Circular Economy: Wieso wir unsere Wirtschaft neu denken müssen

Wollen wir den Klimawandel effektiv eindämmen, müssen wir nebst individuellen Verhaltensänderungen und konsequenter Klimapolitik auch unsere Wirtschaft umstrukturieren. Die Idee der Kreislaufwirtschaft kann uns hier den Weg in Richtung Netto-Null weisen. Der Zürcher Kantonsrat hat am Montag entschieden, dieses Prinzip in die Kantonsverfassung aufzunehmen.

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Foto: John Cameron / Unsplash

Text: Valentin Rubin

Der neueste Bericht vom Weltklimarat IPCC machte es nochmals deutlich: Der Klimawandel ist das drängendste Problem unserer Zeit. Unsere Ressourcen sind begrenzt und es drohen düstere Szenarien, wenn wir die Treibhausgasemissionen nicht rasch reduzieren.

Massnahmen dazu sind längst bekannt: Erneuerbare Energien, weniger Fleischkonsum, weniger Flugreisen. Doch eigentlich braucht es mehr. Es braucht einen Systemwandel, mit dem wir nicht nur unseren Konsum anpassen, sondern auch unsere Wirtschaftsweise grundsätzlich umstellen.

Ein Beispiel, wie das gehen könnte, liefert die Kreislaufwirtschaft – eine Wirtschaftsweise, die uns wegbringen soll vom linearen Konsum. Also weg von der Idee, dass Rohstoffe standardmässig abgebaut, zu Gütern verarbeitet, genutzt und letztlich entsorgt werden. «Wir dürfen unsere planetaren Grenzen nicht überschreiten», sagt Nicolai Diamant vom Netzwerk Circular Economy Switzerland. «Dabei ist es wichtig, die Kreisläufe, in denen Produkte hergestellt und konsumiert werden, zu verkleinern, zu verlangsamen und im Idealfall zu schliessen.»

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Foto: Michael Jin / Unsplash

Konkret heisst das: Produkte sollen effizienter und nachhaltiger hergestellt werden, mit erneuerbaren Rohstoffen, mit weniger Abfall. Somit wird der Kreislauf der verwendeten Materialen verkleinert. «Zentral dabei ist auch, wie die Produkte designt werden», erklärt Diamant. «Wie muss man Produkte und Rohstoffe planen und designen, damit sie nicht nur länger verwendet werden, sondern auch unkompliziert zurückgebracht, repariert oder wiederverwendet werden können?» Überlegungen wie diese führen dazu, den Kreislauf zu verlangsamen und zu schliessen.

Tiefgreifende Veränderungen

Das Konzept wirkt überzeugend – in der Theorie. Doch wie sieht es mit der konkreten Umsetzbarkeit aus? «Im Alltag und in der Gesellschaft passiert noch nicht so viel, wie möglich wäre», sagt Catharina Bening, Ökonomin und Expertin für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft an der ETH Zürich. Es brauche grundlegende Verhaltensänderungen, aber: «Anscheinend brennt unsere Hütte noch nicht heiss genug.»

Am einfachsten wäre es, wenn eine ganze Industrie auf Kreislaufwirtschaft umsteigt.

Catharina Bening, ETH Zürich

Bening räumt aber ein, dass die Veränderungen in Richtung Kreislaufwirtschaft tiefgreifend seien. «Der Widerstand gegen solche Disruptionen kann gross sein, da mit ihnen viel Unsicherheit einhergeht.» Zudem sei es für viele Firmen schwierig, innert kurzer Zeit auf Kreislaufwirtschaft umzustellen. Oft sind sie an noch bestehende lineare Prozesse gebunden. Sie sind abhängig von der Wertschöpfungskette – von den Produkten, die sie beziehen, aber auch von Abnehmer:innen, denen sie ihre verarbeiteten Güter weiterverkaufen.

«Am einfachsten wäre es, wenn eine ganze Industrie auf Kreislaufwirtschaft umsteigt», sagt Bening. «Dazu ist die Koordination und Kommunikation innerhalb der Branche, aber auch mit der Wissenschaft zentral.» Denn erst das schaffe Transparenz und weise den Weg.

Das klingt sehr nach Utopie. Bening verneint aber: «Ich würde eher von Visionen sprechen. Und grundsätzlich ist alles umsetzbar. Auf dem Weg zu Netto-Null werden wir hoffentlich sehen, dass sehr vieles sehr viel schneller umgesetzt wird. Aber klar: Ohne Visionen wird sich so schnell nichts ändern.»

