Gegen Privatjets, Coop und Migros – Klimastreik Zürich stellt neuen Aktionsplan vor
Im Zuge des globalen Klimastreiks vom 15. September haben Klimaaktivist:innen vergangenen Samstag einen neuen Aktionsplan präsentiert, um Menschen in der Region Zürich zu mobilisieren. Die Massnahmen gegen die Klimakrise reichen von mehr Windkraft bis hin zu einem Verbot von Kurzstreckenflügen.
Verstreut laufen Menschen über die Dammbrücke, ihre Haare sind teils noch nass vom Sprung in die Limmat. Unweit liegt die Dammbar, die an diesem Donnerstagabend rappelvoll ist. Gruppen zwängen sich an die Tische, trinken Cocktails und vertilgen Aperohäppchen. Den Blick auf den Swissmill Tower richten nur wenige. Vereinzelt nehmen sie die grossen Lettern zur Kenntnis. Schnell widmen sie sich wieder ihren Tischgesprächen, das Wort «Klimakrise» fällt kaum.
Kurz nach 21 Uhr richteten Zürcher Klimaaktivist:innen eine Projektion auf das Silo. «Die Klimakrise ist hier und jetzt», steht da, sie listen Städte auf, die wohl eines Tages im Meer verschwinden werden. Die Aktion verläuft still, doch die Message ist klar: heraus zum internationalen Klimastreik am 15. September.
Zivilbevölkerung soll aktiver werden
Doch dem nicht genug. Zwei Tage später stellt der Klimastreik Zürich einen neuen Klimaaktionsplan vor, den die Aktivist:innen zusammen mit Forschenden ausgearbeitet hat. Durch ihn soll die Gesellschaft wieder stärker mobilisiert werden.
Es sei wichtig, den Kampf gegen die Klimakrise konkret anzugehen, deshalb habe man sich auf 15 Massnahmen für den Kanton und die Stadt Zürich geeinigt, erklärt Cyrill Hermann vom Klimastreik. Die Forderungen seien zwar an die Politik gerichtet, doch sie sollen in erster Linie Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten motivieren, sich zu organisieren und gemeinsam sich für deren Realisierung einsetzten. Es müssten sich wieder mehr aktiv für den Klimaschutz engagieren – nicht nur Schüler:innen der Klimastreik-Bewegung.
«Nicht alle haben gleich viele Ressourcen; sei es, weil man Vollzeit arbeitet oder Care-Arbeit leistet. Und ohne die Unterstützung aus der breiten Bevölkerung kommen wir nicht weiter.» Beim Aktionsplan würde deshalb jede:r mitmachen können und müssen – auch Rentner:innen, Eltern, Alleinerziehende oder Vollzeit-Angestellte.
Doch wie soll der Aktionsplan umgesetzt werden? Die Massnahmen seien nicht über persönliche Konsumveränderungen zu bewältigen, so Hermann: «Deshalb geht es vor allem darum, sich zu organisieren und darüber nachzudenken, wie man genügend Druck auf jene Akteur:innen aufbauen kann, die in unserem aktuellen System die Hebel in der Hand haben.»
«Es reicht nicht mehr aus, auf die Strasse zu gehen.»
Cyrill Hermann, Klimaaktivist
Ziel sei es, dass sich am Kick-Off-Event vom 7. Oktober um die 150 Personen finden, die sich für eine der Massnahmen begeistern können und Gruppen bilden. Diese sollen dann die Forderungen vorantreiben. Sei es mittels Petitionen, Initiativen, der Organisation von Demonstrationen oder anderen Aktionen. Welche Strategie für welche Massnahme sich am besten eignet, würden die Gruppen unter sich ausarbeiten.
Wir haben dir die auffallendsten Punkte zusammengefasst:
Mehr Zugnutzungen und ein Flugverbot
Die Aktivist:innen fordern vom Kanton Zürich ein sogenanntes Klimaticket, das maximal 100 Franken kostet. Mit diesem soll der Nahverkehr noch mehr genutzt und Carsharing-Angebote attraktiver werden. Am letzten Montag sprach sich der Zürcher Kantonsrat für eine Pistenverlängerung am Flughafen Zürich aus. Gegen diesen Entscheid stellten sich SP, GLP, Grüne und AL – und nun auch der Klimastreik: Die Aktivist:innen fordern einen sofortigen Ausbaustopp des Flughafens und ein Landeverbot für Privatjets. Um vom Fliegen wegzukommen, brauche es Verbote. So sollen etwa Kurzstreckenflüge, die unter zehn Stunden mit dem Zug zu erreichen sind, bis 2026 untersagt werden.
Relevante Unternehmen sollen enteignet werden
Wirtschaftssektoren, welche die Allgemeinheit betreffen, sollen unter demokratische Kontrolle der Zivilgesellschaft fallen. Die Aktivist:innen sprechen hier von Vergesellschaftung und nicht von Enteignung.
Abriss von Gebäuden stoppen
Etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der Schweiz gehen auf den Bausektor zurück. Darum soll der Kanton Abrissprojekte künftig strenger bewerten, Bewilligungspflichten verschärfen und Sanierungen im Vergleich zu Neubauten attraktiver machen. Auch soll die Entsorgung von Bauschutt teurer werden.
Windkraft und weniger Energieverbrauch
Windräder sollen vermehrt aufgestellt werden. Konkret fordern die Aktivist:innen, dass der Kanton bis 2030 das Potenzial von Windkraftwerken zu 90 Prozent ausnutzt. Allgemein gelte es, den Energieverbrauch zu reduzieren, auch hier seien Vorschriften unentbehrlich.
Gegen Foodwaste bei Coop und Migros
In der Schweiz gehen jährlich rund 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel verloren. Konkrete Massnahmen, wie Foodwaste verhindert werden kann, listen die Aktivist:innen nicht auf. Im Aktionsplan spricht man von der Idee, dass beispielsweise Kühlschränke für überschüssige Lebensmittel zur Verfügung stehen sollten. Auch wird die Marktmacht von den beiden grossen Detailhändlerinnen Coop und Migros angesprochen. Gegen diese gelte es vorzugehen, so soll der Kanton Plattformen erstellen, die es Produzent:innen ermöglichen, ihre Lebensmittel direkt an ihre Kundschaft zu verkaufen.
Trotz des neuen Klimaaktionsplans brauche es Aktionen wie jene am Swissmill Tower und Demonstrationen, findet Hermann. Diese Art von Aktivismus habe sich aber auch ein Stück weit abgenutzt: «Es reicht nicht mehr aus, auf die Strasse zu gehen.» Zwar hätten sich viele Politiker:innen Mühe gegeben, die Forderungen der Klimastreik-Bewegung in die Parlamente zu bringen, doch oftmals wären diese so stark abgeschwächt worden, dass sie am ursprünglichen Ziel vorbeigeschossen seien.
Der Aktionsplan gebe wieder neue Hoffnung, sagt Hermann. Auch nehme er Druck von den Schüler:innen des Klimastreiks. In fast fünf Jahren, seit es die Bewegung in der Schweiz gibt, sei ihnen klar geworden: «Es liegt nicht in der Verantwortung unserer Generation, die Klimakrise abzuwenden. Wir können den Systemwandel nur schaffen, wenn sich alle daran beteiligen.» Deshalb versuche man nun neue Wege.