Gentrifizierung im Kreis 4

Und wieder trifft es einen Club: Die Schickeria macht dicht

Noch bis Ende Jahr läuft der Betrieb an der Neufrankengasse 4, dann ist Schluss: Die Schickeria muss ausziehen. Statt lauter Nächte soll künftig ein Café- und Apérokonzept für mehr Ruhe sorgen. Ein Sinnbild für den Wandel der Langstrasse.

Eingang der Schickeria an der Neufrankengasse 4
Die Umbauarbeiten haben bereits begonnen, am 3. Januar muss der Schickeria Turbo Club endgültig ausziehen. (Bild: Kai Vogt)

Sie liegt im Herzen des Zürcher Langstrassenquartiers, an der Neufrankengasse 4, direkt vor der Bahnunterführung und gegenüber der Olé-Olé-Bar: die Schickeria. Seit zehn Jahren prägt sie das Leben an dieser Ecke, doch am 3. Januar muss das Lokal, das zugleich Bar und Club ist, schliessen.

Grund dafür ist ein Entscheid der Eigentümerschaft des Hauses, die Alwina Buchner-Stiftung. Bereits seit knapp einem Jahr lässt sie das Gebäude sanieren und ausbauen; die Wohnflächen werden vergrössert. Damit einher geht nun offenbar auch ein Wechsel der Mieterschaft.

Auf Anfrage schreibt Franziskus Pongratz, Mitglied des Stiftungsrates der Alwina Buchner-Stiftung: «Nach den Umbauarbeiten wird das Haus weiterhin als Wohn- und Geschäftshaus vermietet.» Es werde eine gastronomische Nutzung angestrebt, welche gut mit einer Wohnnutzung des Hauses vereinbar ist. Konkreter wird Pongratz nicht. 

Betreiber:innen suchen neues Lokal

Yoel Bratt, Geschäftsführer der Schickeria, bedauert den Entscheid. «Mit den Anwohner:innen hatten wir immer ein gutes Verhältnis», sagt er. Beschwerden habe es kaum gegeben. Und laut bleibe es an dieser Ecke ohnehin: Die Olé-Olé-Bar lockt von Montag bis Sonntag bis frühmorgens Gäst:innen an, auf der anderen Strassenseite liegt der Club Gonzo, der ebenfalls unter der Woche geöffnet hat. Zudem zieht das Partyvolk direkt davor vorbei, wenn es durch die Langstrassen-Unterführung geht.

Den Betreiber:innen der Schickeria wurde vor drei Monaten gekündigt. Anzeichen dafür habe es allerdings schon früher gegeben. Wegen der laufenden Umbauarbeiten musste die «Schicki», wie sie auch genannt wird, bereits von Januar bis März dieses Jahres schliessen – und öffnete danach mit einem Relaunch. Aufgrund der baulichen Einschränkungen habe man Konzept und Öffnungszeiten anpassen müssen, sagt Bratt. Auch der Name wurde leicht verändert: in Schickeria Turbo Club.

«Die Schickeria ist für uns ein echtes Herzensprojekt», sagt Dejan Müller, Mitinhaber der Schickeria. Man wolle das Konzept deshalb gerne an einem neuen Ort weiterführen, wofür man derzeit einen passenden Standort suche. Was künftig in den bisherigen Räumlichkeiten entstehen soll, wisse er nicht genau. Nur so viel: «Nach aktuellem Stand ist ein Café- und Apérokonzept geplant.»

Schickeria ist kein Einzelfall

Die Schliessung der «Schicki» ist Teil eines grösseren Wandels im Zürcher Nachtleben. Im März dieses Jahres musste der bekannte Techno-Club Zukunft an der Dienerstrasse schliessen, da das Gebäude abgerissen wurde. An seiner Stelle entstehen nun, direkt vor der Piazza Cella, neue Wohnungen und ein Coop Pronto. Auch das Mascotte am Bellevue hat in diesem Sommer seine Türen geschlossen. Letztes Jahr traf es den Sender, 2027 soll das Xtra folgen.

Zudem fügt sich der Fall in eine Reihe von Aufwertungen der Langstrassengegend ein: An der Sihlhallenstrasse, unweit der Schickeria, haben Ende Juli über 30 Mietparteien die Kündigung erhalten. An der Josefstrasse 137 gab es ebenfalls im Juli eine Leerkündigung, die besonders die tamilische Community im Kreis 5 hart trifft.

Alexander Bücheli, Sprecher der Bar & Club Kommission Zürich, zeigt sich von der Entwicklung wenig überrascht. Im Zuge der Gentrifizierung verändere sich die Langstrasse, es gebe immer weniger günstige Wohnungen und WGs. «Ein Betrieb wie die Schickeria, mit viel Musik und einer grossen Aussenfläche, verträgt sich nicht mit Luxuswohnungen.»

Durch diese Entwicklungen drohe die Langstrasse jene Szene zu verlieren, die in den letzten Jahren ihren besonderen Reiz ausgemacht habe. «Es besteht die Gefahr, dass das Quartier zu einem zweiten Niederdorf wird: schön anzusehen, aber nicht mehr so lebendig.» Und ohne ein vielfältiges Nachtleben würde die Stadt Zürich stark an Attraktivität verlieren. Bücheli richtet deshalb einen klaren Appell an private Investor:innen: «Muss es wirklich immer eine Luxussanierung sein?»

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