Gastbeitrag des Klimastreiks: «Wie der Wolf die Schafe warnt»
Der Abstimmungskampf zum kantonalen Energiegesetz hat Muster. Ein Rückblick zeigt, wie Bürgerliche gemeinsam mit betroffenen Lobbygruppen Propaganda machen, Verwirrung stiften – und am Ende gewinnen.
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag und wurde vom Klimastreik Zürich verfasst.
1997- 2004
Der Mieter:innenschutz in der Schweiz könnte besser sein. Wortwörtlich hätte er sich während der Jahrtausendwende zum Besseren kehren können. Damals lancierte der Schweizerische Mieter:innenverband die Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten», die unter anderem eine automatische Weitergabe von Hypothekarzinssenkungen an die Mieterschaft, einen verbesserten Schutz gegen sprunghafte Mietzinserhöhungen und ungerechtfertigte Kündigungen anstrebte. Gedämpft und am Ende verhindert haben den Anstoss der Schweizerische Hauseigentümerverband, bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände.
Die Gleichen, die sich im Abstimmungskampf zum kantonalen Energiegesetz das Argument des Mieter:innenschutzes zu eigen machen, nahmen vor 20 Jahren den Kampf gegen die Initiative «Ja zu fairen Mieten» auf, worauf unweigerlich ein langes Differenzbereinigungsverfahren folgte, das in einem nutzlosen Gegenvorschlag endete. Das Stimmvolk lehnte beide Vorlagen ab. Weshalb? Viele Leute waren angesichts der komplexen Ausgangslage schlecht informiert, wie eine Nachwahlbefragung zeigt.
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2021
Noch deutlicher in Erinnerung ist uns das Scheitern des CO2 Gesetzes. Die Vorlage hatte zum Ziel, den CO2-Ausstoss im Land sozialgerecht zu reduzieren, damit das bundesrätliche Klimaziel von netto Null bis 2050 machbar bleibt. Angesichts der haarsträubenden klimapolitischen Lage der Schweiz erfreute sich der Kompromissvorschlag breiter Unterstützung bis hin zur FDP. Die SVP hielt als einzige Partei dagegen. Gemeinsam mit den Erdölvereinigungen «Swissoil», an dessen Spitze der ehemalige SVP-Präsident Albert Rösti steht, und «Avenergy Suisse», der die Interessen der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe vertritt, warnte die Volkspartei nicht nur übermässig vor einer Mehrbelastung von Pendler:innen und Büezer:innen, sondern bediente sich gar der Falschinformation.
In der während des Wahlkampfs erschienenen Ausgabe «Avenue» wurde CO2 vom Treibhaus- zum Umweltgas, das ökologisch einen grossen positiven Effekt hat. Die millionenschwere Lügen- und Verwirrungskampagne zeigte am Ende ihre Wirkung. Die Stimmberechtigten lehnten die Vorlage mit 51.6 Prozent ab.
2021
Es bleibt die Gegenwart. Im November entscheidet die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich über die Revision des Energiegesetzes, um dem Ziel einer Energiewende einen Schritt näher zu kommen. Ein kleiner Schritt in Anbetracht einer riesigen Umweltkrise und ein grosser für die Zürcher Klimabilanz, sind die Öl- und Gasheizungen nämlich für rund 40 Prozent der kantonalen CO2-Emissionen verantwortlich.
Und sowieso: Ein hinfälliger Schritt im Hinblick auf die globale und historische Verantwortung, die Zürich als wohlhabende Gegend innehat. Nur «gewagt» — wie von der gegnerischen Seite behauptet — ist der Schritt ganz sicher nicht. Mit der Neuausrichtung setzt Neukom die 2014 beschlossenen Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich weiter um, wie es notabene in 17 Kantonen bereits erfolgreich geschehen ist. Trotzdem ergriffen die SVP zusammen mit dem Zürcher Hauseigentümerverband das Referendum. Einmal mehr bildet die Partei eine Allianz mit einer betroffenen Lobbygruppe, um gegen einen Kompromiss vorzugehen und mit haltlosen, aber Verwirrung stiftenden Argumenten vor steigenden Mieten und Leerkündigungen zu warnen. Die Besorgnis um die Mieter:innen scheint seit der Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten» plötzlich aus den Portemonnaies der Hauseigentümer:innen geschossen zu sein.
Und der besorgte Mieter Alain Schwald im Video des Gegenkomitees ist eigentlich auch nichts anderes als ein besorgter Freisinniger, der inkognito sein eigenes Einkommen im Erdölbusiness sichern will. Er arbeitet für die AVIA, die Vereinigung unabhängiger Mineralölimporteure, die sein Vater präsidiert. Der Widerspruch zwischen Klima- und Mieter:innenschutz ist konstruiert von Opportunist:innen, die nichts schützen wollen – ausser sich selber.
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