Songcircle: Todesmutig im Bagatelle

Am Mittwochabend, dem 25. Oktober 2016, habe ich mich todesmutig auf den Weg ins Bagatelle gemacht: zum Songcircle. Ein vermeintlich auserwählter Kreis trumpft mit Klängen und Klebern auf. Na dann, los!

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Ein wenig enttäuscht war ich dann schon, es gab gar keinen Zirkel! Ich dachte, ich werde reich beschenkt mit dem Teil aus der Geometriestunde. Auch gut, mit Geometrie kann ich eh nichts anfangen; verschmierte Hände, spitze Dinger, irgendwelche Formen, nope nicht meins!

Im Erdgeschoss des Bagatelles wird fleissig vorbereitet. Kürbisschnitzen. Aha. Gut, ich gehe lieber in den ersten Stock, Musik und so, eher meins. Kaum hab ich den Treppenabsatz verlassen, werde ich schon strahlend begrüsst „du musst Natalie sein“! Jackpot, die bin ich (doch ein Zirkel?). Nein, die Stickers verraten mir, hier geht es um den Songcircle.

Luca, bringt mich schnurstracks zu Mya. In der hinteren Ecke sitzen Crew und Künstler gemütlich beisammen, sie essen, plaudern. „Hello, sorry für die Störung, ich komme wegen dem Interview von Tsüri“. Mya hüpft auf, wischt sich den Mund ab. „Hoi, ja kein Problem, freut mich“. Der Papp-Teller mit Pasta wird gleich mitgenommen und wir laufen rüber zur Bühne. „En guete“ rufe ich den anderen noch rüber, ist schon asi während dem Essen reinzuplatzen. Zumindest ich finde es asi.

Mya Audrey ist die Gründerin des Songcircles. Vor gut dreieinhalb Jahren zog die Zürcherin ins hippe Berlin. Nicht nur wegen dem Pochen der City, nein, sie staubte einen Plattenvertrag ab. Sie singt, spielt, hüpft, ja sie ist Musikerin, Singer-Songwriterin.

„Es ist schwierig, als Auswärtige Anschluss zu finden, Gigs zu bekommen, aufzutreten. Jemand von meinem Label arbeitete noch in einer Bar ganz in der Nähe meiner Wohnung. Sie fragte mich, ob ich nicht Lust habe, einen Konzertabend in der Bar zu organisieren“.

Alle zwei Wochen hatten diverse Musiker die Möglichkeit, dort aufzutreten. „Im März 2014 entstand daraus Songcircle Berlin. Mittlerweile sind wir in einen Club umgezogen und haben so mehr Optionen“.

Ich schreibe, schaue auf ihre feine Pasta (hallo, Hunger!) und höre gespannt zu. Die Bühnenkante ist Hart, mein Po schmerzt, ich lasse mir nichts anmerken, wart, ich rutsche ein wenig nach rechts, ah besser! Links von mir setzt sich jemand auf den Boden. „Das ist unser Hausfotograf“ – sehr gut, dann können wir ja noch schöne Bilder in den Artikel hauen. Zack, der Hausfotograf geht wieder, das war mal ein kurzes Intermezzo. Sagenumwobene fünf Minuten später sind wir wieder zu dritt. Mya schwelgt in den Erzählungen, isst einen Happen, und geht richtig auf. „Ah das ist übrigens Anne“ – „hi freut mich dich kennen zu lernen“ sage ich und reiche ihr meine Hand. „Anne gehört zum Team. Sie macht das Booking und mischt während den Konzerten ab.“

Zu guter Letzt gesellt sich der strahlende Luca dazu. „Luca macht alles was mit Social Media zu tun hat“. Alles klar, nun hab ich die drei Songcircle Leute vor mir. Wie sie sich wohl kennen lernten? Mya klärt auf: „Luca hatte mir damals eine Nachricht geschrieben wegen einem WG-Zimmer in Berlin. Er absolvierte sein Praktikum für Mediendesign in Deutschland. Anne kenne ich von einem früheren Projekt. Wir hatten miteinander geschrieben und ich erzählte ihr vom Songcircle.“

Seit September 2015 treten an jedem letzten Mittwoch des Monats jeweils drei Künstler auf. Die Kombination besteht vorwiegend aus zwei nationalen und einem internationalen Act. „Das ist jedoch nicht zwingend, dennoch von Vorteil. Damit auch die Leute aus der Gegend kommen“.

Und was macht jetzt den Songcircle so speziell? Was ist anders als die restlichen Konzertabende, die wir mittlerweile tausendfach in Zürich antreffen? Mya löst das Rätsel. „Uns ist es wichtig, dass sich die Künstler Vernetzen können. Wir geben den Musikern die Chance, auch in Berlin aufzutreten. Zum Beispiel Roli Frei, er tritt am Sonntag in Berlin auf. So kann er sich dort wieder neu vernetzen und kann seine Community erweitern.“ Darum der Name, hä? „Ja der Circle soll den Kreis der Bühnen darstellen. Berlin, Zürich und ab Januar 2017 dann noch Wien“. Der heutige Abend kreist um das Genre Singer-Songwriter. Das kann immer anders sein, auch die Formationen sind unterschiedlich (heute sind ausschliesslich Solo-Künstler am Werk).

„Der Abend soll dem Publikum einen Vorgeschmack geben. Alle treten jeweils für 30 Minuten auf. Dazwischen gibt es 15 Minuten Pause. So können sie sich einen ersten Eindruck verschaffen und ggf. an ein Konzert des Künstlers gehen, wenn es denn gefällt“, betont die Sängerin.

Die Musiker sind alle noch in der Ecke am Essen, es wirkt alles sehr familiär und persönlich. „Könnt ihr davon leben?“, frage ich Mya. Sie lächelt. „Nein. Zu Beginn haben wir wirklich alles selber gemacht. Mittlerweile können wir einige Sachen abgeben. Aber wir arbeiten alle nebenbei noch. Daher ist es für uns auch wichtig, dass die Stadt Zürich uns, die Musiker, die Kultur und die Szene auch fördert.“

Huch, die ersten Gäste treffen bereits ein, eine davon ist eine gute Freundin von Mya und Stammgast. Wir beenden den Songcircle Talk und trinken einen Kaffee.

Die drei Talente des Abends sind Liad Fer, ein Israeli mit einer schampar warmen Stimme. Roli Frei, ein Basler Silberrücken, der seinen jungen Zeitgenossen locker Paroli bieten kann und Silas, der Frontmann von Royal Riot, ein Entertainer pur!

Für mich steht fest, dass hinter dem Songcircle drei junge, ambitionierte Musikliebhaber stecken, die mit ihrer Konzertserie eine Marke erschaffen haben. Wohin sich diese entwickelt, ist stark von euch abhängig, liebe Zürcher und Zürcherinnen. Öffnet doch einfach mal die Türe und tretet ein ins Bagatelle, wenn wieder Songcircle angesagt ist.

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