Beziehungsstatus Plastik: Es ist kompliziert

Plastik ist eine der wichtigsten Erfindungen der Menschen. Jedoch ist die globale Plastikverschmutzung zu einem ernsthaften Umweltproblem geworden, die Wildtiere und ganze Ökosysteme bedroht. In diesem Gastbeitrag erfährst du, warum wir von Plastik abhängig sind, warum das Material so problematisch ist und was mögliche Alternativen sind.

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Text: Manuel Rico Holzer (Informationen zum Autor findest du unten im Artikel)

Plastik ist überall. Wenn morgens aufwachen und das Licht anmachen, drücken wir auf einen Knopf aus Plastik, unsere Kaffeemaschine oder zumindest der Dichtungsring unserer Bialetti ist grösstenteils aus Plastik. Das Smartphone, mit dem wir während des Frühstücks Musik hören oder die News checken, würde ohne Plastik nicht funktionieren. Sobald wir unsere Schuhe anziehen und uns auf unser Velo schwingen, haben wir höchstwahrscheinlich Plastik an den Füssen, sitzen auf einem Sattel aus Plastik, halten in unseren Händen Lenkergriffe aus Plastik und setzen uns einen Helm aus Plastik auf den Kopf.

Stabil, leicht und einfach formbar

Was ist Plastik überhaupt und warum ist dieses Material nicht aus unserem Alltag wegzudenken? Unter den Namen Plastik oder Kunststoff werden heute eine Vielzahl verschiedener Materialien mit diversen Eigenschaften und Verwendungszwecken zusammengefasst. Plastik ist nicht gleich Plastik. Was allen Kunststoffen gemein ist: Sie kommen in der Natur nicht vor und werden deshalb mit Hilfe chemischer Prozesse synthetisch hergestellt. Sie werden heutzutage mehrheitlich aus Abfallprodukten der Erdöl- und Erdgas-Raffinerie gefertigt, können aber auch aus erneuerbaren Ressourcen wie zum Beispiel pflanzlicher Stärke gewonnen werden. Plastikmaterialien bestehen aus synthetischen Polymeren (langen Ketten aus sich wiederholenden Molekülen). Diese sind stabil, leicht, beständig und einfach formbar, was sie für viele Anwendungen zum optimalen Material macht. Plastik kann für fast alles eingesetzt werden, was dank seiner billigen Produktionskosten heute auch der Fall ist.

Ohne Plastik kein Laptop und kein Handy

Um 1870 wurde der erste Kunststoff «Parkesin» dafür verwendet, das rare Elfenbein in Billardkugeln und Klaviertasten zu ersetzen, senkte so deren Produktionskosten und trug dazu bei, Wildtiere zu schützen. Die Plastikrevolution begann aber erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Seit jeher stieg die Plastikproduktion auf etwa 348 Millionen Tonnen im Jahr 2017 und hat wie kaum eine andere Erfindung unseren Alltag verändert – zumeist positiv. Plastik revolutionierte die Medizin und reduzierte die Gesundheitskosten, es erleichterte die Raumfahrt und ermöglichte so zum Beispiel die GPS-Systeme, die wir fast täglich nutzen. Plastik reduziert massgeblich das Gewicht jedes Autos und Flugzeugs – und somit den Treibstoffverbrauch und die daraus resultierende Umweltverschmutzung. Als dünne transparente Folie hilft Plastik, manche Essware länger frisch zu halten. In Form von Airbags und Helmen hat es schon manches Menschenleben gerettet und in vielen Regionen der Welt wird Trinkwasser über korrosionsbeständige Leitungsnetze aus Plastik verteilt und hat so in vielen wirtschaftlich schwachen Regionen massgeblich zur Verbesserung der Lebensqualität beigetragen. Zudem leiten Kunststoffe den elektrischen Strom nicht und sind deshalb optimal für elektronische Anwendungen.

Wenn Plastik zur Bedrohung wird

Wie so vieles hat auch die Plastik-Medaille eine Kehrseite. Neben all den Vorteilen, die Plastik zu bieten hat, ist die globale Plastikverschmutzung vor allem der Gewässer zu einem ernsthaften Umweltproblem geworden. Sind Langlebigkeit und Stabilität erst eine Stärke von Plastik, verwandeln sich diese in das Schlüsselproblem sobald Plastik in die Umwelt gelangt: In der Natur dauert es hunderte von Jahren bis es zersetzt wird, da es leider fast keine Mikroorganismen gibt, die Plastik als Nahrung nutzen können. Dies führt dazu, dass sich Plastik in Ökosystemen akkumuliert. Plastikabfälle bilden eine Gefahr für viele Lebewesen: Schildkröten ersticken an Plastiksäcken, Vögel verfangen sich in Nylonschnüren und Fischernetzen und wenn Tiere Plastikteile verschlucken, kann dies zu inneren Verletzungen oder Verstopfungen des Verdauungstraktes führen, um nur einige grausame Beispiele zu nennen.

