonym bleiben möchte. Die internationalen Beziehungen seien schwer beschädigt, auch jene zur Schweiz seit der Einführung der hohen Zölle. «Es wird Jahre dauern, diese wieder aufzubauen.»

Blick auf die Midterms 2026

Besonders beunruhigt die Aktivist:innen die jüngsten Entwicklungen: Der rechtsextreme Aktivist Charlie Kirk wurde ermordet und zum Märtyrer-Symbol verklärt, die regierungskritische Late-Night-Show von Jimmy Kimmel zeitweise abgesetzt und nur durch massiven öffentlichen Druck zurückgeholt. «Dieser Druck darf nicht nachlassen», sagt Spiegel. «Ich weiss, es ist anstrengend – aber wir müssen durchhalten bis zu den Wahlen.»

Die Gruppe hofft auf die Midterm-Wahlen am 3. November 2026, hat jedoch Angst, bis dahin in ihrem Wahlrecht gehindert zu werden. Aktuelle Bestrebungen der Trump-Regierung zielen darauf ab, die Briefwahl stärker einzuschränken. Der junge Mann vermutet politisches Kalkül: Laut Daten der Democrats Abroad wählen US-Bürger:innen im Ausland grossmehrheitlich demokratisch.

«Es fühlt sich an, als sässe man in einem Kino, und der Feueralarm geht los», sagt er. Man schaue nach links und rechts, ob die anderen aufstehen. Wenn niemand aufsteht, bleibe man selbst sitzen. «Doch genau jetzt müssen wir aufstehen.»

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