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Café Zähringer – die linke Oase im Niederdorf
Das Café Zähringer neben der Zentralbibliothek gibt es seit den 80er-Jahren. Doch es stellt sich die Frage, wie lange noch. Das Kollektiv sucht nach Lösungen, um sich finanziell über Wasser zu halten.
Thyl Fueter (27) steht lässig im Eingangsbereich und reisst die Quittung schwungvoll vom EC-Terminal ab. «Bitteschön», sagt er und reicht sie einem Kunden. Er lässt seinen Blick durch das Lokal streifen und räumt leere Kaffeetassen von den Holztischen. Seit 1981 gibt es das Café Zähringer im Kreis 1. Der Ort ist Treffpunkt vieler Linken und wird als Kollektiv geführt. An der Aussenwand des Cafés hängen antikapitalistische Plakate, Streik-Aufkleber und eine «Free Palestine»-Flagge.
Studijob im Zähringer
Eine junge Frau betritt das Café. Sie hat heute ihren Einführungstag für einen Studentinnenjob. Insgesamt arbeiten rund 30 Mitarbeitende im Lokal. «Das Zähringer ist einer der einzigen Orte in Zürich, wo man ohne Gastroerfahrung direkt einsteigen kann.» Eigeninitiative sei gefragt, so funktioniere das Kollektiv schon von Anfang an, sagt Fueter.
Julian D’amico (31) gesellt sich dazu, er arbeitet bereits seit einem Jahr im Zähringer. Das sei eine lange Zeit, meint er und zieht die Augenbrauen hoch. Die Fluktuationsrate sei extrem hoch. Der häufige Personalwechsel vereinfache die Arbeit nicht gerade. Die fehlende Eingespieltheit im Team sei sicher ein Mitgrund, warum es dem Lokal seit einigen Jahren finanziell nicht gut gehe, entgegnet Fueter.
Hier ist das Wasser gratis
«Bei uns besteht kein Konsumzwang und das Wasser ist gratis», schmunzelt Fueter. Das zeichne den Ort aus. Es soll ein Safe Space sein, in dem alle willkommen sind. Diese Mentalität würde man auch den Gäst:innen ansehen, sagt D’amico. Er zeigt auf eine ältere, schick angezogene Dame, die in einer Zeitung blättert. Diese Frau sei seit einigen Wochen fast täglich hier, erzählt er. Am Tisch nebenan sitzt ein junger Mann mit Airpods, der auf seinem Laptop herumtippt. Neben ihm ein Pärchen, das sich ruhig unterhält und ein Bier trinkt.
«Für mich war ein Highlight, als zwei Gäst:innen sich letztens das Essen geteilt haben», sagt Fueter. Sie hätten sich nicht gekannt, seien aber ins Gespräch gekommen, da sie am gleichen Tisch sassen. Im Aussenbereich sind die Tische gross, oft würden sich Menschen, die einander nicht kennen, gegenübersitzen. Dass so ein Gespräch entsteht, sei keine Seltenheit, so Fueter.
Das Zähringer ist in den 80er-Jahren entstanden. In einer Zeit der Unruhe, in der die Zürcher Jugend für Freiräume und gegen eine konservative Politik auf die Strasse ging.«Das Zähringer war schon immer ein antikapitalistischer Ort», so D’amico. Es sei ein wichtiger Treffpunkt im Niederdorf und unterscheide sich stark von den anderen Lokalen im Kreis 1. Das Zähringer ist mitten im Tourist:innenhotspot und soll, wie es in den Statuten der Genossenschaft steht, ein Ort der Begegnung sein, an dem sich Menschen wohlfühlen und einfach «sein» können.
Alle und niemand sind Chef:in
D’amico tippt mit dem Finger auf die rund zehnseitigen Statuten der Genossenschaft. Dort ist nicht nur festgehalten, was das Zähringer der Bevölkerung bieten, sondern auch, wie das Lokal geführt werden soll. Jede:r soll Chef:in sein und gleichzeitig auch niemand. Im Kollektiv sind nicht alle Mitarbeitenden, zurzeit sind etwa zwei Drittel aller Angestellten dabei. Jedes Mitglied übernimmt Aufgaben, die erledigt werden müssen, damit das Café funktionieren kann.
«Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als an einem Ort zu arbeiten, an dem man mitgestalten kann», so Fueter. Auch D’amico sieht in der flachen Hierarchie den richtigen Ansatz. Den richtigen, jedoch nicht den einfachsten.
Jede Entscheidung dauert lange und die Eigenverantwortung setzt grosses Vertrauen voraus. Auch bei der Diskussion, wie das Zähringer finanziell wieder stabiler werden kann, gehen die Meinungen auseinander. Ein Mitglied habe die Idee gebracht, neue Spezialgetränke zu kreieren. Auch häufiger Livekonzerte zu veranstalten, stehe zur Debatte, sagt D’amico.
Rote Zahlen im Zähringer
Das Café gehört der Genossenschaft Zähringer. Wer zum Kollektiv gehört, ist automatisch Teil davon und bezahlt einen Betrag von 1000 Franken. Letzten November hat diese das Café mit einem Zuschuss von 50’000 Franken unterstützt. «Dieser Betrag hat uns gerettet», sagt Fueter. Die Bilanz sei bei der Jahresabrechnung im Minus gewesen und das Zähringer habe die Unterstützung gebraucht. «Einige unvorhersehbare Investitionen wie eine kaputte Abwasch- und Kaffeemaschine haben uns stark ins Minus gezogen.» Auf solche Dinge vorbereitet zu sein, sei für ein nicht gewinnorientiertes Lokal unmöglich gewesen, so D’amico. Auch andere Faktoren wie das schlechte Wetter zu Beginn dieses Sommers hätten einen Einfluss auf den tiefen Umsatz.
Auf die Frage, was sie sonst noch für Ideen haben, um mehr Umsatz zu generieren, beginnen D’amico und Fueter eine angeregte Diskussion. Vorschläge wie die Erhöhung der Verkaufspreise kommen zur Sprache und werfen sofort Pro- und Kontra-Punkte auf. Eine einfache Antwort auf diese Frage können die beiden Kollektivmitglieder nicht geben.
D’amicos Schicht ist inzwischen zu Ende. Fueter bleibt, seine Aufgabe heute: Die neue Kollegin einarbeiten.
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