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Anreize für eine zirkuläre Wirtschaft

Solche Visionen bestehen bereits. Die Stadt Zürich hat zum Thema die Arbeitsgruppe Kreislaufwirtschaft ins Leben gerufen und will 2040 Netto-Null erreichen. Und auch im Nationalrat wird die Kreislaufwirtschaft diskutiert: Die Umweltkommission hat 2020 eine parlamentarische Initiative zum Thema eingereicht. Nicolai Diamant von Circular Economy Switzerland zeigt sich erfreut darüber: «Die Affinität für Kreislaufwirtschaft hat in den letzten Jahren zugenommen.» Und der Druck werde in Zukunft weiter steigen. «Noch haben wir die Möglichkeit, Dinge zu überschaubaren Kosten zu verändern.» In zwanzig Jahren sehe das vielleicht schon ganz anders aus.

Die Anreize für eine zirkuläre Wirtschaft seien zahlreich, sagt Diamant: «Es kann schon im kleinen beginnen, mit einer Effizienzsteigerung und einer Optimierung der internen Prozesse.» Weiter ist er überzeugt: «Kreislaufwirtschaft hat grosses Potential für die Wirtschaft. Wir sind stark von globalen Lieferketten und Preisschwankungen abhängig.» Eine Wirtschaft, in der Ressourcen schonend und nach Möglichkeit lokaler verwendet werden – eben eine Kreislaufwirtschaft –, wäre in dieser Hinsicht krisenfester und resilienter.

Woher wissen wir als Konsument:innen aber, dass ein Produkt wirklich nachhaltiger ist und aus einer Kreislaufwirtschaft heraus hergestellt wurde? Denn Greenwashing ist ein beliebtes Mittel für Unternehmen, sich als umweltfreundlich darzustellen – auch wenn sie das gar nicht sind. «Nachhaltige Wirtschaft ist ein komplexes, aber auch beliebtes Thema», sagt Catharina Bening von der ETH. «Da ist das Risiko von Greenwashing besonders gross.»

Wir müssen als Konsument:innen von der Idee des Besitzes wegkommen.

Nicolai Diamant, Circular Economy Switzerland

Daher ist die Einbindung der Wissenschaft wichtig – als Instanz, die Fakten bereitstellt, Alternativen vergleicht und Wege für die Zukunft aufzeigt. Und auch wenn Greenwashing nie ganz ausgeschlossen werden könne, ist Bening zuversichtlich: «Dass Kreislaufwirtschaft immer beliebter wird, ist sehr erfreulich.» Das schaffe ein immer breiteres Bewusstsein dafür.

Und wie sieht es mit den Kosten aus? Müssen wir uns darauf einstellen, in Zukunft mehr zu bezahlen, um dafür aber bessere Produkte zu haben? Oder müssen wir auf mehr verzichten?

Fest steht: Konsument:innen sowie auch Transparenz sind bei diesen Überlegungen zentral. Nicolai Diamant weist auf einen wichtigen Aspekt hin: «Wenn Produkte nicht einfach einmal verwendet und dann weggeworfen werden, sondern durch Wiederverwendung, Wiederaufbereitung oder Recycling im Kreislauf bleiben, gewinnen wir viel mehr Informationen über die Verwendung der Produkte.» Das helfe nicht nur Firmen, effizienter zu arbeiten, sondern zeige auch: «Wir müssen als Konsument:innen von der Idee des Besitzes wegkommen.»

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Foto: Edward Howell / Unsplash

Das hat Folgen für die Kosten. Wenn wir etwa ein robustes, nachhaltiges Produkt nur für eine gewisse Dauer mieten und dann wieder zurückgeben, zahlen wir weniger als wenn wir es kaufen und irgendwann wegwerfen – auch wenn die Produktion eines einzelnen Produktes teurer wäre.

Catharina Bening betont zudem: Viele Produkte sind eigentlich zu günstig. Externe Kosten, die etwa durch CO2-Emissionen entstehen, würden zu wenig berücksichtigt: «Im Moment handeln wir so, dass wir die Rechnung entweder in den Globalen Süden oder auf künftige Generationen abschieben. Wir sind aber nicht nur Konsument:innen, sondern auch Bürger:innen und Bewohner:innen dieses Planeten.» Da sei es illusorisch zu denken, man komme um die Kosten eines Umbaus herum.

Ganz nach dem Grundsatz: Wenn wir nichts tun, um ihn einzudämmen, werden uns die Kosten des Klimawandels letztlich einholen.

Am 1. Dezember stellt Circular Economy Switzerland die erste repräsentative Studie zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in Schweizer Unternehmen vor. Zum virtuellen Event kannst du dich hier anmelden.

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