David Müller: Locationscout, Student und Tsüri-Member
Der Member mit der Nummer 666 sucht in der ganzen Schweiz nach Drehorten für Spielfilme und Werbespots, daneben studiert er an einer Fernuniversität Philosophie. Das Porträt über David Müller, den Member mit dem vermutlich coolsten Job aller Tsüri-Member.
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Am vergangenen Silvester stand er plötzlich in meiner Küche und erzählte etwas von Selbständigkeit, der Filmbranche, dem Engadin und seiner abgelaufenen Tsüri-Membership mit der Nummer 666; er schien ein netter junger Mann zu sein. Lokalnachrichten, Hintergründe über das Stadtgeschehen und unabhängiger Journalismus sind ihm genauso wichtig, wie ein sprudelndes Getränk zum Jahreswechsel. Dass David Müller an diesem Abend aus meinem Schüsselchen ass und auf meinem Stühlchen sass, war kein Zufall. Zürich ist klein, und alles, was irgendwie selbständig und im Kreis 4 wohnhaft ist, gehört eh zur gleichen Bubble. Seither ist der 33-Jährige Teil meines Freundeskreises. Und als Teil meines Freundeskreises war der soziale Druck, die Nummer 666 wieder zu aktivieren, gross genug, sodass wir an diesem Herbsttag zu zweit einen Ausflug machen.
Zu Besuch am Stammtisch
Zu Davids Beruf gehört das Unterwegssein. Er ist Locationscout und sichtet Orte, wo Filme und Werbespots gedreht werden. Unsere heutige Mission: Eine Location für ein Hipster-Burger-Restaurant finden. Natürlich suchen wir kein bestehendes Restaurant, sondern einen Ort, den die Crew in ein solches verwandeln kann.
Ich habe meinen Frieden, ich kann Arbeiten wann ich will und vor allem: Ich komme aus meiner Bubble raus.
David Müller
Bevor der Scout losziehen kann, läuft es in der Regel so ab: Jemand gibt einer Agentur den Auftrag für einen Werbespot, diese Agentur geht zu einer Filmfirma, diese Filmfirma ruft David an, David packt sein Handy ein und schwingt sich aufs Velo oder steigt ins Auto. Los geht’s.
Gemäss Briefing der Agentur und Regie soll die Werbung mit dem Burger-Restaurant an einem Tresen in einer alten Industriehalle gedreht werden. Der Scout hat eine Idee und so fahren wir mit dem Velo in die Binz. Nicht immer sind die Locations so nah an seinem natürlichen Habitat, dem Kreis 4. Er sei spezialisiert auf Drehorte in der Natur. Also wandert er viel, sucht nach der schönsten Kuh der Region, lässt sich mit dem Helikopter auf Berggipfel fliegen.
«Hey David, dein Job ist voll toll!», dies bekommt er oft zu hören und entgegnet jeweils: «Ja, ich weiss.» Er sagt dies nicht arrogant oder überheblich, er macht seinen Job einfach wirklich gerne.
Was ist denn das Tolle an diesem Beruf, den einem kein*e Berufsberater*in empfehlen würde, weil es dafür keine Ausbildung gibt? «Ich habe meinen Frieden, ich kann Arbeiten wann ich will und vor allem: Ich komme aus meiner Bubble raus.» Auf Recherche sitzt David oft an Stammtischen und plaudert mit den Einheimischen, weil er Informationen braucht. So entstehen neue Begegnungen, die es in der Stadt kaum gäbe. So lernt er die Schweiz kennen, wie es ein Städter kaum tut.
Die Sehnsucht nach sozialem Kontakt
Und, wie läuft das Geschäft? Das einzige wirkliche Auftrags-Loch in seinen sechs Jahren als Scout war damals vor der No-Billag-Initiative, als niemand wusste, wie es mit der Schweizer Filmbranche weitergehen würde. Abgesehen davon ist David ein gefragter Mann und meistens ausgebucht.
Der Scout ist meistens unterwegs, alleine, hört im Auto Podcast, stiefelt auf Bergen rum, begutachtet Bauernhöfe, fotografiert Villenquartiere. Die Abwechslung sei super, das Alleinsein auch. Meistens zumindest. Nach langen Tagen alleine im Auto sehne sich der studierte Touristikfachmann nach sozialem Kontakt, verständlich. David war nicht immer Locationscout, wie denn auch.
Aufgewachsen im Zürcher Weinland, Lehre in der Kronenhalle, Touristikstudium im Engadin, daneben ein Praktikum bei einer Fotoproduktion. Das machte ihm Spass, er suchte die Nähe zum Film, wurde Kabelträger, Produktionsassistent, Aufnahmeleiter und Locationscout. Irgendwann hat er sich selbständig gemacht.
David wird vielleicht nicht für immer Locationscout bleiben. Neben dem Scouting studiert er an einer Fernuniversität in England Philosophie. Ein Studium an einer Uni, mit Vorlesungen, Anwesenheitszeiten und anderen zeitlichen Verpflichtungen geht nicht mit dem Job zusammen. Es wird noch etwas dauern, das Studium geht sechs Jahre, berufsbegleitend, und es ist erst ein Jahr um.
David, wirst du nachher Profi-Philosoph? «Keine Ahnung, was dann ist. Im Moment geniesse ich einfach den intellektuellen Ausgleich, den mir das Studium verschafft.»
Ob unsere gesichtete Location für den Werbespot genutzt wird, wissen wir noch nicht. Aber David ist überzeugt, dass es passt. Zur Sicherheit schickt er, wie immer, mindestens drei gute Optionen an die Kund*innen.
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