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Mikroplastik ist überall

Neben grösseren Plastikstücken stellen Mikro- und die noch kleineren Nanoplastikpartikel eine weitere Dimension der Plastikverschmutzung dar. Diese kaum sichtbaren bis unsichtbaren Plastikteilchen entstehen meistens durch mechanische Abreibung und chemische Zersetzung von grösseren Stücken. Zum Beispiel von einer weggeworfenen Verpackung, die in einem Fluss treibt oder durch Reifenabrieb beim Auto- und Velofahren. Aber sie gelangen auch über häusliche Abwässer in die Umwelt: Viele Körperpflegeprodukte wie Duschgels oder Zahnpasten können Plastikpartikel enthalten, um einen Peeling-Effekt zu erzielen. Zudem werden beim Waschen synthetischer Kleider Mikroplastikfasern ausgewaschen, die ebenfalls über das Abwassersystem in die Gewässer gelangen. Weil Mikro- und Nanoplastikpartikel so klein sind, können sie sich fast überall in der Umwelt ansammeln; in Tiefseesedimenten bis landwirtschaftlichen Böden. Überall wo Forschende suchen, finden sie diese auch. Diese kleinsten Plastikteilchen werden von Würmern, Flohkrebsen oder Schnecken aufgenommen, da sie diese nicht von ihrer Nahrung unterscheiden können. Vor allem für Nanoplastikpartikel besteht das Potential, dass sie vom Gewebe der Organismen aufgenommen werden (Bioakkumulation). Werden diese Organismen dann von ihren Feinden gefressen, führt das zur Anreicherung von Plastik in der Nahrungskette.

Plastik als Ressource

Um der globalen Plastikverschmutzung entgegenzuwirken, müssen wir dafür sorgen, dass Plastik nicht mehr in die Umwelt gelangt. Dies erreichen wir, indem wir unseren Plastikkonsum reduzieren, Plastik recyceln und immer, wenn es nicht anders geht sicherstellen, dass Plastikabfall in der Mülltonne und nicht auf offener Strasse landet. Da unsere Gesellschaft in nächster Zeit wohl kaum ohne Plastik auskommen wird, ist es umso wichtiger, das wir möglichst viel davon recyceln. Dafür ist es wichtig, dass auf der ganzen Welt funktionierende Abfall- und Entsorgungssysteme existieren. Es gibt viele Initiativen um Plastikrecycling zu fördern. Eine davon ist die «Precious Plastic Community» (preciousplastic.com). Sie tut das, indem sie Recycling-Know-How und Anleitungen online gratis teilt und Menschen unterstützt, die eine Recyclinganlage bauen wollen. Falls du deinen Plastikabfall auch mal selbst recyclen möchtest, gibt es auch in Zürich einen Ableger (bit.ly/2IXXoAA). Dass Plastikabfall ein wertvoller Rohstoff ist, zeigt das Zürcher Start-up Project Circleg (projectcircleg.com). Es hat eine Beinprothese für Entwicklungsländer designt, die preisgünstig und lokal aus recyceltem Plastik produziert werden kann. Solche Projekte tragen dazu bei, dass wir einer globalen Plastik-Kreislaufwirtschaft einen Schritt näher kommen. Zudem steigern sie das Umweltbewusstsein der lokalen Bevölkerung und zeigen ihr auf, dass Plastik eine Ressource und kein Abfall ist.

Wenn Pilze Plastik ersetzen

Viele minderwertige Plastikmaterialien können aber leider nicht recycelt werden. Zudem benötigt das Recycling von jeglichen Materialien Energie fürs Waschen, Sortieren und Prozessieren. Eine einfache, wirkungsvolle Massnahme um Plastik zu sparen, ist der Verzicht auf Einwegprodukte und Einwegverpackungen, da diese etwa 40 Prozent der globalen Plastikproduktion ausmachen. Die Zürcher Unverpackt-Läden Chez Mamie (bit.ly/2xtBcYA) und Foifi (foifi.ch) helfen dir dabei, auf unnötige Plastikverpackungen zu verzichten – so wie du auch in vielen Quartierläden unverpackte Produkte kaufen kannst.

Für viele Produkte, die aus Plastik hergestellt werden gibt es Alternativen aus anderen Stoffen. So können wir Beispielsweise bei Kleidern darauf achten, dass wir Produkte aus natürlichen statt synthetischen Textilien kaufen. So vermeiden wir eine Menge Mikroplastikfasern, die durchs Waschen in unsere Gewässer gelangen. Eine weitere Alternative zu klassischen Plastikmaterialien sind Biokunststoffe aus natürlichen Ressourcen. Zum Beispiel können Landwirtschaftsabfälle mit einer gewissen Pilzspezies beimpft werden, wobei die Pilzhyphen diese in eine robustes Material verwandeln. Dieses Prinzip nutzt die New Yorker Firma Ecovative Design (ecovativedesign.com), um daraus unter anderem Schuhe oder biologisch abbaubares Verpackungsmaterial herzustellen.

Plastik ist offensichtlich kein sehr umweltverträgliches Material. Jedoch ist es nicht das Material und seine Anwendungen selbst, die zur gegenwärtigen katastrophalen Plastikverschmutzungen unseres Planeten führten. Vielmehr ist es unsere Wegwerfkultur und unser unüberlegter Umgang mit diesem Material, die dazu führten, dass es in unseren Meeren bald mehr Plastik als Fische gibt.

<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Über den Autor</div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Manuel Rico Holzer studierte an der ETH Umweltnaturwissenschaften und untersuchte in seiner Masterarbeit die Auswirkungen von Nanoplastikpartikeln und Mikroplastikfasern auf die Umwelt. Literatur: Viele der hier geteilten Information stammen aus dem UNO- Bericht: «Exploring the potential for adopting alternative materials to reduce marine plastic litter» (bit.ly/2PXprnK), der National Geographic Ausgabe: «Plastic or Planet» (on.natgeo.com/2IpVB8N) und aus zahlreichen Fachartikeln aus der Recherche für die Masterarbeit.</a> </div>

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